Die Probefahrt ist im Gerede. Eine vom Marktforscher Maritz Research durchgeführte Umfrage bei mehr als 80.000 Neuwagenkäufern in den USA hat ergeben, dass mehr als 10% der Befragten auf eine Probefahrt vor dem Kauf verzichtet haben. Die dafür angegebenen Gründe waren vielfältig, darunter z. B. schlechte Erfahrungen mit Händlern oder bereits Vorkenntnisse mit dem infrage kommenden Modell.

Probefahrt – knapp die Hälfte der Befragten ist nur mittelprächtig beeindruckt

Die Studie untermauert noch einmal den ja längst auch hier realen Zustand, dass Kunden dank Internet immer besser informiert sind, wenn sie ins Autohaus kommen. Die Probefahrt wird ja gemeinhin als DAS Überzeugungsinstrument beim Autokauf betrachtet. Wenn aber knapp die Hälfte der Befragten sich nur mäßig bis gar nicht beeindruckt zeigt, schränkt das den fachlichen Beratungsspielraum der Verkäufer mehr und mehr ein. Sicher, die andere Hälfte findet die Probefahrt noch immer wichtig. Aber wie lassen sich die abgeneigten Kunden gewinnen?

Ich denke, zwei Dinge erhalten ein immer größeres Gewicht: Zum einen die Onlinepräsenz des Autohändlers. Damit ist nicht nur eine moderne, zur Marke und zum Autohaus passende Webseite gemeint. Nein, Präsenz meint auch die Aktivitäten in den sozialen Netzwerken, die Bearbeitungsgeschwindgkeit von E-Mails und die eigene Darstellung und Reputation in der digitalen Welt.

Zum zweiten die weichen, menschlichen Faktoren. Fachliches Know-How erwartet heute jeder Kunde von einem Fachgeschäft und seinen Mitarbeitern. Diese Kenntnisse werblich herauszustellen, ist somit vertane Liebesmüh. Vielmehr muss es gelingen, den berühmten Funken überspringen zu lassen. Dafür muss es menscheln: Im Web, im Autohaus, schlichtweg überall da, wo Autohaus und Kunden aufeinander treffen können. Und genau das sollte doch bei lokal orientierten Unternehmen eigentlich zur Selbstverständlichkeit gehören, oder?

Probefahrt – sie allein kann es nicht mehr richten

Dabei spielt unserer Branche nicht nur das Internet mit Werkzeugen wie Videos in die Hände. Die oben erwähnte Studie hat nämlich bei knapp 22% der Befragten ergeben, dass der Verkäufer im Autohaus einen entscheidenden Einfluss auf ihre Kaufentscheidung gehabt hat. Vor einiger Zeit schrieb ich hier mal „Menschen kaufen gern von Menschen“. Und ich bleibe dabei: Der Mensch, hier der Verkäufer, ist im Einzelkundengeschäft nicht pauschal ersetzbar. Alles andere, Webseite usw., sind wichtige und heutzutage unerlässliche Hilfsmittel und Handwerkszeug, um Verkäufer und Käufer einfacher und besser miteinander in Kontakt treten zu lassen und den Kaufprozess zu optimieren.

Insofern stimmen mich die 10% Kunden, die keine Probefahrt wollen, nicht bedenklich. Viel nachdenklicher macht mich, dass bei knapp 80% der Kunden die Verkäufer keinen entscheidenden Einfluss auf die Kaufentscheidung ausgeübt haben. Da liegt der Hund begraben. Warum das so ist? Gute Frage, darauf gibt es sicher mehr als eine Antwort.

Ich habe mal einige Menschen in meiner Umgebung danach gefragt: Heraus kamen Antworten, wie „keine Lust auf Autohaus“, „denen geht es noch zu gut“, „da geh ich nur zur Preisverhandlung hin“, aber auch die eine positive Reaktion „ich bin mit meinem Autohaus zufrieden, den Verkäufer kenne ich schon seit einigen Jahren“. Es geht mehr und mehr um Respekt und Beziehungspflege, als um Fachkenntnisse.

Derek Finke

Photo credit: holding graz via flickr (CC BY 2.0)