Glaubt man den Beratern von A. T. Kearney, treibt die Digitalisierung die Automobilbranche an die Schwelle eines massiven Umbruchs. Im Klartext: Bis zum Jahr 2020 soll der Anteil über das Internet gekaufter Fahrzeuge erheblich ansteigen. Inzwischen haben wir Herbst 2023 und befinden uns mittendrin in der Transformation.

Das bedeutet, der Wandel in Richtung digitaler Automobilvertrieb findet statt. Die fortschreitende Digitalisierung wird die Automobilindustrie massiv verändern, der Autokauf im Internet wird Teil der Realität.

Du musst jetzt hart im Nehmen sein, denn dieser Artikel ist lang (noch knapp viertausend Worte) und hält immer wieder mal den Spiegel hoch (also so, dass man reinsehen muss). Das ist manchmal unbequem und ärgerlich, jedoch meines Erachtens nötig.

Mich überrascht weniger das Ergebnis der Studie als solches. Denn dass die Digitalisierung voranschreitet, wird jeder auch im eigenen Leben schon ausgemacht haben. Vielmehr beeindruckt mich die prognostizierte Zeitspanne, in welcher sich diese dramatische Umwälzung in Richtung Autokauf online vollziehen soll.

Denn 2020 ist praktisch morgen. Vor allem, wenn wir uns vergegenwärtigen, auf welchem digitalen Level sich die Breite der Automobilbranche bis heute bewegt.

Ich verzichte an dieser Stelle auf die Wiederholung der vielen Zahlen und Diagramme, die sich jeder auch in den Charts von A. T. Kearney selbst ansehen kann. Hier und heute setze ich mich mit der Zusammenfassung der Studienergebnisse und den möglichen Optionen für Vertragshändler und OEM auseinander. Davon hast Du nach meiner Überzeugung mehr.

Segmentierung des deutschen Pkw-Marktes

Der Pkw-Käufermarkt Deutschlands lässt sich statistisch in fünf unterschiedlich große, trennscharfe Segmente unterteilen:
(1) Digitale Nutzenorientierte (12%)
(2) Digitale Familien (23%)
(3) Pragmatischer Mainstream (26%)
(4) Analoge/Old School (18%)
(5) Involvierte Traditionalisten (21%).

Zuerst die schlechte Nachricht: Von den in der Studie Befragten 2.500 Personen sind die mit Abstand größte Gruppe die Nichtkäufer. Denn ganz gleich zu welcher Art von Käufertyp sich die Befragten rechnen, haben 69,6% in den kommenden drei Jahren keinerlei Kaufabsicht.

Bei den Befragten mit Kaufabsicht wird es jedoch interessant. Wiederum bezogen auf die 2.500 Befragten gaben 17,1% an, den Fahrzeugkauf nach klassischer Art zu bevorzugen. Ganze 13,3% hingegen würden sich für einen Autokauf im Internet entscheiden. Klingt erst einmal völlig undramatisch, wenn mit Prozentzahlen gerechnet wird.

Doch wenden wir uns den absoluten Zahlen zu. Hochgerechnet auf einen konservativ geplanten, jährlichen Gesamtmarkt von knapp 6,3 Millionen Fahrzeugen (neu & gebraucht) geht A. T. Kearney davon aus, dass immerhin ein Online-Autokauf-Potenzial von gut 2,5 Millionen Einheiten p. a. besteht. Und beachte: Nicht erst in ferner Zukunft, sondern bereits ab jetzt bis 2020 – jährlich – zweikommafünf Millionen!

Dazu passen auch Aussagen des Geschäftsführers vom Autohaus König aus Berlin, Dirk Steeger, die in Sachen Digitalisierung von Vertrieb und Marketing sicher zu den führenden Autohändlern in Deutschland gehören. Zitat bei kfzbetrieb online vom 22.11.2017: „Ich gehe davon aus, dass bereits in den nächsten 24 Monaten jedes vierte Auto, das wir verkaufen, von den Kunden ohne Beratung in den Warenkorb geschoben wird. Das ist etwa die Größe, die aus anderen Einzelhandelsbranchen bekannt ist.“

Überhaupt ein bemerkenswertes Interview, dass ich Dir sehr zum Lesen empfehlen kann. Steeger weiß seine Thesen provokant vorzutragen, was natürlich in den Leserkommentaren sofort die Opposition auf den Plan ruft. Bemerkenswert finde ich es jedoch auch wegen seiner Meinung, welche Händlergrößen künftig noch eine Rolle spielen werden. Fazit: Ganz groß und ganz klein werden überleben – mittelgroß (so zwischen zwei bis acht Betriebsstätten) hat keine Chance. Volkswagen sieht das wohl ähnlich, wie mir Händler berichten. Da werden Gruppen, die 10 Betriebe und gut 100 Mio. EUR Umsatz haben, schon als nicht mehr zukunftsfähig bezeichnet. Es wird ihnen „empfohlen“, sich größeren Gruppen anzuschließen.

Übrigens hat derselbe Dirk Steeger im Spätsommer 2023 in einem Podcast der Fachzeitschrift AUTOHAUS beichtet, dass das Autohaus König inzwischen 20% seiner Verkäufe über die digitale Schiene realisiert (in Summe 10.000 Einheiten!).

Soziodemografischer und technologischer Wandel

Durch den soziodemografischen und technologischen Wandel wachsen die beiden digitalen Segmente 1 und 2 in den nächsten Jahren deutlich an, während z. B. das klassische Segment „Analoge/Old Schoolers“ massiv schrumpfen wird. Da die jüngeren digitalen Segmente eher überproportional Gebrauchtwagenkäufer sind, wird der grundlegende Wandel das Neuwagengeschäft somit zeitverzögert, dann aber mit umso stärkerer Dynamik erfassen.

Auch wenn es in manchen Ohren so klingen mag, ist diese Aussage weit entfernt von Entwarnung. Denn in der Autobranche gelten nach wie vor millionenschwere Paläste aus Bau, Steinen und Erden als das Maß der Dinge. Hinterfragt man dagegen die Investitionen in die Digitalisierung des Autobusiness, sieht es in der Welt der Autohäuser in aller Regel ziemlich mau aus.

  • Zumeist proprietäre Dealer Management Systeme (DMS), deren Ursprünge bis in die 70er Jahre des verblichenen Jahrhunderts zurückreichen, sind eher die Regel als die Ausnahme. Nix mit Cloud & Co.
  • Kundenbeziehungsmanagement (CRM) wird nur von einer Minderheit der Autohäuser wirklich gelebt, geschweige denn prozessual und mit geeigneter Software unterstützt.
  • Digitales Marketing der Automobilbranche beschränkt sich weitgehend auf das Vorhandensein einer Webseite, die Präsentation des Fahrzeugbestandes in Börsen und auch mehr und mehr im Schalten von SEA.
  • Wobei speziell bei der Suchmaschinenwerbung immer mehr Autohändler in alte Reflexe zurückfallen und sich absolut vergleichbar zu ihren Wettbewerbern präsentieren – nicht selten getrieben durch ihre Hersteller.
  • Professionelles Leadmanagement ist bei zu vielen Autohändlern noch immer ein Fremdwort.
  • Und von telefonischer Erreichbarkeit mag ich gar nicht erst reden.

Zwar scheint die Autobranche ihren Handlungsbedarf erkannt zu haben. Einer Umfrage der puls Marktforschung zufolge wissen die meisten Händler zum einen um digitale Herausforderungen. Zum anderen ist ihnen bewusst, dass und wo sie selbst aktiv werden müssen. Ein Lichtblick, sollte man glauben. Auch die Pandemie in 2020 hat ihren Teil dazu beigetragen, dass sich die Automobilindustrie verstärkt dem Thema Digitalisierung zuwendet. Doch Theorie und Praxis klaffen da oft noch weit auseinander.

„DIE“ Customer Journey gibt es nicht

Die fünf Segmente unterscheiden sich signifikant hinsichtlich:
(1) ihrer soziodemografischen Zusammensetzung (z. B. Alter, Haushaltseinkommen),
(2) der Einstellungen zum Thema Mobilität (z. B. Pkw-Nutzung vs. Besitz),
(3) hinsichtlich der subjektiven Miteinbezogenheit beim Thema Autokauf (z. B. emotional vs. rational),
(4) ihrer Markentreue (z. B. loyal vs. flüchtig),
(5) der Nutzung von kaufbezogenen Informationsquellen (bspw. klassische Medien vs. Online) sowie
(6) dem Grad der Bereitschaft, das nächste Fahrzeug im Internet zu kaufen.

Letztendlich spricht diese Zusammenfassung für einen deutlichen Anstieg der Dynamik bei der Änderung des Kaufverhaltens. In vielen Webinaren zu meiner Zeit bei Modix habe ich wiederholt auf den Zero Moment of Truth (ZMOT) hingewiesen. Unter diesem Begriff hat Jim Lecinski von Google schon 2011 zusammengetragen, wie sich das Informations- und Kaufverhalten von Autokäufern verändert hat.

Die Vereinfachung in der Darstellung von ZMOT hat natürlich ihre Tücken. Wobei das 2011/12 absolut in Ordnung war. Inzwischen hat sich die Heterogenität der einzelnen Käufersegmente ebenso weiter entwickelt, wie die Vielfalt an möglichen Kanälen, über die die Konsumenten zum Kauf schreiten.

Was eine wiederum differenziertere Betrachtung ihres Kaufverhaltens erfordert. „Den“ Kaufprozess gibt es nicht (mehr), was bedeutet, dass diese Käufersegmente sehr individuell anzusprechen sind.

Es gibt noch immer viele in der Automobilindustrie, die sagen, „das haben wir schon immer so gemacht“, „das haben wir noch nie so gemacht“, usw. Dabei hat sich allein in den letzten vier Jahren soviel verändert. Vielfach sprießen automobile Start-ups aus dem Boden, um mit neuen Ideen einen Teil des digitalen Automarktes an sich zu reißen.

Es sei hier an die Berliner Auto1 Group erinnert, die es in kurzer Zeit zu einer Milliarden-Bewertung gebracht hat. Mit einem Thema, das völlig simpel von jedem Autohaus hätte umgesetzt werden können (und bis heute von vielen Händlern auf ihren Webseiten nicht oder absolut unattraktiv gespielt wird). Erst kürzlich hat das Unternehmen mehr als 250 Mio. € eingesammelt, um auch im B2C-Geschäft mitzumischen.

Die Prognose in der hier betrachteten Autokäuferstudie sieht für die Zeit bis 2020 wiederum einen dramatischen Wandel auf die Automobilbranche zukommen. Doch ein Raunen, geschweige denn Erstaunen, der etablierten Anbieter vermag ich nicht auszumachen.

Nach meinem Eindruck sind sich viele Marktteilnehmer, vor allem auf Handelsseite, der Dramatik der Situation noch immer nicht bewusst. Sie sehen zwar Handlungsbedarf, verkennen aber den Umstand, dass ihre Kunden in Sachen Digitalisierung schon viel weiter sind, als sie selbst.

Allein Begriffe wie Customer Journey, Touchpoint Management oder Buyer Persona tauchen im Handel praktisch nicht auf. Verstehst Du, wovon ich hier spreche? Ja? > Klasse! Nein? > Dann quäle mal die Suchmaschine oder ruf mich einfach an ;-).

Nicht falsch verstehen: Es geht mir nicht um die Begriffe, das sind nur Buzzwords. Vielmehr sollte der Sinn oder Inhalt derselben verstanden sein.

Dazu kommt, dass die Entwicklung im digitalen Sektor nicht linear, sondern exponentiell verläuft. Wir Menschen kommen damit jedoch zum einen an die Grenzen unseres Vorstellungsvermögens. Zum anderen haben wir in der Vergangenheit zumeist mit linearen Prozessen zu tun gehabt. Das macht es uns schwer, nachzuvollziehen, mit welcher Dynamik sich da vor, hinter, über und unter uns Entwicklungen vollziehen.

Deren Resultate sind dann gefühlt ganz plötzlich evident – obwohl man bei genauerer Betrachtung schon früher hätte darauf kommen können. Tja und dann heißt es oft, dass hätte man einem ja früher sagen können oder das habe man nicht kommen sehen.

Konzentration auf die Zielgruppe mit dem größten Einkommen, statt dem größten Wachstum

Die beiden digitalen Segmente 1 und 2 sind vom Alter her die mit Abstand jüngsten Zielgruppen mit hohen Anteilen von unter 30- und unter 40-Jährigen, während am anderen Ende des Spektrums das Segment 4 „Analoge/Old School“ überproportional viele 50-70 und über 70-Jährige aufweist. Hinsichtlich des Haushaltseinkommens liegen die digitalen Segmente 1 und 2 nur geringfügig unter dem Niveau der Etablierten 3 und 5, lediglich das Senioren-Segment „Analoge/Old School“ weist auf Grund des hohen Anteils an Rentnern ein deutlich niedrigeres Haushalts-Einkommen auf.

Die Autoindustrie konzentriert sich momentan stark auf die in der Studie genannten Segmente 3, 4 und 5. Das ist menschlich nur zu verständlich. Auch und gerade vor dem Hintergrund des Durchschnittsalters deutscher Neuwagenkäufer und der Annahme, dass genau hier das Geld sitzt.

Im Marketing der Automobilhersteller sind die Segmente 1 und 2 ja schon lange angekommen. Doch hat das weniger mit Ergebnissen der Marktforschung, als vielmehr mit Imagegründen zu tun. Jede Marke möchte jung, frisch und modern wirken – ganz gleich wer die Fahrzeuge wirklich kauft. So ist Werbung eben.

Nun ist Werbung das eine, die Realität das andere. Aus Sicht des Handels wäre es sicher sinnvoll, die Käufersegmente 1 und 2 gezielter anzusprechen. Mit gedruckten Zeitungsanzeigen, nicht aktuellen und mobilgeräteunfähigen Webseiten sowie halbtoten, langweiligen oder werbevermüllten Social Media Accounts wird das nicht zu machen sein.

Auch das Grillfest für die Familie und der Aktionstag mit Hüpfburg werden nur begrenzt Zulauf seitens dieser Käufersegmente finden. Neue, frische, ungewöhnliche Ansätze sind daher gefragt.

Das ist aber leider das Gegenteil des Mindsets im Vertragshandel – wird doch hier nicht zuletzt durch die OEM auf Standardisierung, Prozesse und Vereinheitlichung gedrungen. Kreativität ist in diesem Umfeld dann eher eine unerwünschte Randerscheinung.

[bctt tweet=“#Digitalisierung treibt Veränderungen im #Autobusiness. #autohaus #kfz-betrieb #automarketing“ via=“no“]

Andere Einstellungen zum Thema Mobilität

Es wäre zu undifferenziert zu behaupten, dass es jungen digitalen Zielgruppen generell weniger wichtig ist, ein Auto zu besitzen als älteren – analog geprägten –, denn die beiden digitalen Segmente 1 und 2 unterschieden sich gerade darin signifikant. Was aber beide digitalen Gruppen unisono auszeichnet ist eine stärkere Orientierung an der Fahrzeug-Nutzung (gegenüber Besitz) und eine höhere Offenheit für Connected Cars und Connected Services.

Es wäre ja auch gelacht, wenn die nachwachsende Generation keinen Bock auf Trends und moderne Technologie hätte. Oder wie siehst Du das? Insofern war diese Aussage zu erwarten. Wenn jedoch bei diesen Gruppen die Nutzung zulasten des Besitzes stärker in den Vordergrund rückt, bietet das einen hervorragenden Ansatz, um sich als Autohaus eine Angebots- und Marketingstrategie zurechtzulegen. Also, ran an die Kartoffeln!

Dazu gehört mindestens mal eine Überprüfung der Bestandspolitik. Empfehlenswert könnte je nach Standort (urban oder ländlich) auch eine händlereigene Autovermietung sein, die carsharing-fähig ist.

Bin ich als einzelnes Autohaus zu klein für so etwas, könnte ich mit anderen Händlern oder sogar Start-ups in meiner Region kooperieren. Eine zweite Maßnahme könnte das verstärkte Herausstellen von Leasingangeboten sein, speziell für diese Zielgruppen und die für sie infrage kommenden Fahrzeuge.

Was mir hierbei gänzlich in der Automobilbranche fehlt, ist die Offenheit gegenüber Trends, Neuentwicklungen und anderen Managementmethoden. Frag doch „spaßeshalber“ mal die Führungskräfte eines Autohauses, ob sie selbst oder als Team schon einmal bei einem Start-up Weekend oder einem Barcamp waren.

Oder ob sie auch Events besuchen, die nichts mit ihrer Branche zu tun haben, dafür jedoch den Blick über den eigenen Tellerrand ermöglichen. Die Realität ist leider ernüchternd: keine Zeit, zu teuer, zu weit weg oder einfach kein Interesse.

Wie ist das mit Dir? Bist Du da anders drauf? Dann ab in die Kommentare da unten…

Stellenwert des Autokaufs im Leben des Kunden

Subjektive Miteinbezogenheit beim Thema Autokauf: Gemeint ist, ob das Thema Autokauf einen sehr hohen Stellenwert hat und als wichtig eingeschätzt wird. Oder umgekehrt, ob ein Auto ohne große emotionale Beteiligung eher wie ein Gebrauchsgegenstand gesehen (und gekauft) wird, hängt nicht von der digitalen (oder analogen) Prägung der Zielgruppe ab. Denn Käufer mit Begeisterung gibt es unter Digitalen (Segment 2), wie Analogen (Segment 5) und umgekehrt – kühle Rechner ebenso unter Digitalen (Segment 1), wie Analogen (Segment 4). Als Muster aber zeigt sich: Je niedriger der Grad der emotionalen Beteiligung am Kaufprozess ist, desto mehr Stellenwert wird dem Thema Preis bzw. Bestpreis beigemessen.

Ein Thema, das den Händlern ja bereits heute und vor allem im Bereich Neuwagen unter den Nägeln brennt, ist der Preis.

Für meine Begriffe zeigen die Studienergebnisse hier zwei Dinge: Zum einen gibt es Kunden, die man auch durch noch so viel Mehrwert-Angebote nicht zum begeisterten Autokäufer oder -fahrer machen kann. Für die ist und bleibt das Auto nur ein Haufen Metall, um individuell von A nach B zu kommen. Andere Käufer jedoch sind emotional beeinflussbar.

Um einen höheren Preis verlangen zu können, muss ich als Händler auch etwas bieten, das der Kunde tatsächlich als adäquaten Mehrwert spürt und erlebt. Also merke: Nicht nur von Mehrwert reden, sondern auch tatsächlich einen erlebbar machen!

Dazu gehört ganz sicher nicht Austauschbarkeit, sondern vielmehr Differenzierung im positiven Sinne. Um mich von anderen abzuheben, sollte ich erstens wissen, was diese anderen ausmacht.

Was bieten sie den Kunden? Was versprechen sie, was halten sie? Zum zweiten kann es nicht schaden zu wissen, was die Kunden eigentlich von mir erwarten. Was muss ich also tun, um Kunden zu begeistern?

Um mich als wertvollen und merkwürdigen (im wahren Wortsinne) Geschäftspartner zu etablieren? Wie muss ich aufgestellt sein, welche Mitarbeiter benötige ich dafür, wie muss ich mich positionieren, um solche Mitarbeiter zu bekommen?

Positive Differenzierung nach meiner Auffassung bedeutet, die Kundenerwartungen regelmäßig zu übertreffen. Deswegen halte ich auch nichts vom Begriff der „Kundenzufriedenheit“. Denn was bedeutet „zufrieden“?

Für mich ist das lediglich die Erfüllung meiner Erwartungshaltung! Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das heißt noch lange nicht, dass ein zufriedener Kunde auch wiederkommt und Dich weiterempfiehlt. Denn das, was er erwartet, kann er an jeder Ecke bekommen.

Oder siehst Du das anders? Na ja Du weißt ja, die Kommentare… 😉

Um im (regionalen) Markt auf Dauer bestehen zu können, sind wiederkehrende Bestandskunden eine wesentliche Säule des Geschäfts. Dafür braucht es Emotionen. Denn die lösen in der Menschen Hirn eine andere Art des Umgangs mit dem Kauf aus. Zum einen durch tolle Produkte und deren Inszenierung, sowie Dein OEM das auch haben möchte. Das Trendwort dafür ist übrigens „Experience“.

Viel wichtiger noch: Durch Mitarbeiter in der Automobilbranche, die mit Freude und Leidenschaft für Menschen und Autos bereit sind, zu dienen und zu leisten. Und dafür wiederum braucht es die richtige Einstellung (=Mindset) und entsprechende Führung.

Die Amerikaner nennen es so schön „Leadership“. Apropos, wie steht es da um Deine Führungskräfte? Oder bist Du selbst eine? Wie sieht es dann mit Deinen Leadership-Fähigkeiten aus? Bitte sei ehrlich zu Dir selbst, sonst wird das nichts mit der Zukunft!

Hierzu empfehle ich Dir wärmstens den Podcast „Führung auf den Punkt gebracht“ von Geschäftsführercoach und Führungstrainer Bernd Geropp. Speziell in Episode 80 geht Bernd intensiv auf das Thema Leadership ein. Wer Menschen führt, für den sollte dieser Podcast Pflichtprogramm sein.!

Automobilindustrie: Markenloyalität wird zum raren Gut

Die jüngeren digitalen Segmente 1 und 2 zeigen eine geringere Bereitschaft, beim Kauf des nächsten Pkw ihrer alten Marke treu zu bleiben als die älteren, analog geprägten Käuferschichten. Es ist daher in Zukunft (siehe Verschiebung der Segmente in 2026) von einer deutlich geringeren Markentreue bzw. zunehmender Flüchtigkeit digitaler Käufergruppen auszugehen.

Diskutiert wird es ja schon länger und irgendwie fühlt man es auch: Mit der Loyalität der Kunden ist es oft nicht mehr weit her. Je jünger, desto sprunghafter, könnte man sagen. Die Neigung, hier mit Ideen und Kreativität gegenzusteuern, ist verständlich.

Da werden dann „Kundenbindungsprogramme“ erfunden. Du bist ja auch täglich irgendwo Kunde, möchtest Du gern von jemandem „gebunden“ werden? Also ich sicher nicht! Das kommt mir vor, als würde mich jemand an die Leine legen wollen.

Ich bin überzeugt, dass der menschlichen Komponente ein höherer Stellenwert zukommen sollte, als technischen oder kaufmännischen Maßnahmen. Dazu hatte ich ja schon im Abschnitt „Stellenwert…“ etwas geschrieben.

Kunden von heute sind zuallererst Egoisten. Das meine ich bitte nicht negativ und wenn Du Dich gerade dabei ertappst, mit dem Kopf zu nicken – sei vorsichtig. Schau in den Spiegel und hinterfrage ganz einfach, wie Du so als Kunde unterwegs bist (und belüge Dich nicht selbst dabei, okay?!).

Es gibt dazu tolle Bücher, empfehlen kann ich Dir das hier*:

Einer der Autoren ist übrigens Ralf Thomas Kreutzer, der in den 90er Jahren für den Kundenclub bei Volkswagen verantwortlich war. Der andere Autor, Karl-Heinz Land, Gründer von neuland, beschreibt den modernen Konsumenten ganz simpel: Ich will alles, überall und sofort.“

Ist der Autohandel auf diese Art von Kunden vorbereitet? Ich denke nicht, obgleich er diese Kunden schon seit Jahren vor der Nase hat. Sicher, es gibt Lichtblicke und Fortschritte.

In der Breite ist die Branche doch nach wie vor genervt von dieser Art von Kunden (in Klammern mit Gedanken von ausgewählten Mitarbeitern der Automobilbranche):

  • dauernd wollen sie Rabatt haben; (obwohl ich kaum Marge habe)
  • schicken Emails zu unchristlichen Zeiten und erwarten auch noch zeitnah eine Antwort; (kennen die keinen Feierabend?)
  • legen nach viermal Klingeln auf und rufen einfach woanders an; (Mann, ich hab auch noch was anderes zu tun!)
  • kommen um 17:55 Uhr noch ins Haus und erwarten selbstverständlich Beratung und Probefahrt; (ich hab schließlich Familie)
  • meinen, am Samstag um 16:00 Uhr noch bedient werden zu müssen; (nix da, jetzt ist Hobby angesagt)
  • regen sich auf, wenn Fahrzeugbilder in den Börsen nicht viel aussagen; (sollen doch einfach hier vorbeikommen)
  • beschweren sich, wenn ihr Wunschfahrzeug nicht zur Probefahrt zur Verfügung steht. (was denken die eigentlich, wer sie sind?)

Lass das mal sacken und frage Dich selbst, wie oft Du jetzt innerlich gedacht hast. „Genau so ist es!“ War früher alles besser? Geregelte Ladenöffnungszeiten, klar zu identifizierende Wettbewerber, stabile Preise, feste Marktverantwortungsgebiete, keine Re-Importe usw. War das wirklich besser? Ehrlich? Und wenn ja, warum?

Die Probefahrt ringt um ihre Eroberungswirkung

Noch ist die – reale – Besichtigung eines Fahrzeugs im Autohaus bzw. die Probefahrt als wichtigste Informationsquelle über alle Kaufsegmente hinweg „gesetzt“. Aber die Studie zeigt, dass auch diese Position bei den digitalen Zielgruppen schon allmählich an Boden verliert. Denn bereits jeder Dritte „Digitale Nutzenorientierte“ könnte sich schon heute vorstellen, sein nächstes Auto auch ohne reale Besichtigung und/oder Probefahrt zu kaufen. Noch deutlicher ist der Trend beim Thema „Fachkundige Beratung im Autohaus“ erkennbar: Je höher der Digitalisierungsgrad der Zielgruppe, umso verzichtbarer erscheint die persönliche Beratung – die durch intensive Nutzung von Online-Quellen ersetzt wird.

Ich denke, dieser Effekt wird eine gewisse Eigendynamik entfalten. Denn je mehr die Automobilindustrie gezwungen ist, hochwertige und gut aufbereitete Informationen online zur Verfügung zu stellen, desto mehr werden die dafür affinen Zielgruppen diese auch konsumieren.

Wenn also der direkte Kontakt zwischen Käufer und Autohaus vermehrt nur noch der Unterschrift eines Kaufvertrages dient, schwinden die Beratungs- und Upselling-Möglichkeiten seitens der Verkäufer noch weiter.

Der Tag ist bereits nahe, an dem die gesamte Kaufabwicklung ohne jeglichen persönlichen Kontakt vor Ort im Autohaus erfolgt. Neue, technische Möglichkeiten, wie Augmented Reality und Virtual Reality kommen mehr und mehr zum Einsatz.

So können sich Kunden schon zuhause vorstellen, wie sich das Ganze anfühlt. Wenn dann eines Tages auch noch Gerüche übertragen werden können, kann man den Lederduft auch dazu packen. Mich erinnert das ein wenig an den guten alten Microsoft Flugsimulator, ohne Kerosin-Geruch versteht sich ;-).

Wer sich das nicht vorstellen kann, möge sich mit dem Geschäftsmodell von Carvana in den USA beschäftigen. Carvana vermarktet Fahrzeuge ausschließlich online, inkl. der kompletten Finanzierungsabwicklung. Für Erlebnis und Emotionen ist die Carvana Vending Machine zuständig. Fast wie bei einer alten Musikbox wirft man für die Fahrzeugabholung eine Art Münze ein. Dann beginnt das Schauspiel á la Autostadt Wolfsburg: Das gekaufte Auto wird wie von Geisterhand aus einem Glasturm geholt und dem Kunden in seine Übergabebox gestellt. Anzumerken ist hier natürlich, dass sich das Ganze wirtschaftlich erst noch beweisen muss.

Bereitschaft zum Direktkauf im Internet wächst

Mehr als ein Viertel aller Käufer kann sich vorstellen, bei einem guten Angebot/Preis den nächsten Pkw im Internet zu kaufen. Bei den jungen digitalen Zielgruppen liegt dieser Anteil bereits zwischen 64 und 74%. Mehr noch: Etwa ein Drittel der digitalen Autokäufer von morgen wünscht (!) sich heute schon, den kompletten (!) Kaufprozess – von der Modell-Auswahl bis zum Kaufvertrag – „sicher und bequem“ über das Internet abwickeln zu können.

Das bedeutet für ein Autohaus zuerst einmal, im Internet auch gefunden zu werden. Dafür braucht es moderne Webseiten, die mit aller Art von Endgeräten, insbesondere jedoch mit Smartphones, gut dargestellt werden. Diese Webseiten benötigen qualitativ gute und hochwertige Inhalte, die zu den Fragestellungen der jeweiligen Käufersegmente passen.

Diese Inhalte sollten die Fragen beantworten, die sich potenzielle Käufer in den verschiedenen Stadien des Kaufprozesses stellen. So bestehen große Chancen, dass ein Händler von einer Suchmaschine organisch gefunden wird. Händler, die glauben, diese Inhalte müssten vom OEM geliefert werden, liegen leider falsch.

Denn das würde bedeuten, dass alle Händler einer Marke mit den gleichen Inhalten vertreten sind. Du erinnerst Dich bestimmt an den weiter oben schon genannten Punkt der positiven Differenzierung?! Die beginnt genau hier.

Weiterhin sind wirksame und individuelle Onlinemarketing-Kampagnen zu gestalten, auch diese unter dem Gesichtspunkt der Unterscheidung. Über Basics, wie hervorragende Warenpräsentation mittels professioneller Fahrzeugbilder oder -videos, verkaufsfördernder Fahrzeugbeschreibung sowie vollständigen Fahrzeugdaten müssen wir leider immer noch diskutieren – ist jedoch wichtig.

Weiter geht’s mit Onlineshop-Funktionen inkl. einer sicheren Abwicklung von Kaufvertrag, Kaufpreis-Zahlung, Online-Finanzierung und gegebenenfalls auch der Versicherung. Alles heute schon zu haben und in der Versicherungs- und Bankenbranche längst im Einsatz.

Das Berufsbild des Automobilverkäufers ändert sich damit weiter. Verkäufer von morgen benötigen zusätzliche Fähigkeiten. Sie werden sich selbst mehr und mehr als Marke inszenieren müssen, denn nicht nur das Autohaus, sondern auch der Verkäufer muss sich differenzieren.

Sie benötigen hier und da Spezialisierung, bessere Online-Marketing und Social Media Kenntnisse und müssen bei diesem (einen?) Kundenbesuch vor Ort eine persönliche Beziehung herstellen und auf den Punkt kommen. Zusätzlich sind Kundenkontakte viel intensiver nachzuverfolgen.

Das Mittel der Wahl dafür ist das Telefon, heute oft ein wunder Punkt in vielen Autohäusern. Frag Dich jetzt mal, ob die Ausbildung zum Automobilkaufmann bzw. die Weiterbildung zum Geprüften Automobilverkäufer das heute alles abbildet?

Ich möchte bestimmt nicht gehässig sein, wenn jedoch in Beiträgen und Stellenausschreibungen von „EDV-Kenntnissen“ die Rede ist, offenbart das schon einen großen Teil der traurigen Wahrheit. EDV ist ein Begriff aus vergangenen Zeiten und spricht sicher nicht die Zielpersonen an, die Du morgen benötigst.

Beispiel USA: In vielen Händlerbetrieben gibt es ein sogenanntes Business Development Center (BDC). Das dortige Team hat die Aufgabe, alle eingehenden Leads zu qualifizieren und jene mit realer Verkaufschance an einen Verkäufer weiterzuleiten. Doch im Nachgang gibt es eine Trennung zwischen klassischen Autoverkäufern und Internetverkäufern. Alle vom BDC weitergeleiteten Leads gehen ausschließlich zu den Internetverkäufern, nicht aber zu den klassischen Autoverkäufern. Fragt man, warum das so ist, bekommt man unisono die Antwort: Klassische Autoverkäufer sind es eher gewohnt zu reagieren, haben nicht die benötigten Telefon-Skills und verfolgen Leads nicht konsequent genug. Für Internetverkäufer hingegen ist es normaler Alltag, zu agieren. Also aktiv und systematisch hinterher zu telefonieren, Leads „bis zum Ende“ zu verfolgen und mit dem CRM-System zu arbeiten.

Mein Fazit zur Digitalisierung der Automobilbranche

Der digitale Autovertrieb grenzt an eine Revolution, die sowohl die OEM als auch die Autohäuser vor enorme Herausforderungen stellt. Denn es bedeutet, dass der gesamte Kaufprozess inkl. Marketing, Abwicklung von Kauf, Finanzierung, Leasing, Versicherung für mehr und mehr Kunden über das Internet erfolgt. Dazu kommen noch zu digitalisierende Prozesse, die im Hintergrund laufen.

Zweifelsohne wird es auf absehbare Zeit genügend Kunden geben, die den Kauf auf klassische Art bevorzugen. Doch genauso zieht der Omnichannel-Vertrieb in die Branche ein, was bedeutet, dass manche Kunden online recherchieren, vor Ort eine Probefahrt machen und dann wiederum online kaufen wollen.

Die Automobilindustrie steht vor der Aufgabe, das Onlinekauf-Erlebnis zu ermöglichen, zu gestalten und sicherzustellen. Ist das bis 2020 realistisch? Ich meine, nein. Jedenfalls nicht in der Breite. Dafür braucht es ja nicht nur Technologie (was die kleinere Herausforderung ist), sondern auch Menschen mit den passenden Skills und dem richtigen Mindset (und schon fallen wieder zweimal fünf Euro in das Anglizismen-Phrasen-Schwein 😉 ).

Die wachsen jedoch weder auf Bäumen, noch werden sie im deutschen Schul- und Ausbildungssystem herangezogen. Soll heißen, diese Leute sind Mangelware und können sich mehr oder weniger aussuchen, wo sie arbeiten wollen. Sofern die Automobilbranche aufwacht und im Rahmen der Digitalisierung auch feststellt, dass sie solche Menschen benötigt.

Wie es um den aktuellen Status der digitalen Transformation in der Automobilindustrie bestellt ist, beleuchtet Volker Liedtke bei Blogomotive sehr anschaulich. Kurz gesagt: Es ist noch Luft nach oben. Wer sich den Artikel aufmerksam durchliest, wird feststellen, dass nicht nur der Mittelstand (=Autohäuser), sondern auch die Industriekonzerne (=OEM) noch riesige Schritte nach vorn machen müssen.

Ein weiteres, sehr interessantes Webfundstück ist das Interview mit dem Risikoinvestor Albert Wenger in Brandeins (inzwischen leider hinter einer Paywall). Man möge sich vor Augen führen, welche dramatischen Auswirkungen die Digitalisierung auf uns alle haben wird.

Diskussionen über Beratungsdiebstahl, Unmutsbekundungen gegenüber den bösen Kunden, die nur alles billiger haben wollen, das Zurücksehnen nach den guten alten Zeiten – all das ist menschlich nachvollziehbar. Doch es hilft nichts: Die Zeiten sind wie sie sind und die Kunden ebenfalls. Das muss niemandem gefallen, aber wenn wir auch morgen noch erfolgreich im Autobusiness mitmischen wollen, haben wir damit adäquat umzugehen.

Alle Betroffenen sollten sich also aktiv damit auseinandersetzen, ob das, was da auf uns zukommt, noch ihre Welt ist, ob sie das mitgestalten wollen und können.

Wer meint, dass das Dasein als Unternehmer in der Autobranche nicht mehr zielführend ist, sollte besser jetzt als später eine folgerichtige Entscheidung treffen.

Wer sagt, die Tätigkeit als Autoverkäufer ist zu nervtötend und bringt kaum noch etwas ein, sollte sich jetzt neu orientieren.

Wen es als Serviceberater stört, dass sich Kunden mit Fragen und Problemen nach Feierabend an ihn über Facebook & Co. wenden, sollte seine Einstellung überprüfen.

Wer als Autohändler nach wie vor Millionen in den Neubau einer immer weniger von Kunden frequentierten Immobilie investiert, aber für die wirklichen Herausforderungen der Zukunft nur vier- oder fünfstellige Beträge bereitstellt, darf sich über die Folgen nicht wundern.

Wer schreibt hier? Derek Finke ist ein Digital Car Guy. Nach beruflichen Stationen in Autohaus, Autovermietung, Händlerverband und Unternehmensberatung ist er heute als Brückenbauer zwischen Strategie und deren Umsetzung in der Automobilbranche tätig. Derek arbeitet nach dem Motto: Menschen machen gern Geschäft mit Menschen, die sie kennen, die sie mögen und denen sie vertrauen!

Photo source: Elenarts / clipdealer

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