Lieber Frank,

Du hast im Automobilverkäuferblog einige Fragen an Audi gerichtet. Nach einigen Tagen des Anstandsabwartens, ob sich bei Dir jemand von Audi meldet, reagiere ich auf Deine Fragen. Ich habe zwar mit keiner Reaktion aus Ingolstadt gerechnet, aber manchmal kann man ja nie wissen. Schließlich betreibt Audi ja auch ein Blog. Etwas Fingerspitzengefühl in Sachen Social Media könnte man also voraussetzen. Aber nachdem dort nicht einmal über den Auftritt ihres Vorstands beim IfA-Kongress in Nürtingen, geschweige denn über seine Aussagen, berichtet wurde, kannst Du wohl bis zum Sankt Nimmerleinstag auf Antworten warten. Statt dessen gibt es Interviews mit Mario Götze. Naja, immerhin der und nicht dieser schreckliche Franzose 😉

Ich habe den Vortrag von Luca de Meo in Nürtingen live mitverfolgt, antworte im Folgenden aber selbstredend aus meiner Sicht der Dinge.

Automobilverkäuferblog: Mir ist gänzlich unklar wie ein regionaler Händler der Marke Audi von den neuartigen Cyberstores in den Metropolen profitieren kann?

Ich denke, das kann funktionieren. Einmal direkt, indem in der Audi City, also dem Cyberstore, Interessenten aufschlagen, sich beraten lassen und Fahrzeuge konfigurieren. So werden qualifizierte Leads geworben, die dann mit der Konfiguration in einem „normalen“ Audi Betrieb in Käufer konvertiert werden können. Zum zweiten wirkt das aber auch indirekt. Wer sich mit Marketing beschäftigt, weiß um die Rolle von Flagshipstores. Nichts anderes sind das, es geht um Marke, Marke, Marke. Audi kann seine Markenwerte transportieren, Eindruck schinden, Leute verblüffen. Das mag sich nicht immer gleich in Verkaufszahlen widerspiegeln, wirkt aber mittel- und längerfristig nach.

Automobilverkäuferblog: Die Fahrzeugkonfiguration per Tablet-PC als eines der Module des Audi Showroom-Konzepts wurde vorgestellt und erwähnt, dass diese bereits von 500 Betrieben eingesetzt wird und im Jahr 2015 ein flächendeckender Roll-out im Handel ansteht. Was erhofft sich Audi von der geänderten Fahrzeugkonfiguration per Tablet-PC? Wo ist der entscheidende Mehrwert zur Fahrzeugkonfiguration am Schreibtisch via PC?

Ich kenne weder die Details des Audi Showroomkonzepts im Einzelnen, noch die Art und Weise der Umsetzung des Audi Konfigurators für den Tablet-PC. Für mein Verständnis hat die Konfiguration per Tablet-PC aber den Vorteil, direkt am/im Vorführ- bzw. Ausstellungsfahrzeug mit Interessenten arbeiten zu können. So können Dinge, die man live anfasst und sieht, direkt konfiguriert werden. Details werden so nicht vergessen. Inwiefern der Nutzen daraus im Verhältnis zum Aufwand steht, vermag ich in diesem Fall nicht zu beurteilen.

Automobilverkäuferblog: Im Bericht (in Autohaus Online) werden Sie mit der Aussage “Wir brauchen verschiedene Handelsformate für verschiedene Bedürfnisse” zitiert. Der Bericht führt nebulös weiter aus: Audi unterstütze die Händler mit neuen Technologien, wo immer sie diese benötigten. Allerdings werden diese neuen Technologien, bis auf die aufgeführte Fahrzeugkonfiguration per Tablet-PC, verschwiegen. Welche neuen Technologien meinen Sie konkret?

Dass es verschiedene Formate braucht, um den unterschiedlichen Kundenbedürfnissen (privat, gewerblich, Großkunden) einerseits und den verschiedenen Ausgangslagen andererseits (Stadt, Land, Modellpalette) sehe ich auch so. Die eierlegende Wollmilchsau, die alles abdecken soll, das funktioniert schon heute nicht mehr. Audi hat das spezialisierte Konzept bereits beim R8 praktiziert. Fahrzeuge, die nur in homöopathischen Dosen vermarktet werden, muss nicht jeder verkaufen und reparieren können.
Alle Welt redet derzeit von der Digitalisierung der Automotive-Welt. Aber wer genau hinschaut, wird feststellen, dass es bei den meisten Herstellern und erst recht Händlern noch gar keine Basis dafür gibt. Aktuelle Webseiten? Content Marketing? Suchmaschinenoptimierung? Suchmaschinenmarketing? Social Media? CRM? Datenschutz? Antworten auf E-Mails? Ziele? Strategien? Follow-up Prozesse? Einiges davon kann ein Hersteller bereitstellen, vieles davon muss ein Händler lösen.

Automobilverkäuferblog: In einem weiteren Zitat betonen Sie, dass Sie neue Profitmöglichkeiten für Autohäuser finden müssen. Welche Profitmöglichkeiten planen Sie für Ihre Vertriebsmannschaft – genauer: Automobilverkäufer?

Statt immer nach neuen Optionen zu rufen, sollten Autohäuser erst einmal jene Chancen nutzen, die sich ihnen bereits heute bieten. CRM? Aber das hatte ich schon eins weiter oben, dennoch ist das ein wesentlicher Schlüssel zum künftigen Erfolg. Verkauf von Zusatzleistungen, wie Finanzierung, Versicherung, Wartungsplänen, Spardepots, Anschlussgarantien, Zubehör? In wie vielen Autohäusern begrüßen Verkäufer ihre Kunden, wenn sie im Service sind? In wie vielen Autohäusern erhalten Servicekunden ungefragt ein Angebot für den Ankauf ihres Fahrzeuges? Wie viele Verkäufer bearbeiten strukturiert ihren lokalen Markt? Wie viele Verkäufer halten auch nach einem Kauf regelmäßigen Kontakt zu ihren Kunden? Wie viele Verkäufer organisieren ihre Kundenkontakte über ein eigenes CRM, soweit das Autohaus nicht dazu in der Lage ist? Und last, but not least: Wie viele Verkäufer verkaufen Autos, statt Rabatte?

Im Service geht das weiter: Direktannahme? Wie viele Autohäuser nutzen hier tatsächlich ihre Möglichkeiten?

Automobilverkäuferblog: Angeblich sehen Sie im Carsharing keine Chance, Geld zu verdienen – liegt das vielleicht auch daran, dass die großen nationalen Autovermieter sich vertraglich schon alle an andere Automobilhersteller gebunden haben?

Ich habe viele Jahre Autovermietung hinter mir (im Übrigen bei der Autovermietung, die inzwischen dem Volkswagen Konzern gehört und derzeit stark expandiert). Car Sharing ist letztlich auch nichts anderes, als Autovermietung. Um so etwas sinnvoll darzustellen braucht es hohe WKZ, Fahrzeuge, die im kurzen Rhythmus getauscht werden und möglichst hohe (oder gestützte) Restwerte. Von den kümmerlichen Einnahmen zwischendurch, ganz speziell beim Car Sharing, kann niemand leben. Die letzten mir vorliegenden Auslastungsgrade der Flotten einiger in diesem Zusammenhang relevanter CarSharer sind über zwei Jahre alt, haben aber damals selbst mich schockiert. Auch in dem Fall, dass sich das um 100, 200 oder 300% verbessert haben sollte, wäre es keiner seriösen Diskussion wert. Im Moment halte ich dieses Thema für maßlos überbewertet, das gleich folgende übrigens auch.

Automobilverkäuferblog: Das Nutzungskonzept “Audi Select”, bei dem Kunden für eine Monatsrate bis zu drei unterschiedliche Modelle im Jahr fahren können, hatte doch BMW schon vor Jahren innerhalb eines Leasingmodells am Markt platziert (im Sommer Cabrio, im Winter SUV) und nach ein paar Monaten wieder eingestellt. Wo ist der Unterschied zu Ihrem Nutzungskonzept, bzw. warum sind Sie der Meinung, dass Ihr Nutzungskonzept vom Kunden angenommen wird?

Bei BMW war es vielleicht ein interessantes Angebot zur falschen Zeit. Märkte sind nicht immer so schnell wie das Marketing. Möglicherweise passt so etwas heute besser. Insofern ist es doch gut, wenn sie es bei Audi versuchen.
Dennoch: Angebote dieser Art bedienen eine Nische. Kein Händler kann ernsthaft daran Interesse haben, denn wer soll all die Cabrios oder anderen Sommer-Nischenfahrzeuge im Winter verkaufen?

Automobilverkäuferblog: Zitat: “Daten werden für die Autobranche künftig eine wertvolle Währung werden”. Wenn Sie diese wertvolle Währung nutzen wollen, warum werden dann diejenigen, die diese Daten derzeit direkt live vor Ort vom Kunden/Interessenten einholen, für diese Tätigkeit nicht vergütet, sondern partizipieren nur und einzig am Verkauf/Abschluss einer Stückzahl?

Diese Frage müsste Dir doch der Händler beantworten, der auch Deinen Anstellungsvertrag gegengezeichnet hat, oder?! Was der Hersteller dann mit dem Händler vereinbart, ist eine zweite Sache. Allerdings setzt das voraus, dass der Händler versteht, warum das wichtig wäre.

Automobilverkäuferblog: Wann beginnen Sie aus den Automobilverkäufern Mobilitätsberater zu machen und welche Vergütungsform planen Sie für die Mobilitätsberater?

Frank, jeder ist seines Glückes Schmied. Ich kann überhaupt nicht verstehen, warum Händler und Autoverkäufer Dinge von Herstellern einfordern, für die sie in erster Linie selbst verantwortlich sind?! Schon heute kann jeder Autoverkäufer doch Mobilität in verschiedensten Formen verkaufen. Woran mangelt es aus Deiner Sicht?

Automobilverkäuferblog: Warum setzen Ihre Vertragshändler heute kaum die Social-Media-Kanäle zur direkten Kundenansprache ein?

Diese Frage sollten vielmehr die Händler beantworten. Ich bin froh, dass die Hersteller hier nicht auch noch mit zentralistischen Vorgaben kommen.
Aber ganz ehrlich: Die Gründe dafür sind doch weitgehend bekannt: 1. haben die meisten Händler bis heute nicht verstanden, dass Soziale Medien keine Werbekanäle sind, sondern dem Dialog dienen. 2. fehlt den meisten Händlern der kreative Ansatz, ihr Marketing in geeigneter In- und Outbound-Mischung aufzusetzen. 3. wollen oder können viele Händler nicht in Ressourcen investieren, die dafür nötig wären.

Photo Credit: Derek Finke