Burkhard Weller hat auf provokante Weise die Diskussion um die Existenzberechtigung eines gemeinsamen Kfz-Zentralverbandes angestoßen. Nun ist es nicht so, dass dieser Ansatz neu wäre, allerdings wird darüber vorrangig hinter vorgehaltener Hand gesprochen. Folgerichtig sind bislang keine verwertbaren Ergebnisse dabei herauskommen.
Leider hat Weller mit seiner drastischen Wortwahl den Bogen derart überspannt, dass sich kaum mit der Sache, sondern vielmehr mit dem Stil dieser Debatte beschäftigt wird. Auch im eigenen Lager hat Burkhard Weller dieser Sache damit keinen Gefallen getan. Dabei gibt es gute Gründe, ernsthaft zu hinterfragen, ob die gegebene Verbandsstruktur noch den Erfordernissen der heutigen Zeit entspricht.
Die deutsche Verbandslandschaft im Kfz-Gewerbe basiert zum einen auf den öffentlich-rechtlichen Körperschaften in Form von Innungen, die sich in Kfz-Landesverbänden zusammengeschlossen haben. Diese wiederum bilden eine Grundlage für den Bundesverband ZDK. Auf diesem Weg sind dort also sowohl die freien als auch die vertragsgebundenen Werkstätten organisiert. Vertragshändler, die in der Regel auch Vertragswerkstätten sind, sind darüber hinaus in privat organisierten Händlerverbänden zusammengeschlossen. Diese sind i. d. R. wiederum Mitglied im ZDK, bei einigen Marken auch in einem europäischen Händlerverband. Weitere Mitglieder des ZDK sind branchennahe Verbände und Institutionen, z. B. der Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen, kurz BVSK.
Nun ist für die meisten Händler auf den ersten Blick gar nicht verständlich, warum diese Diskussion überhaupt vom Zaum bricht. Schließlich haben sich im Markt irgendwie alle miteinander eingerichtet, dazu sind freie Werkstätten auch oft gute Kunden der Vertragshändler.
Wer sich allerdings auf Bundes- oder Europaebene mit Kfz-Verbandspolitik beschäftigt, stößt recht schnell auf Themen, bei denen das Lager der freien Werkstätten und jenes der Vertragshändler unterschiedliche Interessen vertreten.
GVO
Mindestens dem europäischen Zentralverband CECRA wird hier vorgeworfen, sich nicht energisch genug für die Belange der Vertragshändler eingesetzt zu haben. Schaut man sich die seit kurzem geltende GVO an, ist dieser Argumentation kaum etwas entgegenzusetzen. Doch lohnt hier ein Blick hinter die Kulissen. Die CECRA (nochmals: das ist der europäische Dachverband des Kfz-Gewerbes!) arbeitet mit dem Budget einer mittelgroßen deutschen Kfz-Innung. Ganze drei angestellte Mitarbeiter stehen ganzen Stabsabteilungen der ACEA (europäische Autohersteller), KAMA (koreansiche Autohersteller), JAMA (japanische Autohersteller), weiteren Verbänden sowie den Gremien der Europäischen Union gegenüber. Sie erhalten zwar aus den Mitgliedsverbänden partiell Unterstützung, aber das ist immer nur temporärer Natur.
Schaut man sich darüber hinaus die Altersstruktur der Vorstandsmitglieder an, muss man einsehen, dass größtenteils honorige alte Männer die Zukunft der Branche gestalten wollen. Ich habe dabei überhaupt nichts gegen diese Herren einzuwenden, zumal ich nicht wenige von ihnen persönliche kenne und außerordentlich schätze. Vielmehr stellt sich für die mich die Frage, mit welch stumpfen Waffen wir hier eigentlich kämpfen und wie lange sich das Gewerbe eine solche Art der Interessenvertretung auf höchstem europäischen Niveau eigentlich noch leisten möchte?!
eCall / bCall
Auch bei diesem Thema streiten beide Lager um ihre Positionen. Es geht im Wesentlichen darum, wer im Notfall den Anruf des Autos erhält. Klar, dass beide ganz oben auf der Liste stehen wollen. Die Freien sagen, das soll der Kunde selbst entscheiden. Die Vertragshändler sind sich mit ihren Herstellern (mal) einig und meinen, natürlich solle ein Callcenter des Herstellers angewählt werden. Selbstredend hat hier derjenige Vorteile, der als erster am Schadenort ist. Kommt Ihnen bekannt vor? Klar, bei Unfallschäden ist das auch so 😉 Ich verstehe beide Seiten, aber letztendlich kann nur einer gewinnen.
Designschutz für Ersatzteile
Ein Thema, das in erster Linie vom Verband der Teilehändler getrieben wird. ZDK und CECRA vertreten hier die Auffassung der völligen Liberalisierung. Das würde für Vertragshändler bedeuten, dass sie auch in diesem Segment mit mehr Wettbewerb zu rechnen hätten. Denn bestimmte, heute noch unter Designschutz stehende Ersatzteile, könnten dann von jedem nachgebaut und vertrieben werden. Zur Zeit ist das noch ein Privileg der Vertragshändler und -werkstätten.
Zweifelsohne gibt es weitere Themen, in denen man nicht gleiche Linie fahren kann, da es nun einmal verschiedene Interessenlagen gibt. Ich plädiere dafür, innerhalb des ZDK eine offene Diskussion darüber zu führen, was verbindet und was trennt. Das sollte man ergebnisoffen bewerten, abwägen und dann seine Schlüsse daraus ziehen. Solange diese DIskussion aber unterdrückt wird, rumort und gärt es weiter. Letztendlich kommt dann irgendwann mal der ungeordnete Knall und es gibt nur Verlierer.
Hallo Derek – wie immer sehr aufschlussreich. Ich selbst war 20 Jahre Markenhändler, habe jedoch im Werkstattbereich immer als freie Werkstatt agiert. Der Spagat ist nicht ganz leicht, jedoch machbar und vor allem erfolgreich. Heute bin ich froh, mich nicht mehr dem Diktat des Herstellers unterwerfen zu müssen.
Als Vertragshändler sind freie unternehmerische Entscheidungen fast schon unmöglich und die Forderungen an den Handel sind völlig überzogen und unnötig. Wenn sich Hersteller und Händler nicht auf Augenhöhe begegnen und als ihr gemeinsames Ziel die Interessen und Wünsche des Kunden erkennen (und demzufolge entsprechende Änderungen in ihren Strategien verfolgen), werden auch Verbände nichts ändern können. Wir brauchen eine neue Sicht der Dinge und die kann nur der Hersteller gemeinsam mit dem Handel entwickeln und umsetzen. Raus aus der Komfortzone ist immer schwer und anstrengend. Nur wer macht den Anfang und produziert vorzeigbare Ergebnisse? Hierzulande braucht es immer eines erfolgreichen und nachvollziehbaren Beispiels – aber keiner traut sich den Anfang zu machen (es könnte ja auch schiefgehen).
Wahrscheinlich wird wieder mal alles in endlosen Diskussionen zerredet, weil es jedem recht gemacht werden soll und die nötigen Veränderungen bleiben auf der Strecke.
Im übrigen – Herr Weller seine Strategie und Wortwahl geht für mich gar nicht. Das was er erreichen wollte ist wohl voll nach hinten losgegangen. Irgendwie manifestiert sich für mich hier die völlig verfahrene und ausweglose Hersteller- /Händlerbeziehung mit all seinen Konsequenzen. So reagiert jemand, der in die Ecke gedrängt keinen Ausweg mehr weiss. Bleibt zu hoffen, das es noch Händlerkollegen gibt, die für solche Probleme auch passende Worte finden!
Hi Frank,
vielen Dank für Deinen Kommentar.
Vielleicht muss man den Aufschlag von Burkhard Weller auch unter ganz anderen Aspekten sehen. Im kommenden Jahr steht die Neuwahl des ZDK-Präsidenten an. Es könnte also ein frühzeitiger Einwurf sein, um die Debatte über Personen und Ziele anzustoßen und zu beeinflussen. Diese Diskussion wird verbandsseitig gemieden wie vom Teufel das Weihwasser, aber ich glaube, es wäre eine schlauere Strategie, sie offen zu führen.
Beste Grüße,
Derek
Genau – Offenheit ist immer die bessere Strategie. Ehrlichkeit, Miteinander und Vertrauen als Grundlage einer öffentlichen Diskussion – da gibt es ehrliche Ergebnisse.
Hallo Derek,
ich kann Weller´s Ansinnen schon verstehen, wenngleich die Wortwahl, naja – sagen wir mal „Weller-typisch“ ist…
Hi Frank,
verstehen kann ich das auch. Aber er hat ja in der Vergangenheit mehrfach belegt, dass er trotz aller Provokation auch eine gepflegte Wortwahl beherrscht. Dass er in Bezug auf dieses Thema mit dem Rücken zur Wand stünde und deshalb so radikal formuliert, das sehe ich nicht.
Beste Grüße,
Derek
Hallo Derek,
Weller – keine Angst, sich unbeliebt zu machen – neutral ausgedrückt, beeindruckend…..
Nach meiner Wahrnehmung hat B. Weller keine Diskussion angestoßen, sondern nur sein mutmaßliches Ziel erreicht: Aufmerksamkeit. Dazu meinen Glückwunsch. Inhaltlich gäbe es in der Tat zu diesem Thema einiges auszutauschen – insofern gut, dass Du es nochmal aufgreifst.
Meiner Auffassung nach kann für die grundsätzliche Frage nach dem Sinn eines gemeinsamen Zentralverbands nur eine Antwort gelten: Ja, er macht Sinn. Für mich wären die interessanten Fragen dahinter eher: Macht er so, wie er sich in seiner aktuellen Verfasstheit darstellt, Sinn? Ist er so aufgestellt, dass er mit der bestmöglichen Qualität seine Ressourcen für die Umsetzung der Mitgliederinteressen nutzt? Und reichen seine Ressourcen unabhängig vom optimalen Einsatz im Vergleich zu konkurrierenden Interessenvertretern eigentlich grundsätzlich überhaupt aus? Hätte die Organisation bei eher zweifelnden Antworten auf solche und ähnliche Fragen, Treiber für Veränderungsprozesse? Haben wir hinreichend viele Unternehmer, die sich gegenüber zweifelnden Kollegen eindeutig zur Notwendigkeit einer Branchenvertretung bekennen und larmoyant vorgetragenes Beitragsgenörgel mit der Aufforderung, dann lass´es uns gemeinsam besser machen, positiv kanalisieren? Ist die Forderung nach Toleranz gegenüber abweichenden Positionen nur an die Gegenseite gerichtet, weil es sich so schön anhört oder wird diese Toleranz auch bei eigener Betroffenheit geübt und darauf vertraut, dass Profis im Verbandsgeschäft schon auf ein mittelfristiges Austarieren achten? Etc., etc. .
Es würde wahrscheinlich Spaß machen, diese und ähnliche Fragen mit dem Focus bestmöglichen Mitgliedernutzens zu diskutieren, zu beantworten und daraus folgende Veränderungsprozesse zu gestalten. Und ebenso wahrscheinlich würde der Erfolg größer, wenn auf jeder Ebene der Organisation zunächst die Frage nach dem eigenen Beitrag zum Mitgliedernutzen gestellt würde, bevor auf den ZDK gezielt würde. Aber – ähnlich wie beim Umgang mit den digitalen Herausforderungen für unsere Branche, fällt es momentan manchmal schwer, Menschen überzeugend zu widersprechen, die den Zustand der Organisation als in diesem Punkt tendenziell eher schwergängig beschreiben.
Viele Grüße Niklas
Hallo Niklas,
schön, dass Du Dich dazu meldest.
Die von Dir aufgeworfenen Punkte sollte man tatsächlich intern diskutieren. Zum einen, um alle Kritiker zu bändigen und einzubinden, zum anderen, um eine dauerhafte Lösung zu finden. Ich habe erst gestern im Blog von Ernst Haack dazu kommentiert, auch er hat sich mit dem Thema beschäftigt.
Dass sowohl er mit seiner Historie als auch Du mit Deinen Erfahrungen pro Einheitsverband argumentiert, ist ja keine Überraschung. Bei Dir gefällt mir aber, dass Du eine interne Diskussion über Sinn, Zweck und Art und Weise der Zusammenarbeit anregst. Ich habe grundsätzlich kein Problem mit einem Einheitsverband. Aber die Interessenlagen aller Parteien müssen sich eben auch wiederfinden. Dazu kommt, dass es einer hervorragenden Kommunikation in Richtung Mitglieder bedarf, um auch alle mitzunehmen.
Beste Grüße in den gar nicht so weit entfernten Südwesten,
Derek