
The Volkswagen logo on the power station of the Volkswagen factory in Wolfsburg. (Photo credit: Wikipedia)
Am Freitag letzter Woche hat Volkswagen-Chef Martin Winterkorn im Anschluß an eine Aufsichtsratssitzung Veränderungen im Top-Management des Konzerns und diverser Marken bekannt gegeben. Im Grunde ist das nichts Ungewöhnliches, dennoch beherrscht es den Blätterwald.
Da ist zum einen die Größenordnung der Aktion. Bislang wurde in der Fachpresse nur über zwei Personalien im Vorstand der Audi AG spekuliert. Das es jetzt einen derart großen Rundumschlag gibt, überrascht und ist für Volkswagen ohne Beispiel.
Zum zweiten hat der Konzern gerade eine glänzende Bilanz 2011 vorgelegt, was für die meisten von uns den Eindruck vermittelte, die Wolfsburger sollten megamäßig unterwegs sein. Auch die ersten Monate in 2012 liefen gut und der Ausbilck gibt Anlass zur Hoffnung, dass auch dieses Jahr wieder hervorragende Zahlen liefern wird. Doch ganz offensichtlich laufen einige Sachen nicht so, wie sie sollen.
Die LKW-Allianz aus Scania und MAN, ergänzt um VW Nutzfahrzeuge zum Beispiel. Sie stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Erst wollte MAN Scania übernehmen, was die stolzen Schweden zu verhindern wussten. Und nun wird ausgechnet der Scania-Chef Leif Östling in den Konzernvorstand einziehen, und die Hoheit auch über MAN übernehmen. MAN hat noch nicht einmal die Übernahme durch VW verdaut, immerhin war der Augsburger bzw. Münchner Konzern seit Anbeginn unabhängig, und das nicht nur über Jahrzehnte, sondern Jahrhunderte. So etwas prägt eine Unternehmenskultur. Östling muss nun mit viel Fingspitzengefühl versuchen, Vertrauen aufzubauen und die MAN Seele zu streicheln. Gleichzeitig muss er MAN und Scania strategisch abstimmen und dabei auch noch den Hannoveraner Ableger VW Nutzfahrzeuge einbinden. Deren Händler schauen mit gemischten Gefühlen nach vorn, denn niemand weiß so genau, wo diese Reise hingehen wird. Bleibt die Marke erhalten? Und wenn, mit welchen Produkten? Oder werden die Crafters künftig unter MAN Logo laufen und die anderen Modelle von VW Pkw übernommen? Es ist und bleibt spannend.
Auch Audi hat sein Fett abbekommen. Zwei Vorstände müssen gehen. In der technischen Entwicklung ist der Konzern offenbar nicht mehr zufrieden mit dem, was Audi an „Vorsprung durch Technik“ geliefert hat. Der neue Entwicklungs-Vorstand, Dr. Wolfgang Dürheimer, kommt ursprünglich von Porsche und war zuletzt Chef von Bentley und Bugatti. Er muss nun dafür sorgen, dass Audi wieder mit spürbaren Innovationen von sich reden macht. Im Vertriebsressort kommt Luca de Meo, ein Marketing-Mann durch und durch. Er ist Italiener und hat eine berufliche Vorgeschichte bei Fiat, Alfa Romeo und zuletzt als Chef des Marketings von Konzern und Marke Volkswagen. Mal sehen, wie er sich im Vertrieb machen wird. Das ist eine andere Welt, da muss man sich mit Importeuren und Händlern herumschlagen.
Und dann China: Für den Konzern ist es DER Wachstumsmarkt schlechthin. Wenn es hier stottert, rappelt es im ganzen Konzern. Es ist nur konsequent, dafür auf der Ebene des Konzernvorstandes ein eigenes Ressort zu schaffen. Offenbar hat Karl-Thomas Neumann, der dynamisch wirkende Chef des China-Geschäfts, die Erwartungen nicht erfüllen können. Er wurde bei der Rochader schliuchtweg übergangen. Es wird über Qualitätsmängel bei Bauteilen spekuliert, die den Konzern viel Geld kosten sollen. Doch auch das chinesische Händlernetz muss dringend ausgebaut und qualitativ weiterentwickelt werden. Dazu kommt, dass auch das Gebrauchtwagengeschäft in China langsam anläuft und seitens Volkswagen noch zu wenig an Unterstützung ins Netz fliesst.
Tja, und dann ist da noch Mach 2018, die Strategie, die Volkswagen zum weltgrößten Autobauer machen soll. Ich glaube, Winterkorn und Piech haben bemerkt, dass neben diversen operativen Problemen ein dringender Schub durch den Konzern gehen musste. Einerseits kehren neue Besen gut. Andererseits kann so auch intern die Spannung hoch gehalten und eine gewisse Erfolgsmüdigkeit vermieden werden. Schlaue Füchse, die beiden „Alten“.
Wir werden sehen, ob diese Maßnahmen ausreichen.
Kleiner Nachtrag: Gerade (04.06.2012/16.30 Uhr) ist die Meldung online, dass der Stühletausch noch weitergeht. Werner Eichhorn, bislang Vertriebs- und Marketingchef für VW Pkw in Deutschland, wechselt zu Skoda als neuer Vertriebs- und Marketingvorstand. Für Eichhorn ist das ein weiterer Schritt nach oben. In Deutschland ist dsein name mit vielen Erfolgen für die Marke verbunden. Dafür wird Jürgen Stackmann von Skoda nach Wolfsburg wechseln und das Marketing des Konzens und der Marke VW Pkw übernehmen. Stackmann ist ein dynamischer Typ mit Ideen und Visionen, der sowohl Vertrieb als auch Markleting beherrscht. Ich denke, das ist eine gute Wahl für diesen Job.
Wenn der Phaeton endlich verblasst ist, der wahre Erfinder des VW entschädigt und die Chinesen alle Beetle fahren
ist es an der Zeit über einen Konzernvorstand bei VW für das China Geschäft nachzudenken,
lieber Herr Finke, danke für ihre Zusammenfassung des Stühlerückens und der Umstrukturierung des VW- Konzernes – ich teile ihre positive Einschätzung der Entwicklung nicht und schon lange ist die Marke VW für mich keine persönliche Option oder gar ein Beispiel für Vorsprung durch Technik mehr. Die letztebahnbrechende und soziale Innovation war der TDI, er hat Leistung demokratisiert und den Verbrauch gesenkt und einen echten alternativen Antrieb massentauglich gemacht….
Der wahre innovative Markenkern von Volkswagen und die biografische Fortsetzung der Bindung an unser aller VW Käfer – Generation Golf ist „simply clever“ bei Skoda zu finden.
Viele sind beim Passat und allem was vor allem preislich drüber lag schon umgestiegen, nur Skoda hat verstanden das alte VW-Klientel zu halten und mit citigo auch die alte soziologische Weisheit aus den USA auch werblich endlich umgesetzt, dass „Verkehrsmittel auch Kommunikationsmittel sind“.
Mein Vater ist z.B. beim VW 412 vom Glauben abgefallen und resigniert zu Volvo gewechselt.
Der sohn hat eine lang andauernde Liebe zu Ford entwickelt, als Geschäftswagen und als Youngtimer einen Ford Escort XR 3 i, vielleicht auch deshalb weil die zuerst Soziologen beschäftigt haben und noch immer den meisten soziologischen Verstand im Konzern haben, sich also mit den nichtökonomischen Grundlagen der Ökonomie am besten auskennen und mit ihren Zielgruppen zusammen einfach bessere Entwicklungen machen. Ford stellt sich seiner nicht immer ruhmreichen Geschichte, das vermisse ich bei den Wolfsburgern und dem Herrn Piech und seiner Management- Auto- techno- kratie:
Warum sie noch immer dazu schweigt, dass die Nazis Josef Ganz die Patente gestohlen haben, wie es im Buch von Paul Schilperoord oder auch beim Altmeister Paul Simsa über Porsche nachzulesen ist?. Beim in meiner Erinnerung meist gelben „VW-Porsche“, auch da war die Qualität und das Image eher bescheiden, wenn ich mich nicht irre?
Auch die kritiklose Begeisterung für den chinesischen Markterfolg teile ich nicht- die schnellen Verkaufszahlenorientierten Entscheidungen der Westlichen Kultur übersieht die kulturellen und politischen Risiken einer zu starken Abhängigkeit von einem Markt. Die Chinesen denken, siehe die klassischen interkulturellen IBM -Forschungen – in Jahrhunderten. Die Strategie, uns den Strick auch noch zu verkaufen, an dem unser ganzer Wohlstand derzeit hängt, sie ist schon bei Marx und Mao nachzulesen… Über dieser Gier, den Chinesen möglichst viel Fahrzeuge zu verkaufen, darf nicht vergessen werden, dass dies ein politischer Markt und kein an Kundenbindungen interessierter Konsumentenmarkt ist, sondern ein staatssozialistischer Zuteilungsmarkt, alles wird für den Staat getan, Individualität ist solange o.k. bis der Volkskongress beschließt, demnächst eine andere Marke zu favorisieren. Dann, werden die Massen den Santana und andere Joint Ventures stehen lassen….da nützt der derzeitige Vorsprung durch deutsche Technik sicher so viel wie der sichtbare Protest der Studenten auf dem Platz des himmlischen Friedens vor 25 Jahren…Es sollte VW als Marktführer zu denken geben, dass es auf seinen gewachsenen europäischen und nordamerikanischen Märkten einen Generationen -Bruch in der Nutzung der Automobilität gibt…Dazu hat nicht nur der demografische Wandel geführt sondern ein Sinken der Attraktivität ein Auto zu besitzen. Das bedroht das Geschäftsmodell der Autoindustrie, wenn ganze Generationen nun via flinc oder über die Deutsche Bundesbahn flincster ein Auto zu sharen – ohne Verantwortung für alles was daran hängt – aber auch ohne emotionale Bindung an die automobile Kultur.Diese Kultur wird aber für die Innovationen als Humus und nichtrationale und unökonomische Grundlagen der Ökonomie aber dringend gebraucht.
Hallo Herr Fuhr,
vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort auf meinen Beitrag.
Ich glaube, wir sind an diversen Stellen gar nicht nicht auseinander. Nach meiner Wahrnehmung verändern sich die Prioritäten der nachwachsenden Generation in einem rasanten Tempo. Wenn auch meine Kinder ein Auto durchaus noch für erstrebenswert halten, muss man aber berücksichtigen, dass wir auf dem Land wohnen. Da die Jugend aber nach aller Erfahrung zu großen Teilen in die Städte strebt, werden sich diese Ansichten auch noch einmal verändern. Auf jeden Fall spielt der Besitz eines eigenen Autos kine so große Rolle mehr. Es geht vielmehr darum, im Falle des Falles die passende Art von Mobilität zu bekommen.
Ihre Ansichten zu China teile ich nur bedingt. Ich bin in der sowjetisch besetzten Zone aufgewachsen, von daher maße ich mir an, beurteilen zu können, wie Staatssozialismus funktioniert. Da ich erst kürzlich selbst in China und mit normalen Menschen in Kontakt war, ist mein Eindruck etwas differenzierter. Der Markt saugt wie ein Schwamm westliche Luxusgüter auf. Zu Gute kommt den Autoherstellern dabei, dass das Zeigen von Luxus da unten eine große Rolle spielt. Da der Nachholbedarf so riesig ist, wird diese Strähne noch einige Zeit anhalten. Aber die nächste Generation denkt auch in China schon etwas anders. Es wird immer mehr Menschen bewusst, dass das totale Verkahrs-Chaos in den Megastädten mit dem klassischen Konzept der individuellen Mobilität (=Auto) nicht zu lösen sein wird. Also auch da gibt es bereits einen Umdenkprozess, und der ist tatsächlich staatlich gelenkt.
Beste Grüße,
Derek Finke