Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters rüstet Google derzeit sein Betriebssystem Android Auto mächtig auf. Ziel ist eine weitgehende Integration der nächsten Android-Generation in die elektronische Fahrzeugarchitektur. In diesem Zusammenhang steht wohl auch die erst vor kurzem von Audi-Chef Rupert Stadler getroffene Aussage, „die Hoheit über die Betriebssysteme im Auto hat allein der Hersteller“. Reuters beruft sich allerdings auf Quellen, die aus dem Google-Umfeld kommen, aber nicht genannt werden wollen.

Android Auto – was ist daran neu?

Bislang setzt Google darauf, dass ein Android-Smartphone im Auto ist, um dieses mit dem Fahrzeug zu verbinden. So kann die Steuerung des Smartphones über einen Bildschirm im Fahrzeug erfolgen. Oder es kann beispielsweise Musik gestreamt oder Google Maps gestartet werden. 2015 sollen lt. Reuters Fahrzeuge auf den Markt kommen, die die beiden letztgenannten Punkte beinhalten.

Die wirkliche Integration von Android Auto in die elektronische Fahrzeugarchitektur wäre aber ein anderes Level. Dass sich Fahrzeughersteller hier an der Ehre gepackt fühlen, lässt sich nachvollziehen. Schließlich geht es fast schon um alles oder nichts. Denn wer das Betriebssystem eines Fahrzeuges beherrscht, der hat (nicht nur) die technologische Macht im Fahrzeug. Insofern würde es mich schon sehr verwundern, wenn irgendein Autohersteller, der etwas auf sein technisches Know-how hält, Apple, Microsoft oder Google eine tiefgehende Integration in die eigenen Systeme ermöglicht.

Warum sollte eine tiefe Vernetzung von Android Auto nicht gewünscht sein?

Jeder halte sich vor Augen, wie die großen Technologiekonzerne die Spielregeln bestimmen und immer wieder nach ihrem eigenen Gusto verändern. Die Autohersteller würden sich ihrer eigenen Mittel berauben, ließen Sie Google & Co. einfach so einziehen. Aus Sicht eines Autoherstellers sind Fahrzeuge künftig nicht mehr nur Werkzeuge für die Mobilität, sondern vor allem Datenlieferanten. Und Daten scheinen doch wohl die Währung der kommenden Zeit zu sein.

Daten sind das neue Öl

Wenn ich weiß, auf welchen Wegen meine Kunden welche Ziele ansteuern, wie sie sich dabei verhalten, welche Inhalte sie digital konsumieren, ob sie eine Panne oder einen Unfall haben, wo sie was tanken, mit wem sie wie lange und intensiv kommunizieren, dann sind diese Daten viel Geld wert. Nicht ohne Grund betreiben die großen deutschen Hersteller eigene Carsharing-Angebote oder Autovermieter, haben eigene Banken, die nicht nur Autos finanzieren, sondern die gesamte Wertschöpfungskette eines Fahrzeuges begleiten, z. B. mit Kreditkarten, organisieren via Call-Center Unterstützung bei Pannen- und Unfallsituationen, bieten Reiseplanung usw. an. Um all diese Dienste und künftig womöglich noch viel mehr auf die Kunden maßschneidern zu können, braucht es valide Mengen verwertbarer und weitgehend personalisierter Daten. Und diese Daten kommen zum einen aus den Fahrzeugen, zum anderen über Zusatzdienste selbst, aus Smartphones und darüber hinaus aus den Handelsorganisationen. Zusätzlich gibt es Kooperationspartner in anderen Branchen, über die die Kundenprofile erweitert bzw. ergänzt werden können.

Natürlich werden wir alle immer gläserner, das muss aber nicht per se negativ sein. Wenngleich so große Datensammlungen in privater Hand immer kritisch zu sehen sind. Dennoch gibt es auch den positiven Aspekt, dass wir letzten Endes keine Werbeflut, sondern auf uns zugeschnittene Werbung erhalten. Aber warten wir es ab, ich glaube nur, was ich sehe.

Die Autohersteller wollen sich nicht zum Knecht machen lassen

Aus der Tesla-Story haben die Hersteller gelernt, dass man mit einer Vision, reichlich Durchsetzungsvermögen und Geld in relativ kurzer Zeit sehr gute Autos entwerfen und verkaufen kann – auch ohne 100 Jahre Erfahrung im Automobilbau. Klar, Tesla verkauft zurzeit nur Bruchteile der Volumina großer Hersteller. Aber das, was sie machen, machen sie konsequent. Die Marke ist weltweit in aller Munde und E-Mobilität steht erst am Anfang. Die Modellpalette wächst und man darf davon ausgehen, dass es bei denen, die sich das leisten können, zum guten Ton gehört, so einen Wagen zu fahren.

Es ist gut, dass die Hersteller jetzt nicht auch noch einen Durchmarsch der Giganten aus dem Silicon Valley zulassen wollen. Schließlich brauchen wir Individualität im Markt, und eben auch im Auto. Die Macht der großen Technologiekonzerne ist sowieso schon groß genug. Je mehr Anbieter mit verschiedenen Konzepten im Markt sind, desto besser am Ende für den Kunden.

Derek Finke

Photo credit: 9to5Mac.com