Ab dem 31.03.2018 sollen alle in der EU verkauften Neuwagen ab Werk mit einem automatischen Notrufsystem ausgestattet sein. In der EU-Amtssprache nennt sich das Ganze dann eCall. Eine im Auto verbaute On-Board-Unit (OBU) soll bei einem Unfall eine im System fest vorgegebene Notrufzentrale anrufen und für die Unfallrettung relevante Daten durchgeben.
Dazu gehören u. a. die Geo-Koordinaten des Unfallortes. Aber auch weitere Daten wären denkbar, z. B. die Heftigkeit des Unfalls, entstandenes Feuer oder Flüssigkeitsverlust. Hinsichtlich des Datenschutzes soll bereits geprüft und festgestellt worden sein, dass auch die strengen deutschen Anforderungen erfüllt wären.
eCall – Gerangel der Interessengruppen hat begonnen
Momentan laufen in Brüssel die Lobbyisten aller Seiten auf, um ihre jeweiligen eCall-Interessen zu sichern. Dazu muss man wissen, dass es neben dem bereits erwähnten eCall, einem reinen Unfallnotrufsystem, auch um weitere Services geht. Diese würden über die selbe OBU gesteuert, sich aber auf zwei andere Bereiche konzentrieren. Zum einen geht es um den bCall, einen Pannennotruf. Zum anderen soll ein sogenannter sCall kommen, der Servicecheck.
Es ist offensichtlich und auch nachvollziehbar, dass hier große Begehrlichkeiten vorhanden sind. Die Interessen der verschiedenen Parteien liegen dabei weit auseinander. Neben Verbraucherorganisationen, wie dem ADAC, haben sich weitere große Lobbygruppen eingeklinkt, z. B. Automobilhersteller, Autoversicherer, Leasinggesellschaften oder Flottenbetreiber und -verwalter. Tja, und dann wäre da noch das Kfz-Gewerbe, das nicht nur beim eCall keine einheitliche Meinung vertritt.
Kfz-Gewerbe ist sich uneins
Einerseits sind da die freien Werkstätten, die ähnlich wie die Versicherer und die Verbraucherorganisationen argumentieren. Hierbei geht es um freien Zugang zu den Systemen, um auch eigene, herstellerunabhängige Services anbieten zu können. Der Kunde müsse die freie Wahl haben, wessen Rufnummer er im eCall-System speichert, so deren Credo.
Demgegenüber stehen die Vertragshändler und -werkstätten. Deren Interessenlage stimmt in mancher Hinsicht mit jener der Autohersteller überein. Kunden sollen im Pannenfall in ihre Betriebe gesteuert werden, genauso soll der Servicecheck an sie gemeldet werden, um den Kunden und das damit zusammenhängende Servicegeschäft zu sichern.
Es wird sehr spannend sein, wie die gemeinsame europäische Lobbyorganisation des Kfz-Gewerbes, die CECRA, mit diesem Interessenkonflikt umgeht. Nicht zum ersten Mal sitzt man hier zwischen allen Stühlen, auch bei der Diskussion um die GVO ist das der Fall gewesen.
Festzustellen ist aber auch, dass die autorisierten Händler die Aktivitäten ihrer Hersteller mit Skepsis betrachten. Denn wenn am Ende der Hersteller darüber bestimmt, wohin der Kunde gesteuert wird, muss das nicht für alle Vertragshändler eine gute Nachricht sein. Aus Erfahrung wissen wir, dass zwar de jure alle Vertragshändler gleich sind, die Realität aber auch anders aussehen kann.
Es geht um richtig viel Geld beim eCall
Doch auch die Versicherungswirtschaft erhofft sich ein großes Stück vom Kuchen. Denn wer zuerst am Kunden ist, steuert den Schaden. Und das geschieht zu großen Teilen entweder an den Vertragshändlern vorbei oder eben zu deren Lasten, wenn nur unter Gewährung umfangreicher Zugeständnisse repariert werden kann.
Damit haben die Assekuranzen seit Jahren Erfahrung, denn deren systematischen Anstrengungen im Unfallschadenmanagement hat das Kfz-Gewerbe bislang nur wenig entgegenzusetzen. Obwohl es ganz simple Lösungen für das Schadenmanagement im Autohaus gibt.
Die Versicherer erhoffen sich einen weiteren Schub an Kostensenkungen. Das mag ich Ihnen nicht verübeln, aber als der Kfz-Branche Zugeneigter habe ich naturgemäß etwas dagegen, diese Einsparungen auf deren Rücken wirksam werden zu lassen. Auch hier ist also Wachsamkeit gefordert.
Der ADAC spielt ein doppeltes Spiel
Der ADAC wiederum spielt mit mehren Trümpfen. Einerseits beansprucht er für sich, den autofahrenden Verbraucher zu vertreten. Doch inzwischen ist er auch als Versicherer aktiv. Da sind Interessenkonflikte systemseitig inkludiert. Hier der Verbraucherschützer, der dem Geschädigten rät, all seine Rechte wahrzunehmen. Dort der Versicherer, der die Schadenkosten möglichst gering halten will und versucht, in diesem Sinne mit allen denkbaren Hebeln auf den Geschädigten Einfluss zu nehmen.
Also: eCall, bCall und sCall haben das Potential, die Karten im automobilen Servicemarkt, dem sogenannten After Market, als auch im Bereich der Unfallreparatur neu zu mischen. So, wie die EU-Kommission ihr Wirken in den letzten Jahren verstanden hat, steht es dabei nicht wirklich gut für die Hersteller und die Fabrikatshändler.
Denn die Brüsseler Bürokraten sind wohl nach wie vor der Auffassung, dass der Verbraucher noch mehr geschützt und der Wettbewerb weiter intensiviert werden müsse.
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Servus Derek,
das geht noch viel weiter, vor allem von Seiten der Versicherungen. Immer vorausgesetzt, die „User“ spielen das Spiel mit.
Ein Gedankenspiel zu den „Kasterln“: heute ist es ja schon fast unmöglich für einen Fahranfänger, ohne Nutzung eines elterlichen Schadenfreiheitsrabatts eine bezahlbare Autoversicherung zu finden. Nun lass mal die Versicherungen den jungen Leuten ein Tracking-Gerät zur Verfügung stellen, in das der Fahrer vor Fahrtantritt seinen Führerschein stecken muss. Nun wird jede Strecke, Fahrzeug, Uhrzeit, Geschwindigkeit, Vorschriftsübertretung, etc., etc., aufgezeichnet. Der Fahranfänger bekommt eine 2-4 wöchige Frist mit ganz billiger Versicherung, wird dann aufgrund seines Fahrprofils eingestuft und bekommt sein individuelles, risikooptimiertes Versicherungsangebot. Keiner kann nach Datenschutz schreien, weil: es wird niemand dazu gezwungen. Wenn jemand seine Daten aufzeichen lässt, kostet seine Versicherung, sagen wir mal, zwischen 800-1200 Euro. Wenn er nichts preisgeben will, dann halt 4000.- Ist ja seine Entscheidung.
Dass die Versicherung die Autos dann dort hinsteuert, wo sie die Reparaturen haben will, ist auch klar. Die Beziehung zwischen Versicherung, Autohaus, Sachverständiger wird (teuer?) gepflegt werden müssen. Wo bleibt hier der Kunde?
Wer entscheidet beim eCall dann, wer im Falle eines erkannten Unfalls benachrichtigt wird? Man wird die Alarmierung, wie es im Abschleppgewerbe üblich ist, von einer staatlichen Stelle aus verteilen – wobei in dem Zusammenhang der Satz „kleine Geschenke erhalten die Freundschaft“ einige Brisanz in sich birgt. Eine der größten Abschleppflotten ist das ADAC-Netz …
Die Hersteller müssen sich hinsetzen und mit den Versicherungen weitgehende Vereinbarungen treffen. Das könnte im besten Fall neutral für den Verbraucher ausgehen, wird aber den Deckungsbeitrag der Reparaturbetriebe sicher nicht unbeeinflusst lassen.
Neue Regelungen, neue Risiken, neue Chancen, neue Verteilungskämpfe: es bleibt spannend.
Hallo Michael,
ist ja richtig wohltuend, wenn Du hochdeutsch schreibst. Dein Schriftdeutsch mit Lokalkolorit auf FB kann ich meist nicht mal ansatzweise verstehen, ist schon sehr speziell für einen Norddeutschen 😉
Aber zum Thema: Du sprichst da ein schönes Beispiel an. Momentan gibt es so viele Interessengruppen bei diesem Thema, die ihre Ansprüche untergebracht sehen wollen, dass es langsam unübersichtlich wird. Aber sei’s drum. Der Fabrikatshandel hat gute Voraussetzungen, hier gemeinsam mit den Herstellern etwas zu erreichen. Allerdings sollten die Händler dabei im Blick haben, dass die Hersteller da Geld verdienen wollen und ihn just an den Stellen, wo der Handel nicht erforderlich ist, auch raushalten werden (Beispiel: Softwareupdates). Ein weiterer Punkt wären klare Spielregeln, zu welchem Händler im Falle des Falles geschleppt wird. Gerade deutsche Marken haben in Deutschland eigene Retailbetriebe/Niederlassungen, da muss der private Handel aufpassen, nicht übervorteilt zu werden.
Ich kenne mindestens ein europäisches Land, wo ein nationaler überfabrikatlicher Verband bereits an eigenen Lösungen für die dortigen Fabrikatshändler aller Marken arbeitet. Die sind sogar schon aus der Konzeptphase raus. Konkret heisst das: Callcenter aufbauen, Steuerungssysteme installieren, Marketingkonzept erarbeiten. Und wenn es losgeht, können die zuschlagen und sich ihr Kuchenstück sichern.
„Nichts ist unmöglich“ ;-),
Derek