„Würdest Du heute noch einmal ein Autohaus eröffnen?“ – das war vor einiger Zeit die Frage der Woche bei Autohaus Online. Und es kam, wie es wohl kommen musste.
Mehr als 1.800 Teilnehmer haben abgestimmt und dabei ein Ergebnis hinterlassen, das mit Pessimismus nur begrenzt ausdrückt, wie es um die Zukunftserwartungen im Gewerbe aussieht. Denn die Herausforderungen, Voraussetzungen und Hürden, um ein Autohaus zu gründen, sind vielfältig und hoch.
Sind Umfragen á la „Autohaus eröffnen“ repräsentativ?
Nun mag man unterstellen, dass diese Umfrage nicht ausreichend repräsentativ sei, um die Breite der Autohändler abzubilden. Und unter Umständen hätte auch mehrfach abgestimmt werden können. Das ist richtig, daher orientiere ich mich auch nicht an den absoluten Zahlen.
Vielmehr geht es um den Trend, der zu beachten ist. Wenn mehr als drei Viertel der Befragten die Zukunftsperspektiven und Rahmenbedingungen im Kfz-Gewerbe als schlecht beurteilen, lässt sich das nicht einfach ignorieren. Über die Gründe dafür kann man natürlich trefflich spekulieren.
Marktwirtschaftliche Prinzipien werden zunehmend ausgehebelt
Sicher blickt jeder Teilnehmer ganz individuell auf das Thema. Offensichtlich ist jedoch, dass die Schere zwischen unternehmerischem Risiko und möglichen Ertragschancen im vertragsgebundenen Autohaus (=Vertragshändler) inzwischen sehr weit geöffnet ist.
Eines der wirtschaftlichen Grundprinzipien in der Marktwirtschaft ist doch, dass derjenige, der hohe Risiken eingeht, im Erfolgsfall auch auch hohe Renditen erwirtschaften kann. Dieser Grundsatz ist im vertragsgebundenen Automobilhandel jedoch weitgehend außer Kraft gesetzt.
Diejenigen Betriebe, die (Umsatz)Renditen von 4% und mehr erwirtschaften, mögen absolut gesehen, also im Vergleich mit vielen ihrer Händlerkollegen, zwar gut da stehen. Aber relativ, angesichts des betriebenen Aufwands und des eingegangenen Risikos, kann man nicht unbedingt von Spitzenverdienern reden.
Wer:
- sich als Unternehmer betätigt, um neben dem Geld verdienen auch mehr Freiheiten zu erlangen,
- wer als Mensch eher der Freigeist ist,
- wer gern Neues ausprobiert,
- wer sein unternehmerisches Handeln nur am Markt und am Kunden ausrichtet,
der/die sollte besser nicht Vertragshändler einer Marke werden.
Wer:
- willens und bereit ist, sich per Händlervertrag umfangreichen und sehr stark in die unternehmerische Freiheit eingreifenden Vorgaben und Regeln zu unterwerfen,
- damit leben kann, alle paar Jahre hohe Investitionen für oft fragwürdige Zwecke tätigen zu müssen,
- daran Freude hat, seinen Geschäftsprozess weitgehend von einem Dritten diktieren zu lassen,
- bereit ist, hinzunehmen, dass seine betriebswirtschaftliche Kalkulation zu einem Großteil von Variablen abhängig ist, die der „Partner“ (=Autohersteller oder -importeur) nicht selten einseitig verändern kann,
- auf bürokratische Vielfalt und komplizierte Prozesse im Tagesgeschäft steht,
- akzeptiert, dass er in der Geschäftsbeziehung mit seinem „Partner“ am gaaaanz klar kleineren Hebel sitzt,
- beim Lesen überhaupt bis hierhin durchgehalten hat, ohne den Kopf zu schütteln;
der/die ist reif für einen Händlervertrag.
Autohaus gründen – Banken wollen das Risiko nur ungern eingehen
Wer heute ein Autohaus eröffnen will, braucht zuerst einmal Startkapital und dazu viel Umlaufkapital. Das Autobusiness ist verhältnismäßig kapitalintensiv, denn es gilt, viel Bestand an Fahrzeugen und Ersatzteilen zu finanzieren, viele Mitarbeiter zu beschäftigen und hohe Investitionen in Bau, Steine, Erden sowie moderne Werkstattausrüstung zu tätigen. Dazu kommt, dass die digitale Transformation auch vor der Autobranche nicht halt macht und hier respektable Investitionen erfordert.
Ist es vor diesem Hintergrund ernsthaft verwunderlich, dass im Falle der Finanzierung von Autohäusern die Finanzwirtschaft eher zurückhaltend agiert? Zumal die Banken mit Basel III selbst erhöhte Auflagen zu erfüllen haben.
Nicht wenigen Autohäusern bleibt daher nur der Weg, sich über die Banken der Hersteller zu refinanzieren. Das steigert den Faktor der Abhängigkeit vom selbigen noch einmal um ein Vielfaches und engt den eigenen Handlungsspielraum unter Umständen sehr ein.
Gute Mitarbeiter sind schwer zu finden
Vermutlich könnte man diese Überschrift heute jeder Branche zuordnen. Speziell im Vertragshandel ist es aber so, dass jeder Hersteller auf sich zugeschnittene Verkäufer- oder Technikerqualifizierung verlangt.
Es gibt zwar auch markenübergreifende, also branchenweit gültige Standards. Aber das ist eigentlich nur die Grundlage. Letztendlich bedeutet das, dass der Mitarbeiter eines Vertragsbetriebes der Marke A oft nur innerhalb der Händlerschaft dieser Marke wechselt.
Markenübergreifende Wechsel sind dann selten, weil der Mitarbeiter für diese Marke erst wieder diverse Qualifikationen erwerben muss. Das kostet den Händler viel Zeit und Geld. Es sorgt aber auch dafür, dass kaum noch Quer- und Seiteneinsteiger kommen bzw. gewollt sind.
Und das resultiert in einer Art von Monokultur, die den Blick über den Tellerrand doch arg verstellt. Ist es erstaunlich, wenn hoffnungsvolle Bewerber für Ausbildungsplätze oder offene Stellen dann lieber in anderen Branchen ihr Heil suchen?
Doch nicht nur die Hersteller tragen einen Anteil an dieser Entwicklung, es sind auch die Autohaus-Unternehmer selbst. In nicht wenigen, vor allem inhabergeführten Unternehmen, wird noch immer patriarchalisch statt teamorientiert geführt. Andererseits ist die zunehmende Größe von Autohaus-Gruppen auch nicht jedermanns Sache. Denn hier lauern Bürokratie, und lange Entscheidungswege.
Die Führungsqualitäten von leitenden Mitarbeitern sind nicht selten entweder kaum vorhanden oder werden nicht abgerufen. Statt dessen wird verwaltet, was das Zeug hält. Zweifelsohne trifft das nicht auf alle Betriebe zu, aber eben doch auf zu viele.
Es braucht mehr Differenzierung
Wer sich die Fachliteratur zum Thema Autohaus und Management zu Gemüte führt, findet seit Jahren die gleichen Forderungen und Ideen. Nicht, dass die schlecht wären, aber es wird nach wie vor zu wenig davon umgesetzt.
- Wie viele Betriebe gestalten professionelles Unfallschadenmanagement?
- Wie viele Betriebe sind im Gebrauchtwagen-Geschäft (Einkauf, Durchlauf, Verkauf, Prozesse) wirklich professionell aufgestellt?
- Welche Autohändler verkaufen aktiv und professionell Zubehör?
- Wie hoch waren noch die durchschnittlichen Penetrationsquoten bei Finanzierung und Versicherungen?
- Wie viele Betriebe sehen sich inzwischen als Mobilitätsdienstleister für die Kunden, statt als klassisches Autohaus?
- Wie viele Betriebe nutzen die sich bietenden Möglichkeiten der neuen Medien in Sachen Marketing und Vertrieb?
- Wie viele Betriebe schaffen es, sich mit Zielen und Strategien vom Wettbewerb zu differenzieren?
Bei Kritik dieser Art kommt ja gern mal die Gegenfrage, ob so einer wie ich überhaupt schon einmal im Autohaus war und selbst ein Auto verkauft hat. Ja, hat er! Doch ändert das nichts an den o. b. Tatsachen.
Letzten Endes sind die erwähnten Punkte nichts weiter als Geld, das auf der Straße liegt. Manches kann man leichter aufheben, anderes erfordert mehr Raffinesse. Leider tun das noch zu wenige Autohäuser, da sie zu sehr im Tagesgeschäft verhaftet sind und/oder den Blick über den Tellerrand nicht wagen. Sprich: Zu wenig Autohaus-Unternehmer arbeiten in, statt an ihrem Unternehmen! Insofern könnte das Eröffnen eines Autohauses auch heute noch seinen Sinn haben.
Würde ich heute noch einmal ein Autohaus eröffnen?
Ich halte die Autobranche durchaus für reizvoll und ökonomisch interessant. Allerdings nur dann, wenn man mehr macht, als der Hersteller von einem als Minimum verlangt und wenn man einige Dinge positiv anders macht.
Dazu gehört, sich auch abseits der eigenen Marke mit dem Markt zu beschäftigen, Trends aufzuspüren und Chancen zu erkennen. Somit zähle ich mich in der Umfrage von Autohaus Online eher zu den knapp 20%, die optimistisch nach vorn schauen.
Allerdings würde ich mein Autohaus nur zu meinen Bedingungen eröffnen – womit ein Händlervertrag für mich keine Option wäre. Vielleicht interessiert Sie dazu auch meine dreiteilige Artikelserie „Autohaus, Internet und Markt„.
Photo credit: äquinoktium via Flickr (CC BY 2.0)
Sehr geehrter Herr Finke,
bin seit 12 Jahren als Finanzdienstleister tätig und seit 36 Jahren besitze ich Leidenschaft für Autos, gerne möchte ich einen eigenen Autohaus eröffnen… Was können Sie mir empfehlen ?
Mit freundlichen Grüßen
Hallo Midilli,
vielen Dank für Ihr Vertrauen in mich.
Bezogen auf Ihre Person kann ich mit so wenig Informationen über Sie selbst bzw. Ihren Background nicht wirklich etwas sagen. Dazu sende ich Ihnen eine persönliche Nachricht.
Was das Eröffnen eines Autohauses betrifft, bin ich nach wie vor der Ansicht, dass noch genügend Geld auf der Straße liegt. Ich denke, der Inhalt des obigen Blogposts ist noch immer aktuell.
Beste Grüße,
Derek Finke