Kennen Sie die vermutliche Geschichte hinter „Deutschlands beste Autohändler“? So oder ähnlich könnte es sich neulich in Hamburg zugetragen haben: Fragt der Verlagsleiter den Chefredakteur, wie er denn gedenke, seine Gewinnvorgaben zu erfüllen? Schließlich kann es so ja nicht weitergehen: Mehr und mehr Leser und Werbekunden durchschauen offenbar, dass meistens der Hersteller die Tests gewinnt, mit dem man mal eine Marketingkooperation geschlossen hat. Die Printanzeigen laufen halt so, die eigene Autobörse wird im Markt kaum wahrgenommen, Dudenhöffer zieht nicht mehr, der Aubix ist nett, bringt aber kein Geld und die Rabatte bei autohaus24.de werden auch nicht mehr größer.

Eine Idee war geboren: Lass uns Autohändler beeindrucken

Hm, sagt der Chefredakteur, er hätte da noch eine tolle Idee. Sowas ginge immer. „Lass uns irgendwas mit Autohäusern machen.“ Entgegnet der Verlagsleiter: „Na ja, wenn wir das so machen wie bei den Werkstatttests, dann können wir damit kein Geld verdienen. Da ist doch immer nur einer gut und der Rest wird abgewatscht. Dafür geben die niemals Geld aus.“ Etwas nachdenklich stimmt der Chefredakteur zu, so könne das Geschäftsmodell wohl kaum funktionieren. Dann hat er den zündenden Einfall: „Wir machen das diesmal anders. Wir küren die besten Autohändler. Keiner kann schlechter als drei abschneiden und wir offenbaren die Kriterien, wie man welchen Platz erreicht, nicht großartig. Den Horizont vieler Leser übersteigt das sowieso und die Händler fragen nicht lange, wenn sie so toll dastehen. Dann schnüren wir ein Marketingpaket, sorgen medial dafür, dass die Kunden in den Betrieben danach fragen und helfen den Autohäusern das Ganze für ein paar Tausend Euro über.“

„Die große Autobild-Studie“ war geboren

Am 13.03.2015 war es dann soweit: In Ausgabe Nr. 11/2015 veröffentlichte Autobild unter der Schlagzeile „Die 1.000 besten Autohändler Deutschlands“ den sogenannten „großen Händlertest“. In etwas kleineren Buchstaben wurde verheißungsvoll darauf verwiesen, dass „die besten Betriebe in Ihrer Nähe von Autofahrern bewertet“ wurden.

[bctt tweet=“#Autobild ergänzt #Geschäftsmodell um fragwürdiges #Marketing für #Autohäuser“]

Von Seite 54 bis Seite 74 zieht sich dann die Berichterstattung über diesen Test hin. Klingt erstmal gut, aber abwarten. Transparenz scheint nicht unbedingt eine Stärke von Autobild, in diesem „Händlertest“ existiert sie schlichtweg nicht. So gibt es keinen Hinweis auf die Skala der Benotung, also was sehr gut, gut usw. ist. Aus den Ergebnissen ist nur erkennbar, dass keiner der 1.000 aufgeführten Händler schlechter als 2,9 bewertet wurde. Was aber führt zu 1,0, was zu 2,9? Aus welchen Einzelteilen setzen sich die Ergebnisse zusammen, wie wurden sie ermittelt? Fehlanzeige bei Autobild, Zitat: „Auf eine weitere Unterteilung verzichten wir …“.

Statt dessen auf Seite 55 der Hinweis für die Leser: „Als Kunde sollten Sie auf das Gütesiegel „Beste Autohändler 2015″ achten. Dann haben Sie einen Tophändler gefunden“. Das ist nichts weiter als die verklausulierte Aufforderung an die 1.000 aufgeführten Händler, die Rechte für die Benutzung des Siegels zu erwerben. Der einführende Text auf den Seiten 54/55 biedert sich dem Autohandel regelrecht an.

An die Autobild-Leser: Lassen Sie sich nicht veräppeln!

Sind Sie Leser von Autobild und bei gesundem Verstand? Dann lassen Sie sich nicht zum Narren halten! Die Redaktion von Autobild mag alles mögliche können, aber mit Objektivität hat sie nicht viel am Hut. Der Bericht „Die 1.000 besten Autohändler Deutschlands“ hat einzig und allein den wirtschaftlichen Hintergrund, Autohändlern überteuerte Vermarktungspakete zu verkaufen. Die dahinter liegende Systematik ist intransparent und dient lediglich als Feigenblatt. Ihnen werden die zum Testergebnis führenden Kriterien weitgehend vorenthalten.
BTW: Die Print-Ausgabe der Autobild mit dem Artikel hat 1,80 EUR gekostet. Auf autobild.de können Sie diesen Artikel für 2,00 EUR herunterladen. Schon irgendwie komisch, oder?

An die 1.000 „besten“ Autohändler: Lassen Sie sich nicht abzocken!

Nicht zum ersten Mal haben sogenannte „Motorjournalisten“ belegt, dass sie im Hauptberuf ökonomische Erfüllungsgehilfen ihrer Verlage sind. Grundsätzlich ist dagegen nichts einzuwenden, denn Unternehmen handeln nun einmal so. Wenn aber ein Verlag über seine Fachzeitschrift vorgibt, im Sinne der Leser und Verbraucher zu agieren, letztendlich aber das ihr entgegengebrachte Vertrauen für rein geschäftliche Zwecke missbraucht, sollte das nicht noch von Händlern unterstützt werden. Wie ich aus dem Handel erfahren habe, soll das „Marketingpaket“ der Autobild zu dieser Aktion 3.500 EUR kosten. Nur damit wären Sie in der Lage, das Siegel für eigene Zwecke werblich zu nutzen.

Verschwenden Sie Ihr hart verdientes Geld nicht. Sehen Sie es mal anders herum: Mit 3.500 EUR könnten Sie nahezu ein Jahr lang pro Monat für 300,- EUR Suchmaschinenmarketing betreiben, eine tolle Fotosession mit ihrem Team durchführen, Ihre Webseite auf Vordermann bringen, ein Blog für Ihr Autohaus einrichten oder auch soziale Einrichtungen vor Ort unterstützen. Alles Dinge, die einen direkten Effekt für Sie und Ihr Geschäft bringen, ohne dabei Geld aus dem Fenster zu werfen.

An die Autohersteller: Unterstützen Sie Ihre Vertragshändler

Wenn Sie es ernst meinen mit Ihren Vertragspartnern, dann unterstützen Sie sie in dieser Angelegenheit. Zum einen könnten Sie Ihre Vertriebspartner über den fragwürdigen Hintergrund der Aktion aufklären. Zum anderen stellt sich die Frage, warum einer solchen Redaktion noch Testfahrzeuge zur Verfügung gestellt werden, warum diese Redaktion noch Infos aus erster Hand von Ihnen erhält, warum in diesem Blatt noch Anzeigen von Ihnen erscheinen? Ja ich weiß, die haben ja auch viele Leser und damit Reichweite. Aber ist es schon soweit, dass man sich alles bieten lassen muss? Mit einer konzertierten Aktion könnten Sie den Damen und Herren in Hamburg zumindest einen Schuss vor den Bug setzen.

BTW: Ich kann nicht ganz nachvollziehen, warum ZDK-Präsident Jürgen Karpinski im Rahmen dieser Aktion mit einem Interview in dieser Autobild Ausgabe auftaucht?!

Ich habe im Übrigen rein gar nichts gegen Tests dieser Art, wenn sie transparent und fair ablaufen. Ich habe auch nichts dagegen, dass ein Verlag für seine Leistung Geld verlangt, wenn ein Autohaus diese Leistung werblich nutzen möchte. Das ist absolut legitim. Wenn aber ein Verlag davon redet, dass die Autohaus-Kunden Ehrlichkeit als zentrales Element in der Kundenbeziehung betrachten und derselbe Verlag diese Ehrlichkeit vermissen lässt, dann passt das nicht zusammen. Wer soll da Vertrauen haben?

Derek Finke

Photo credit: Derek Finke