medium_3985490626„Spätestens wenn diese Kunden einen Servicetermin brauchen, werden sie sich fragen, auf was sie sich da eingelassen haben.“ – so zitiert die Automobilwoche den Verkaufsleiter eines Münchener Ford-Händlers. Dieser reagierte damit u. a. auf die negativen Erfahrungen seines Betriebes mit sogenannten Schnäppchenkunden. Der Kollege zeigt damit eine für mich etwas eigenartig daherkommende Einstellung, auf die man in der Diskussion über Neuwagenvermittler auch immer wieder trifft. Frei nach dem Motto: Im Service werden wir’s denen dann zeigen.

Diese Art von Denkweise offenbart, dass einige Marktteilnehmer auf Autohaus-Seite noch nicht so ganz verstanden haben, wie Marktwirtschaft (nicht nur in heutigen Zeiten) funktioniert. Ganz im Gegenteil scheinen Menschen dieser Denkart davon auszugehen, dass wir noch immer in einem Verkäufermarkt leben, in dem der Händler nach Gutsherrenart darüber entscheiden kann, wie er mit seinen Kunden umgeht. Oder habe ich einen regionalen Markt in Deutschland übersehen, in dem dieses Prinzip doch noch existent ist?

Doch weitere Punkte stören mich: Zahlen Kunden im Service nicht etwa Geld dafür, dass Sie Leistungen erhalten? Und zahlen Kunden in Fabrikatsbetrieben nicht sogar einen gehörigen Aufschlag dafür? Gibt es keine gesetzliche Pflicht zur Sachmangelhaftung? Wird nicht gerade im Service das Geld des Autohauses verdient?

Natürlich kann ich verstehen, wenn sich Händler Sorgen über die gegebene Situation machen und Angst vor der Zukunft haben. Der Markt hat sich verändert und das liegt nur zum Teil am Einfluss der neuen Medien. Vielmehr wird dem Automobil an sich heute nicht mehr jene Bedeutung beigemessen, wie noch vor einigen Jahren. Es ist eben weitgehend normal, sich mit einem Auto von A nach B zu bewegen. Selbst Luxusfahrzeuge haben in vielen Bereichen ihren besonderen Nimbus verloren. Schauen Sie sich an, mit welcher Perfektion und Ausstattungsvielfalt aktuelle Kompaktfahrzeuge gebaut werden?! Auch gilt es gerade in Europa nicht mehr als sonderlich schick, seinen Wohlstand nach außen zu kehren. Dazu kommen die schon genannten neuen Medien, die unheimliche Dynamik des Marktes und die seit jeher eher langsame Anpassungsgeschwindigkeit von Herstellern und Händlern.

Gerade Letztgenanntes ist nicht unbedingt als Vorwurf zu verstehen, die Branche tickt eben so, wie sie es tut. Und über Jahrzehnte waren größere Revolutionen im Vertrieb auch nicht nötig, es ging halt auch so. Statt dessen wurden Details evolutioniert. Neben Autos wurden auch Finanzierungen und Versicherungen angeboten, Zubehör und Wartungsverträge kamen dazu. Bis zum Vormarsch des Internets war das auch OK so. Aber seitdem ändern sich die Dinge gewaltig. Und darauf hat noch niemand eine wirkliche Antwort gefunden. Bau, Steine, Erden – noch immer fließt der Großteil der Investitionen eines Händlers in diese Bereiche. Als ob das noch planbar wäre und Kunden wirklich interessiert?! Die Branche versucht mit aller Macht, ihr altes Image zu bewahren und durch solche Art von Investments buchstäblich zu zementieren.

Es nützt wenig, auf die Kunden zu schimpfen, die nichts weiter tun, als auch die meisten, wenn nicht alle Marktteilnehmer auf Seiten der Autohäuser: Geld sparen! Die Kunden können nichts dafür, wenn die Anbieterseite sich noch nicht auf die Veränderungen eingestellt hat. Machen wir sie dafür also nicht verantwortlich!

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