Ist das digitale Autohaus auf dem Vormarsch? Am Rande der IAA fand gestern die Verleihung dreier Preise der Fachzeitschrift kfz-betrieb statt – Service Award, Gebrauchtwagen Award sowie Internet Sales Award. Alle Awards haben bereits Tradition und an der steigenden Anzahl der an den Bewerbungen teilnehmenden Betriebe kann man ablesen, welchen Stellenwert sie inzwischen in der Branche haben. Offensichtlich erkennen immer mehr Autohäuser das Potenzial dahinter. Denn es ist ja nicht nur der Preis allein, sondern vor allem der Bewerbungsprozess, der vielen Betrieben die Augen öffnet und zum Nachdenken und Handeln anregt. Mehr und mehr Teilnehmer bewerben sich jedes Jahr erneut, um allein aus diesem Prozedere heraus neue Impulse zu gewinnen und ihren eigenen Standpunkt besser bewerten zu können.
Rückblickend ist Anita Friedel-Beitz zu danken, der früheren Chefredakteurin des Magazins. Zu Zeiten Ihrer Verantwortung wurde die Award-Idee geboren und in der Folge konsequent weiterentwickelt. Heute kümmern sich alljährlich Jurys, zusammengesetzt aus Vertretern der Redaktion und Sponsoren, um die Bewertung der Bewerbungen. Ein zeitraubender und kostenintensiver Prozess, der jedoch zu Erfolgen führt und Händlern dabei hilft, sich selbst zu verbessern.
In seiner Rede zum Internet Sales Award ging Ulrich Fromme, ZDK-Vizepräsident für Fabrikate, auf die angesichts des Internets bestehenden Herausforderungen für die Branche ein. Fromme sagte, der ZDK beschäftige sich seit geraumer Zeit mit der Thematik und habe vor einigen Monaten als ersten Schritt einen Leitfaden für die Fabrikatsverbände erarbeitet. Grundsätzlich gehe es nach Auffassung des ZDK um die drei folgenden zu lösenden Aufgabenbereiche:
Koordination des Suchmaschinen-Marketings
Hier sieht der ZDK sowohl die Hersteller als auch die Händler in der Pflicht. Sucht z. B. aktuell jemand in Suchmaschinen nach Neuwagenangeboten, erscheinen in den bezahlten Suchergebnissen i. d. R. überwiegend Anzeigen der einschlägigen Neuwagenvermittler und Portale (siehe folgendes Bild):
Diese Präsenz auf prominenten Werbeplätzen sorgt laut Fromme dafür, dass viele Interessenten gar nicht erst zu Herstellern und Händlern geleitet, sondern bereits hier von den Portalen abgegriffen werden. Wenn aber Hersteller und Händler abgestimmt an dieser Stelle werben, würden sie hier auftauchen und die Portale auf die unteren und damit nicht so prominenten Plätze verdrängen. Wenn die Portale dann wieder nach oben wollen, müssten sie das für mehr Geld tun, was die Arithmetik ihres Geschäftsmodells verändert und dieses unattraktiv machen würde.
Schaffung eigener Neuwagenportale
Der ZDK hegt die Hoffnung, dass von Herstellern und Händlern gemeinsam betriebene Neuwagenportale den „freien“ Anbietern Paroli auf Augenhöhe bieten können. Voraussetzung dafür wäre zum einen, dass diese Portale in Sachen Bedienung und Benutzerfreundlichkeit mindestens ebenbürtig oder sogar besser abschneiden als bestehende Anbieter. Zum zweiten sieht der ZDK als Vorteil an, dass die anbietenden Händler in diesen Portalen von Anfang an offen auftreten, also dem Interessenten bekannt ist, mit wem er es letztendlich zu tun haben wird. Der dritte Punkt ist die Vorstellung der ZDK-Juristen, dass diejenigen Händler, die sowohl in den freien als auch den herstellergesteuerten Portalen anbieten, eine Art Meistbegünstigungsklausel, hier Preisparitätsklausel genannt, unterzeichnen. Damit ist gemeint, dass in den freien Portalen nicht günstiger angeboten werden darf, als im Herstellerportal. Diese Idee halte ich zwar für menschlich nachvollziehbar, aber für rechtlich bedenklich. Denn schließlich leben wir in einem Wirtschaftssystem mit freier Preisbildung und eine ähnliche Klausel in einer anderen Branche ist gerichtlich bereits für ungültig erklärt worden.
Anpassung der Margen- und Vergütungssysteme
Bei nahezu allen Herstellern sind heute die Vergütungssysteme auf die Maximierung des Absatzvolumens ausgelegt. In Verbindung mit verschiedensten, zusätzlichen Monats-, Quartals- oder sonstigen Aktionen ergeben sich innerhalb eines Vertriebssystems immer wieder Konstellationen, die den einen Händler besser stellen und den anderen benachteiligen. Im Ergebnis sorgt das dafür, dass die Portale von einigen Händlern bedient werden können und diese dabei noch so etwas wie Restmargen haben. Andere können oder wollen sich das nicht leisten.
Dagegen gibt es im Bonussystem einer großen deutschen Marke einen Vergütungsposten, der bei Erreichen einer definierten Kundenbindung gezahlt wird. Darunter verstehen sich Werkstattbesuche nach dem Kauf (nicht Garantie!) sowie ein Wiederkauf nach Zeitraum X. Dieser Bonus sorgt dafür, dass der Händler seinen Markt aktiv bearbeitet, statt ausschließlich durch Riesenrabatte möglichst viele Fahrzeuge abzusetzen.
Fazit
Insgesamt also durchaus interessante Ansätze, wenngleich diese im Detail noch nicht an allen Stellen ausgereift scheinen. So macht Suchmaschinen-Marketing z. B. nur dann Sinn, wenn der auf eine Anzeige klickende Interessent auf eine Webseite weitergeleitet wird, deren Inhalt ihm wirkliche Antworten auf sein Anliegen geben kann. Wer sich mit Webseiten von Autohändlern beschäftigt, wird aber feststellen, dass deren Inhalte in vielen Fällen nicht diesem Anspruch gerecht werden. Insofern ist das digitale Autohaus in den meisten Fällen noch eine Vision. Suchmaschinen-Marketing wird ohne regelmäßige Inhaltsdatenpflege auch nicht erfolgreich funktionieren und stattdessen zum Groschengrab. Insofern ist der Ansatz des ZDK zwar nicht falsch, aber eben nur die halbe Wahrheit. Doch wer erzählt dem Handel diesen zweiten, zeit- und durchaus kostenintensiven Teil der Geschichte?
Darüber hinaus bleibt abzuwarten, inwiefern die bisherigen Portale aus dem attraktiven Umfeld der Suchmaschinen verschwinden werden. Denn diese agieren sehr professionell und geben sehr große Summen dafür aus.
Hallo Derek,
gute Zusammenfassung der Auffassung des ZDK. Die genannten drei Ansätze zeigen in die richtige Richtung. Ich bin nur gespannt, in welchem Zeitraum sich diese Mammut-Aufgaben durch Hersteller und Handel umsetzen lassen, so die Umsetzung überhaupt gewünscht ist. Wenn ich sehe, in welchem Tempo die freien Neuwagenportale zur Zeit voranschreiten, frage ich mich ob die Akteure Hersteller und Handel Schritt halten können. Portale wie mobile.de verfügen über jahrelange Erfahrung im Online-Geschäft und geben, wie du schreibst, nicht gerade geringe Summen für Marketing aus (gestern lief z.B. zur besten Sendezeit ein Fernsehwerbespot einer freien Plattform).
Grüße, Stephan Jackowski
Hallo Stephan,
vielen Dank für Deinen Kommentar.
Warten wir’s ab, es ist und bleibt spannend. Ich kann mir das auch noch nicht so ganz vorstellen.
Beste Grüße,
Derek
Hallo,
sehr interessanter Beitrag. Ich bin durch Zufall auf Ihren Blog gestoßen, da ich mir als Online-Marketing-Manager die Frage stelle, warum Autohäuser nicht längst Mitarbeiter aus dem Online-Marketing-Bereich einstellen, da es hier ein wahnsinnig großes Potenzial zur Kundenaquise gibt, welches überhaupt nicht genutzt wird. Vor allem da 99% der Konkurrenz marketingtechnisch gesehen im Netz überhaupt nicht vertreten ist (SEO, SEM, etc.). Hier werden meistens nur die einschlägigen Autoportale genutzt und allerhöchstens eine eigene Webseite bereitgestellt. Ich bin derzeit dabei mich beruflich ein wenig umzuorientieren und würde die Aufgabe in einem Autohaus wahnsinnig spannend finden, da es sozusagen Neuland ist. Bisher konnte ich jedoch überhaupt kein Autohaus finden, welches Bedarf im Online-Marketing sieht. Sie als Experte müssten doch sicher die Gründe kennen? Oder ist es einfach nur die konservative Denkweise der einzelnen Händler? Denken Sie, es gibt in den nächsten Jahren ein großes Umdenken? Vielen Dank 😉
Hallo Tom,
ich freue mich über Ihren Kommentar, vielen Dank dafür.
Tja, was soll ich sagen oder besser, wo soll ich anfangen? Sie haben recht, was die SEM/SEO/Onlinemarketing-Situation der allermeisten Autohäuser betrifft. Im Umkehrschluss heisst das, dass diejenigen, die sich dort schon tummeln, sehr gut damit und davon leben. Das gilt im Übrigen auch für die Wettbewerber der Autohäuser, z. B. die Neu- und Gebrauchtwagenportale.
Das Ergebnis Ihrer Suche nach einem netzorientierten Autohaus überrascht mich daher überhaupt nicht. Die Gründe dafür sind sicher vielfältig, dennoch glaube ich, dass es Parallelen zwischen den Autohäusern gibt.
Zum einen ist da das Naturell der Händler selbst. Sie wurden über Jahre oder Jahrzehnte von ihren Herstellern daraufhin gedrillt, was sie zu tun und zu lassen haben. So sind das zwar de jure selbstständige Unternehmer, nicht wenige sind in der Realität aber lediglich verlängerte Werkbänke der Hersteller. Soll heißen: Solange der Hersteller nicht sagt, dass sie online aktiv werden müssen und ihnen zeigt, was da zu tun ist, passiert nichts. Und solange die Hersteller ihre Werbekostenzuschüsse nur tröpfchenweise in Richtung online fließen lassen, wird ebenfalls nichts besser. Es ist eine komplizierte Gemengelage, die für jemanden, der aus einem „normalen“ Unternehmen kommt, nicht wirklich nachvollziehbar ist.
Die von Ihnen angerissene „konservative Denkweise“ ist auch nicht von der Hand zu weisen. Das Geschäftsmodell Autohaus funktioniert seit Bestehen des Autos mehr oder weniger auf die gleiche Art und Weise. Das schafft Vertrauen und die Sicherheit, es eben richtig gemacht zu haben. Dass das Internet die Macht hat (und schon mittendrin ist), dieses Modell zu zerstören, wird von vielen negiert. Sprüche, wie „Das Internet geht auch wieder vorüber“ sind deutlich mehr als eine Seltenheit in der Branche. Und die Generation, die zum Netz ein anderes Verhältnis haben, sitzt in der Branche nur vereinzelt an den Schalthebeln.
Ja, ich glaube, in der nächsten Zeit wird es ein Umdenken geben (müssen). Allerdings wird das nicht in Revolutionen ausarten. Der Markt, sprich die Kunden, sind zwar längst an den Autohäusern vorbeigezogen und tummeln sich im Netz. Wer also künftig auf dem Einkaufszettel der Kunden berücksichtigt werden möchte, kommt an geeigneter Präsenz im Netz nicht länger vorbei.
Suchen Sie weiter, ich bin sicher Sie werden fündig. Fassen Sie dafür einen eher größeren Händler mit starken Marken ins Auge. Und sollte es alles nichts nützen: Gehen Sie mit Ihren Kenntnissen im Zweifel erst einmal zu einer Agentur, die stark im Automotive-Bereich ist. Da lernen Sie weiter dazu 8und wollen vielleicht gar nicht mehr weg) 😉
Beste Grüße,
Derek