Im Jahr 1964, in einer mittelgroßen Stadt in Deutschland, war Heinrich Wiese eine Institution. Führen durch Fragen hatte damit vordergründig erstmal nichts zu tun. Sein Autohaus, das er vor dem Krieg mit einem bescheidenen Werkstattbetrieb aufgebaut und nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft wieder aufgebaut hat, versorgte seit zwei Jahrzehnten die Region mit Fahrzeugen, Reparaturen und -wie er es nannte- echten Lösungen. Doch was Wiese auszeichnete, war mehr als sein Geschäftssinn oder seine ausgeprägte Technikaffinität: Heinrich Wiese führte sein Autohaus wie eine Familie.
Führen durch Fragen – Wer fragt, der führt
Morgens, bevor das Autohaus seine Türen für die Kunden öffnete, machte Wiese einen kleinen Rundgang durch die Werkstatt und den Verkaufsraum. Jeder wurde mit Handschlag und einer persönlichen Frage begrüßt: „Und, wie läuft’s mit dem Kleinen?“ an den Werkstattmeister, der gerade Vater geworden war. Ein „Hat die Tochter die Erkältung überstanden?“ an eine der Mitarbeiterinnen in der Buchhaltung. Er wusste, welcher Mechaniker eine Schulung bräuchte, welche Werkzeuge erneuert werden sollten, jedoch auch, wessen Ehe gerade kriselte oder wo sich Nachwuchs ankündigte.
Dieses Führen durch Fragen dauerte meist nur wenige Minuten – und doch, bis die Werkstatt brummte und der Verkaufsraum sich füllte, wusste Heinrich Wiese, was seine Leute bewegte. Manchmal hielt er mit einem besonders müden Lehrling ein kurzes Gespräch ab: „Komm, sag an, was ist los? Schule? Oder musst Du zu viel ran zuhause?“ Die Antworten blieben selten oberflächlich, denn jeder wusste: Herr Wiese fragte nicht pro forma, er fragte, weil er es wissen wollte.
Für Heinrich Wiese war Führen durch Fragen keine „Extraaufgabe“, sondern ein natürlicher Bestandteil dessen, was heute Leadership oder moderne Führung heisst. Er glaubte fest daran, dass seine Mitarbeiter nur dann engagiert und produktiv arbeiten würden, wenn sie sich bei ihm sicher und respektiert fühlten – ein Gedanke, der damals keineswegs selbstverständlich war. Die vermeintlich kleinen Fragen halfen ihm, Bedürfnisse frühzeitig zu erkennen und Spannungen zu entschärfen. Wer etwas auf dem Herzen hatte, wusste, dass Wiese ein offenes Ohr und meist auch eine praktische Lösung parat hatte. Die Leute schätzten ihn dafür, und viele blieben ihr ganzes Berufsleben lang in seinem Autohaus.
Von gestern lernen: Wertschätzung und Nähe im Alltag schaffen
Heute mögen wir auf Heinrich Wieses Führungsstil mit einem nostalgischen Schmunzeln zurückblicken und manches daran als „patriarchalisch“ empfinden. Und doch verbirgt sich hinter dieser Art Führen durch Fragen eine Erkenntnis, die auch für moderne Führungskräfte in einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt von unschätzbarem Wert ist: Echte Nähe und Wertschätzung entstehen oft in den kleinen, spontanen Gesprächen, die nicht nach Plan ablaufen und keinen festen Kalenderpunkt haben. Wer im Arbeitsalltag wiederkehrend die richtigen Fragen stellt und echtes Interesse zeigt, schafft eine Vertrauensbasis, die sich langfristig auf die Motivation, das Engagement und die Zufriedenheit der Mitarbeiter auswirkt.
Natürlich sind die Anforderungen heute andere, der Führungsalltag durch höhere Anforderungen, größere Schlagzahlen, kürzere Veränderungszyklen, getaktete Meetings und virtuelle Absprachen geprägt. Doch gerade deshalb ist es so entscheidend, sich immer wieder an den Ursprung echter Kommunikation zu erinnern und sich im Führen durch Fragen zu üben – Fragen, die ganz konkret ansetzen, herausfordern und zum Denken anregen.
Wie wäre es also, wenn Du die Führung durch Fragen ganz bewusst in Deinen Alltag integrierst? Nicht als zusätzliche Aufgabe, sondern als integralen Bestandteil der Führung – wie Heinrich Wiese damals. Schon wenige gezielte Fragen im Alltag reichen, um Probleme rechtzeitig zu erkennen, Potenziale zu entdecken und dem Gegenüber zu signalisieren: „Du bist wichtig. Was Du denkst und machst, zählt.“ Denn auch in einem modernen Autohaus von heute ist diese Haltung der Schlüssel für ein erfolgreiches und langfristiges Miteinander.
Damit Dir der Einstieg leichter fällt, habe ich eine Reihe von Fragen zusammengestellt, die Du direkt ausprobieren kannst. Wähle einfach die aus, die gerade zum Gespräch und zur Situation passen – und lass Dich auf die Antworten ein. Wer weiß, vielleicht findet sich unter den Gesprächen ja das eine oder andere, das Deinen Blick auf die aktuellen Herausforderungen im Team nachhaltig verändert.
Führen durch Fragen: 100+ Fragen an Dein Team
Hier sind einige Anregungen für Dein Führen durch Fragen, die helfen können, Probleme zu identifizieren, Potenziale zu entdecken und das Team nachhaltig zu stärken.
1. Fragen zur Arbeitsbelastung
Dieser Schnellcheck hilft Dir, die Arbeitslast und mögliche Überlastungen rechtzeitig zu erkennen.
- Wie fühlst Du Dich aktuell bei Deiner Arbeitsbelastung?
- Was stresst Dich derzeit am meisten, und wie gehst Du damit um?
- Auf einer Skala von 1 bis 10, wie fordernd empfindest Du Deinen Job?
- Was fehlt Dir aktuell, um Dich entlasteter zu fühlen?
- Gibt es eine Aufgabe, die Dich besonders belastet? Wie können wir daran arbeiten?
- Wie empfindest Du die Balance zwischen Routineaufgaben und neuen Herausforderungen?
- Welche Unterstützung würdest Du Dir langfristig wünschen, um das Pensum gut zu bewältigen?
- Was kann ich konkret tun, um Dich zu unterstützen?
2. Fragen zu Aufgaben
Diese Fragen helfen, die Aufgabenverteilung und Zufriedenheit besser zu verstehen.
- Welche Aufgabe bringt Dir am meisten Freude, und warum?
- Gibt es Aufgaben, bei denen Du die Verantwortlichkeit gern übernehmen würdest?
- Welche Projekte würdest Du in Zukunft gerne federführend betreuen?
- Wenn Du eine Aufgabe neu gestalten könntest, was würdest Du anders machen?
- Wie empfindest Du das Maß an Eigenverantwortung, das Du in Deinen Aufgaben hast?
- Gibt es Bereiche, in denen Du Dich mehr fordern oder fördern lassen möchtest?
- Welche Aufgabe bringt Dich persönlich weiter? Wie können wir diese stärken?
3. Lösungsorientierte Fragen
Fördere Eigenverantwortung und kreative Problemlösungen im Team.
- Welche Optionen siehst Du, um das Problem zu lösen?
- Welches Ziel hast Du für die Problemlösung und wie könnten wir gemeinsam dorthin gelangen?
- Was wäre Dein Ansatz, wenn alle Ressourcen frei verfügbar wären?
- Wenn Du alles tun könntest, ohne Rücksicht auf Einschränkungen – wie würdest Du es lösen?
- Gibt es frühere Herausforderungen, an denen Du gewachsen bist? Was hast Du daraus gelernt?
- Welche Einwände könntest Du Dir selbst bei diesem Vorschlag vorstellen?
- Was könnte ein idealer nächster Schritt sein, und was davon ist heute umsetzbar?
4. Fragen zu Stärken
Entdecke ungenutzte Potenziale und gehe darauf ein, wie diese Stärken im Alltag mehr genutzt werden könnten.
- Gibt es Kompetenzen, die Du im Alltag nur selten einsetzen kannst?
- Was ist eine Fähigkeit, die Dir leichtfällt, anderen aber schwer?
- Was kannst hier nur Du, die anderen jedoch nicht?
- Welche Fertigkeit hast Du in der letzten Zeit entwickelt, und wie könnte diese uns bereichern?
- Was würdest Du gerne weiter vertiefen, wenn die Möglichkeit bestünde?
- Wo fühlst Du Dich besonders sicher, und wie können wir das verstärken?
- Wenn Du ein Trainingsangebot erhalten könntest, welches Thema würdest Du wählen?
- Gibt es Tätigkeiten außerhalb des Berufs, die Dich inspirieren und wie könnten wir davon profitieren?
5. Fragen zur Arbeitsweise und zum Arbeitsumfeld
Erfahre mehr über die individuelle Arbeitsweise und wie der Arbeitsplatz verbessert werden kann.
- Wann fühlst Du Dich am produktivsten, und wie können wir das unterstützen?
- Gibt es Routinen oder Strukturen, die Deine Produktivität fördern?
- Welche Tools oder Systeme könntest Du zur Effizienzsteigerung gut gebrauchen?
- Was lenkt Dich bei der Arbeit häufig ab? Gibt es Ideen, dies zu minimieren?
- Welche Hilfsmittel könnten Deine Arbeit erleichtern, die Du bisher nicht hast?
- Gibt es Arbeitsabläufe, die Du als ineffizient empfindest? Wie könnten wir sie optimieren?
- Wenn Du den Arbeitsplatz gestalten könntest, wie würde er aussehen?
Willst Du über Führen durch Fragen mal reden? Dann vereinbare hierüber einen kostenlosen Kennenlerncall.
6. Fragen zu Konflikten
Hilf dabei, Konflikte zu verstehen und Ansätze zur Konfliktlösung gemeinsam zu erarbeiten.
- Gibt es für Dich einen ersten, kleinen Schritt zur Verbesserung der Situation?
- Was müsste geschehen, damit Du Dich wohler fühlst in der Zusammenarbeit?
- Welche Lösungsvorschläge hast Du, und was könnten wir gemeinsam ausprobieren?
- Wenn Du auf die Situation zurückblickst, was würdest Du als „Frühwarnzeichen“ erkennen?
- Welche Rolle glaubst Du spielst Du selbst im Konflikt, und wie könntest Du darauf Einfluss nehmen?
- Wie könnten wir künftig sicherstellen, dass ähnliche Konflikte vermieden werden?
- Was brauchst Du in dieser Situation von mir, damit der Konflikt sich positiv entwickelt?
7. Fragen zur Unternehmensentwicklung
Nutze die Ideen Deiner Mitarbeiter für die Weiterentwicklung des Unternehmens.
- Welche Marktveränderungen nimmst Du wahr, die für uns relevant sein könnten?
- Welche Innovationen oder Technologien könnten uns einen Vorsprung verschaffen?
- Welchen Kundenbedürfnissen könnten wir besser gerecht werden?
- Wo siehst Du das größte Potenzial für Verbesserungen im Kundenservice?
- Welche Risiken könnte unser Unternehmen unterschätzen?
- Welche internen Prozesse könnten nach Deiner Ansicht vereinfacht oder digitalisiert werden?
- Wie könnten wir unser Unternehmensleitbild noch sichtbarer machen?
8. Fragen zur Mitarbeiterentwicklung
Schaffe eine klare Perspektive für die persönliche Weiterentwicklung Deiner Teammitglieder.
- In welchen neuen Aufgaben oder Projekten siehst Du Deine berufliche Weiterentwicklung?
- Welche Fertigkeit würdest Du gerne erwerben oder vertiefen?
- Wenn es eine Möglichkeit zur Teamübernahme gäbe, wie sähe Dein Wunschteam aus?
- Welche Themenbereiche inspirieren Dich und könnten Deine nächsten Schritte prägen?
- Gibt es eine Position im Unternehmen, die Dich langfristig reizt?
- Wo siehst Du Dich als Mentor für andere Mitarbeiter, und was könntest Du dabei weitergeben?
- Welche Hürden siehst Du aktuell für Deine persönliche Entwicklung?
9. Fragen zum Team
Erfahre mehr über die Teamdynamik und die Beziehung zwischen den Teammitgliedern.
- Welche Kollegen haben Dir zuletzt in einer schwierigen Situation geholfen? Was hat das bewirkt?
- Gibt es Teamtraditionen oder Rituale, die Du besonders schätzt?
- Was wünschst Du Dir von Deinen Kollegen, um die Zusammenarbeit noch angenehmer zu machen?
- Wie können wir die Kommunikation im Team transparenter gestalten?
- Gibt es Talente im Team, die aktuell nicht optimal genutzt werden?
- Was schätzt Du am meisten an der Diversität unserer Teamfähigkeiten?
- Welche Kommunikationsform bevorzugst Du für gemeinsame Besprechungen und warum?
In Erinnerung an die alten Tage im Autohaus und mit Blick auf die heutigen Anforderungen zeigt sich, dass die Nähe, die Wiese mit seinem Führungsstil á la Führen durch Fragen schuf, alles andere als „von gestern“ ist. Wenn wir die Fragen in den Alltag holen und mit echtem Interesse verfolgen, werden sie zu einem unschätzbaren Werkzeug für die Weiterentwicklung und Stabilität eines modernen Teams – und dafür, dass auch wir mit unserer „Mannschaft“ immer auf dem Laufenden bleiben. Also: Mach Dich auf und integriere Führen durch Fragen in Deinen Alltag!
Und hier noch eine kleine Überraschung: Mit der noch recht frischen KI-Anwendung Notebook.LM habe ich diesen Blogpost in Form eines Interviews zusammengefasst. Das ist bei weitem nicht perfekt, man hört stellenweise einen deutlichen amerikanischen Akzent, beide Hosts sind für meinen Geschmack auch etwas zu enthusiastisch und zustimmend. Doch hey, das Ganze hat keine 10 Minuten gedauert. Dafür finde ich das Ergebnis absolut fantastisch. Stell Dir vor, was erst geht, wenn Du Deine geklonte Stimme da einbindest und die Aussprache noch natürlicher wird. Ein Wahnsinn.