Fast wäre diese Meldung untergegangen im Mediengewühl, schließlich wurde in den letzten Jahren schon so vieles über Opel und GM berichtet, kommentiert und diskutiert. Und nun noch eine Meldung?!
Doch eines muss man GM/Opel lassen: Das Timing haben sie nicht im Griff. So kurz vor Weihnachten zu kommunizieren, dass man bis zu 3.000 Leute auf die Straße setzt, ist schon grenzwertig. Selbst deutsche Finanzämter, nicht gerade als Hort kommunikativer Kompetenz bekannt, sehen zu, in dieser Zeit keine Katastrophenmeldungen zu verschicken oder gar den Kuckuck zu vergeben. Nicht nur, dass die Meldung für die Betroffenen zur Unzeit kommt, auch die Außenwirkung ist ein Desaster. Seit Jahren wird über den Standort Bochum diskutiert, immer wurde abgewiegelt. Und ausgerechnet jetzt, hier und heute muss es mit der Brechstange durchgesetzt und mit dem Megaphone verbreitet werden. Amerikaner haben Marketing und Sales normalerweise mit der Muttermilch aufgesogen. Umso mehr verwundert mich die oft stümperhafte Vorgehensweise bei Opel. Das muss man nicht verstehen, oder?
So leid es mir für die Bochumer tut, so richtig ist die grundsätzliche Entscheidung, die Fertigungskapazitäten der deutlich gesunkenen Nachfrage anzupassen. Doch die Frage muss erlaubt sein: Ist es richtig, das Werk Bochum zu schließen? Wäre es nicht sinnvoller, einen anderen Standort auszuwählen? Ich sitze weder im Opel Aufsichtsrat, noch stehen mir anderweitig geeignete Unterlagen und Informationen zur Verfügung, um das Ganze aus wirtschaftlicher Sicht angemessen zu bewerten. Also ziehe ich mich auf die Position eines Marktbeobachters zurück.
Opel ist eine deutsche Traditionsmarke, die trotz des jahrelangen Gezerres noch immer über einen guten Ruf und eine weitgehend moderne Modellpalette verfügt. Bei der Fahrzeugtechnik besteht ohne Zweifel an der einen oder anderen Stelle noch Nachholbedarf, was aber kein wirkliches Drama darstellt und machbar wäre. Auf der anderen Seite hat man mit dem Modell Ampera ein E-Fahrzeug auf der Straße, das technologisch auf Augenhöhe unterwegs ist. Und der neue Opel Adam hat durchaus das Zeug, im Bereich der Kleinwagen zum Liebling zu avancieren. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass Opel für den gesamten GM-Konzern umfangreiche und wertvolle Entwicklungsarbeit leistet. Opel produziert Fahrzeuge in Deutschland, England, Polen und Spanien. Vor einiger Zeit hat sich der GM-Konzern an der französischen PSA-Gruppe beteiligt, um strategisch eine Entwicklungs- und Produktionspartnerschaft aufzubauen.
Hier, in Deutschland, ist Opel eine heimische Marke. Inzwischen wird Opel von vielen Menschen nur noch mit den schlechten Nachrichten der vergangenen Jahre in Verbindung gebracht, nicht aber als Hersteller bodenständiger und durchaus guter Fahrzeuge. Das Image ist nachhaltig ramponiert und es bedarf aufwendiger Anstrengungen, es wieder auf ein Niveau zu hieven, das die Marke und ihre Produkte mittel- und langfristig begehrenswert macht.
Schaut man ins Ausland, ist Opel eine deutsche Marke und die genießen in den meisten Ländern dieser Welt einen guten bis sehr guten Ruf. Wenn nun aber immer weniger Fahrzeuge von Opel in Deutschland gebaut werden, wenn statt dessen immer mehr Fahrzeuge aus einem zu erwartenden deutsch-amerikanisch-französischem Einheitsbrei kommen, wird das dem Ruf von Opel weiter schaden. Insofern sehe ich die Entscheidung, ausgerechnet das Werk in Bochum dicht zu machen, sehr kritisch.
Möglicherweise habe ich es verpasst oder mir fehlt nur der Zugang zu dieser Information?! Aber eine mittel- und langfristige Strategie für Opel habe ich noch nicht vernommen. Wohin will GM mit der Marke? Welche Zielgruppen sollen in Zukunft bedient werden? Welche Märkte sollen bedient und entwickelt werden? Wie stellt man sicher, dass sich die o. g. Einheitsbrei-Autos gegeneinander abgrenzen? Wie werden die konzerneigenen Marken positioniert, vor allem Chevrolet? Wie will Opel nachhaltig sein Image verbessern? Wo liegen die Absatz- und Ertragsziele? Wie wird das Handels- und Servicenetz in diese Strategie eingebunden und wie wird es fit gemacht? Wie sieht die Marketingstrategie der kommenden Jahre aus?
Ich möchte den Volkswagen Konzern nicht in den Himmel loben, aber wenn man sich ansieht, wie dort in Bezug auf solche Fragen gearbeitet wird, ist das sicher Benchmark. Dort werden offen Ziele gesetzt, kommuniziert und verfolgt. Die dazu passende Strategie wurde mit den Marken erarbeitet und abgestimmt. Und dann ziehen alle an diesem einen Strang. Das geht nicht immer reibungslos, aber das ist in so großen Unternehmen auch nicht zu erwarten. Dennoch eint alle das große Ziel. Und siehe da, sie kommen dem Ziel näher und näher.