Google hat es also getan: Sie haben ihr Google Car vorgestellt. Im Grunde nichts Neues, sind doch auch andere Hersteller auf dem Pfad „Autonomes Fahren“ unterwegs. Ich kann dabei keine Glücksgefühle zu empfinden. Die Autos, mit denen ich groß geworden bin, waren laut und stinkend, voll von Mechanik, hatten Fenster, die man kurbeln musste, keine Servolenkung, Viergang-Stockschaltung, keinen Bremskraftverstärker, eine Einkreis-Bremsanlage, Trommelbremsen vorn und hinten. Sicher, schon damals nicht mehr modern, aber real. Man konnte noch alles selbst reparieren, vor allem aber: Man hatte als Fahrer die volle Kontrolle. Und trotz wenig Leistung, mandelndem Drehmonent, Straßensuche per Atlas (für die Jüngeren: das sind Straßenkarten auf Papier) ;-): Das war noch ursprüngliches Fahren und trotz aller Unzuverlässigkeit: Es hat viel Spaß gemacht.

Moderne Autos der Neuzeit verwöhnen uns dagegen mehr und mehr. Hoher Fahrkomfort, Unmengen an Assistenzsystemen und zahllose elektrische und elektronische Helferlein sollen für sicheres und entspanntes Fahren sorgen. Ich hatte und habe das Glück, solche tollen Autos zu fahren. Ich habe mich schnell und gern daran gewöhnt, gerade auf langen Strecken. Nicht zuletzt der Umstand, dass man viele dieser Unterstützer auch mal abschalten kann, macht Autofahren für mich noch immer zu einem Vergnügen (zumindest meistens). Aber Fahren kann ich immer noch selbst, ich habe die Verantwortung und kann damit umgehen.

Doch das, was da in Zukunft auf uns zukommen soll, lässt mich erschaudern. Selbstfahrende Autos mögen mich schnell, sicher und komfortabel von A nach B bringen. Daran habe ich gar keine Zweifel. Aber Autofahren hat für mich eben auch etwas mit Spaß zu tun, Spaß daran, diesen Haufen Blech in allen Situationen zu beherrschen, Kurven zu durchfahren und dabei die Fliehkraft zu spüren, zu beschleunigen und zu bremsen, am Lenkrad zu drehen.

Und das soll dann vorbei sein?

Drohnen auf vier Rädern sollen uns durch die Gegend fahren, gesteuert via Satellit aus einem klimagekühlten Rechenzentrum in der Wüste von Utah oder so. Man sitzt im Wagen und tut nichts, außer nur da zu sein. Schaut man sich Googles Video dazu an, muss das irre viel Freude bereiten. Sorry Leute, aber das ist doch Blödsinn. Fragen Sie heute mal in Ihrem Bekanntenkreis nach, wer sich freiwillig in ein unbemanntes Fahrobjekt setzen würde. Die meisten würden wohl nein sagen. Mir reicht es schon, im Frankfurter Flughafen den Skytrain zu benutzen, einen führerlosen Zug, der die Terminals miteinander verbindet. Ich meine, ich fahr da mit, aber nur, weil mir die Lauferei mit Koffer & Co. zu aufwendig ist. Das Ding fährt auf Schienen und vielleicht 20 km/h. Was soll da schon groß passieren?!

Meilenstein

Dennoch habe ich großen Respekt vor der technischen Leistung der Entwickler. Ich möchte das also nicht falsch verstanden wissen, denn ich stehe neuen Technologien grundsätzlich offen gegenüber. Aber niemand möge sich von Google’s Auto mit Kulleraugen und Dackelblick täuschen lassen: Das gesamte Konzept ist technologisch ein Meilenstein und hat das Zeug, heutige Geschäftsmodelle rund um die individuelle Mobilität auf den Kopf zu stellen. Klar, so etwas passiert nicht in Monaten oder wenigen Jahren. Doch die ersten, zugegeben spärlichen Reaktionen einiger klassischer Autobauer zeigen, dass sie eventuell noch nicht verstanden haben, wie so ein Konzern wie Google tickt.

Im Gegensatz zu ihnen trägt Google nicht den Rucksack der Erfahrungen im Automobilbau auf dem Rücken. Das sehen die Autobauer zwar als ihren Vorteil an. Man kann den Spieß aber auch umdrehen und in den Raum stellen, dass genau das ein ganz wesentlicher Vorteil für Google ist. Denn dort muss niemand Rücksicht auf vorhandene, für viel Geld entwickelte Antriebstechnologien nehmen, niemand muss sich um die Befindlichkeiten eines gewachsenen Händlernetzes scheren. Zwar gilt auch, dass Revolutionen im Automobilsektor nur spärlich gesät sind. Aber dennoch hat das Google Konzept das Zeug dazu, unsere Industrie umzukrempeln.

Man stelle sich vor, was dem Autohändler heutigen Typus so droht: Deutlich weniger Verkäufe, kaum Serviceaufkommen gleich Suche nach neuem Geschäftsmodell. Sicher, das passiert nicht über Nacht, aber es passiert.

Die Zeit ist reif

Ich kann mir vorstellen, dass im Rahmen eines künftigen Gesamtkonzeptes aus ÖPNV, Bahn, Luftfahrt und Automobilität vor allem im städtischen Bereich mit solchen Autos viele Kunden gewonnen werden können. Das hat etwas mit den prinzipiell für solche Sachen offeneren Städtern zu tun, aber eben auch mit Geld. Denn ein eigenes Auto in der Stadt wird mehr und mehr zum Luxusgut. So ein auf Zuruf kommendes, autonomes Fahrzeug kommt da gerade recht. Außerdem liegt das Besitzen von Dingen immer weniger im Trend. So etwas wie das Google Car ist hipp, angesagt und (vermutlich) umweltfreundlich.

Aber was soll’s: Meine Zukunft ist das nicht. Ich fahre lieber selbst, ob nun Verbrenner oder E-Auto, ist dann egal. Hauptsache selbst. Insofern kann mich Meister Kullerauge nicht locken, auch nicht mit Android ;-).

Derek Finke

Photo Credit: gizmodo.de