Zugegeben, die Frage, ob sich der Vorsitz bei einem Händlerverband und Ehrenamt heute noch gut vertragen, ist nicht neu. Schließlich zeigt der VW/Audi Händlerverband schon seit Jahren, dass es auch anders geht. Dennoch: Die Kollegen aus Isernhagen beschreiten diesen Weg noch recht einsam.
Händlerverband und Ehrenamt – wo liegen die Herausforderungen?
Als führender Repräsentant eines Händlerverbandes sind vor allem drei Dinge zu beherrschen: Nach innen einen, nach außen rufen und dabei den strategischen Weitblick behalten. Gemeint ist damit, den immer heterogener werdenden Mitgliedern unter dem großen Verbandshut eine verbindende Identität zu geben. Gleichzeitig aber nach außen, in Richtung Hersteller, mit Nachdruck und dennoch diplomatisch, die Interessen der eigenen Truppen zu vertreten. Und in der Dynamik unserer Zeit dennoch einen Standpunkt, sprich ein strategisches Ziel zu vertreten. Das gleicht nicht selten einem Drahtseilakt und lief vor 15 oder 20 Jahren noch ganz anders ab.
Ich würde nicht behaupten, dass es damals einfacher war, aber eben anders. Manager auf Herstellerseite waren damals noch andere Persönlichkeiten, die gegenüber dem Handel eine andere Art von Respekt hatten, als das oft heute der Fall ist. Nicht wenige Manager verbrachten fast ihr gesamtes Berufsleben bei einem Hersteller, man kannte und respektierte sich und konnte Dinge auch mal auf dem kleinen Dienstweg regeln. Zumindest das Letztgenannte gerät heute eher zur Ausnahme, als zur Regel.
In Sachen Kräfteverhältnis stehen Händlerverbände zu Herstellern ja grundsätzlich wie David zu Goliath. Das hat zur Folge, dass Verbände viel öfter die Abwehrhaltung einnehmen müssen, als sie selbst Entwürfe und eigene Ideen zur Lösung von Problemen liefern können. Sie werden dann nicht selten von den Mitgliedern für zuviel Milde bei irgendwelchen Ergebnissen kritisiert. Wenn aber die Mitglieder die Ursprungsentwürfe gesehen hätten, die seitens der Hersteller vorgelegt wurden, sähe das vermutlich anders aus. Um aber das Gesicht der Gesprächspartner auf der Gegenseite zu wahren (man sieht sich schließlich mehrfach im Leben), wird darüber nicht gesprochen (was auch richtig ist).
Pro und Contra Ehrenamt
Steht der Inhaber oder Geschäftsführer eines Autohauses an der Spitze eines Händlerverbandes, geht man davon aus, dass dieser die Herausforderungen des täglichen Händlerdaseins am eigenen Leib spürt. Er kann also direkt nachempfinden, an welchen Stellen welche Schuhe am meisten drücken. Er ist Praktiker, er spricht die Sprache seiner Kollegen, er agiert auf deren Augenhöhe. Ihm muss niemand erklären, wo der Hund begraben liegt. Er blickt den Anforderungen des Herstellers und den Kunden täglich in die Augen und weiß, was zu tun ist.
Aber er ist eben auch angreifbar. Denn wer die Interessen seiner Mitglieder zu offensiv vertritt, muss damit rechnen, seitens der Hersteller angegangen zu werden. Das kann sich am Ende auf die eigene unternehmerische Tätigkeit auswirken, was zwar sachlich nicht richtig ist, aber hier und da dennoch praktiziert wird.
Ist der angestellte Präsident die bessere Lösung?
Letztendlich kann man darauf nicht klar antworten. Denn es kommt eben drauf an: auf die Marke, den Arbeitsaufwand, das Verhältnis Hersteller/Handel und sicher noch auf weitere Dinge. Zwar kann ein angestellter Präsident seitens der Hersteller nicht unter Druck gesetzt werden. Andererseits möchte auch er Ergebnisse erzielen, die für seine Mitglieder gut sind. Insofern muss sich auch ein angestellter Vorsitzender auf dem politischen Parkett bewegen können, kann dies aber sicher mit etwas mehr Nachdruck tun. Viel wichtiger ist aber, dass er sich in Vollzeit um dieses Amt kümmern kann. Denn die Verbandsarbeit ist in den letzten Jahren immer aufwendiger geworden.
Ich komme noch einmal zurück auf den VW/Audi Partnerverband. Ich habe dort auch sieben Jahre gearbeitet und freue mich, dass der Wechsel geglückt ist. Michael Lamlé war 22 Jahre als Geschäftsführer und neun Jahre als Verbandsvorsitzender tätig. Das ist eine lange Zeit, in der sich im Verband selbst, bei seinen Wirtschaftsunternehmen, bei den Herstellern aber auch in der Branche viel getan hat. Unsere Zusammenarbeit war nicht immer reibungslos, aber von gegenseitigem Respekt geprägt. Was letztendlich auch gut war, denn die einfachen Dinge bringen uns alle nicht weiter.
Ich hoffe, er kann seinen Ruhestand noch viele Jahre gesund genießen und seiner Frau, den Kindern und Enkelkindern sowie seinem Münsterländer demnächst mehr Zeit schenken.
Als Nachfolger im Amt des Verbandsvorsitzenden wurde Dirk Weddigen von Knapp gewählt. Er bringt viele Jahre Handelserfahrung mit. Als früherer Geschäftsführer der Gottfried Schultz Gruppe und heutiger Geschäftsführer der Autobusiness Group kennt er die Situation im Handel exzellent. Dirk Weddigen von Knapp ist ein Mann mit Ecken und Kanten. Er verbindet Charme im persönlichen Umgang mit der Eigenschaft, sich nicht überall auf der Welt nur Freunde machen zu wollen. Insofern erfährt man als recht schnell, mit welchem Ziel er unterwegs ist. Damit mag nicht jeder umgehen können, aber angesichts der stürmischen Zeiten und für die hartnäckige Vertretung der Interessen der VW/Audi-Partner ist Durchsetzungsfähigkeit sicher nicht die schlechteste Voraussetzung.
Ich wünsche Dirk Weddigen von Knapp viel Kraft, Erfolg und Glück in seiner neuen Tätigkeit. Mögen es die Autogötter gut mit ihm meinen ;-).
Photo Credit: Derek Finke (Foto zeigt Michael Lamlé im Jahr 2012 bei einer Konferenz des Europäischen Händlerverbandes in Helsinki)