medium_8481027638Skaleneffekte, Einkaufsmacht, Synergien, Wettbewerbsreduktion – das sind allseits gebräuchliche Schlagworte, wenn es um die Erklärung der Sinnhaftigkeit großer Handelsgruppen geht. Auch für mich steht außer Frage, dass es diesen Sinn dahinter geben kann, wenn solche Gruppen die sich aus den Schlagworten ergebenden Vorteile zu nutzen wissen.

Die heute in Deutschland existierenden Handelsgruppen sind i. d. R. nicht organisch gewachsen, sondern meist über einen längeren Zeithorizont durch Zukäufe entstanden. Die Höhe der Investitionen ist dabei schon gewaltig, denn nicht grundsätzlich waren das Übernahmen insolventer Betriebe. Wenn man sich im Bundesanzeiger mal die Kurzfassungen der Bilanzen einiger Unternehmensgruppen ansieht, kann einem angesichts der Höhe der Verschuldung (vor allem im Vergleich zur Höhe des Ertrages und mit dem Wissen um die möglichen Ertragsperspektiven) schon mulmig werden.

Erstaunlich finde ich, dass bisher nur eine deutsche Gruppe konsequent den Weg auch ins Ausland gegangen ist (AVAG). Ausländische Gruppen, ganz egal woher, machen das oft anders. Die deutschen Anbieter hingegen sind ganz auf sich und ihren Heimatmarkt fixiert. Der Umstand des extrem harten Wettbewerbs mag dabei gleichzeitig wie Gas- und Bremspedal wirken – einerseits möchte man ja raus, aber andererseits kann man sich das nicht leisten. Doch das wäre nach meiner Einschätzung nur eine Ausrede. Denn wer einen Betrieb nach dem anderen in einem chronisch ertragsschwachen Markt kauft, hätte zumindest die finanziellen Ressourcen, auch in andere Märkte zu expandieren. Dass auch andere Ressourcen vonnöten sind, steht aber außer Frage. Dennoch: Gemacht hat es nur einer.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen des Automobilmarktes kommen aber auch immer mehr Gruppen an einen Punkt, der sie die eigene Größenstrategie (soweit es diese gibt) kritisch hinterfragen lässt.
Stagnierende Absatzzahlen, Druck auf Restwerte, steigende Kosten, die nicht oder nur eingeschränkt auf den Kunden abgewälzt werden können, sich ändernde Mobilitätsgewohnheiten und Einstellungen zum Automobil an sich, neue Antriebsformen und damit einhergehende neue Vertriebsmodelle und Investitionen, weniger Möglichkeiten der Quersubventionierung durch schwächere Renditen auch bei Service und Teilegeschäft, steigende Anforderungen durch Hersteller, neue vertragliche Freiheiten der Hersteller, die nicht nur zugunsten des Handels ausgelegt werden, nicht nachlassender Volumendruck, inkonsistente Vertriebssysteme, steigende Komplexität bei Systemen, Prozessen und Administration, fallende Attraktivität aus Sicht hoch qualifizierter Mitarbeiter. Dazu könnten mittelfristig neue Marken aus China und Indien in den Markt stoßen und das Gefüge weiter durcheinander wirbeln.

Zwei Punkte habe ich da oben aber noch nicht aufgezählt. Zum einen leben wir in einer Phase billigen Geldes, die Zinsen sind historisch niedrig und Geld ist im Markt im Überfluss vorhanden. Wenn diese Phase vorüber geht und auch die Autohändler für die Finanzierung von Investitionen sowie für die betriebliche Refinanzierung wieder mehr Zinsaufwand leisten müssen, gleichzeitig aber der Automarkt in all seinen Facetten nicht mehr Rendite als heute abwirft, werden diverse Kartenhäuser zusammenbrechen.

Der zweite Punkt wirkt aber noch viel langfristiger: Und das ist der weiter zunehmende Einfluss des Internets auf den Markt. Während dem Handel heute vor allem die Preistransparenz das Leben schwer macht, wird im Zuge der weiteren Entwicklung auch die Leistungstransparenz zunehmen. Diese beiden Seiten der Transparenzmedaille werden künftig einen großen Einfluss auf Erfolg und Misserfolg eines Unternehmens haben, ganz besonders im Bereich der KMU. (Ehemalige) Mitarbeiter bewerten einen als Arbeitgeber, Kunden bewerten die Autohaus-Leistungen und Produkte. Manche Kunden wollen sich online nur informieren, dann aber offline kaufen. Andere wollen alles online machen. Die Technologien entwickeln sich dabei immer dynamischer. Wer vor zwei Jahren technologisch eine neue Webseite aufgesetzt hat, muss heute schon über ein Redesign nachdenken. Von der anspruchsvollen Pflege der Inhalte haben wir da noch gar nicht gesprochen.

Die Zeiten, in denen man im Netz nur beobachten und erst später über ein Engagement entscheiden sollte, sind vorbei. Engagement ist heute schon Pflicht und lokales Marketing, vor allem im Bereich Online, ist kein Luxus mehr. Wer überleben will, muss sich differenzieren. Und dazu gehört heute eben auch die gesamte Online-Präsenz der Betriebe. Wenn ich dazu die Ergebnisse mancher Umfragen lese, wie z. B. bei GW-trends, dann ist entweder die Situation extrem besorgniserregend oder die Antworten sind falsch.

Grundsätzlich werden Autohändler sich bei ihren Investitionsentscheidungen an neuen Kriterien orientieren (müssen). Statt Millionen in Bau, Steine, Erden oder bei Gruppen in die Übernahme weiterer stationärer Handelsflächen althergebrachter Coleur zu investieren, sind die Prioritäten neu zu sortieren: Wo und wie erreiche ich meine Kunden, sowohl effektiv als auch effizient? Ich bin davon überzeugt, dass die Antwort darauf sein wird, in Prozessoptimierung, Mitarbeiter, Kundenbeziehungen und eigenes Marketing zu investieren, statt in immer neue Millionengräber.

Derek Finke

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