Hier startet meine dreiteilige Artikelserie zum Thema Autohaus, Internet und Markt.

Neuesten Studien zufolge legen Autokäufer in Europa nach wie vor Wert auf die klassischen Tugenden eines Autohauses: Beratung, Probefahrten, Finanzdienstleistungen, Garantien und Serviceangebote. Klingt doch gut, oder, die meisten verfolgen ja diese Art von Autohaus Strategie? Na ja, es ist zu schön, um gänzlich wahr zu sein. Mindestens einen Haken hat es doch: Umfragen sind das eine, die Realität und die zunehmende Anzahl der Smartshopper das andere.

Diese Spezies von Kunde erwartet die Quadratur des Kreises: Niedrige Preise und hohe Qualität. Oder übersetzt in die Sprache unserer Branche: Beratung, Probefahrten, Finanzdienstleistungen, Garantien und Serviceangebote garniert mit dem besten Preis (aus dem Internet?!). Wer darauf mal einen Automobilverkäufer anspricht, sollte besser einen Helm tragen (vor allem die Kommentare dieses Artikels sind zur Lektüre empfohlen). Den Ärger kann ich rein emotional gut verstehen. Sie fühlen sich gefangen im Käfig ihres mit sehr viel Geld gebauten Autohauses, mit kostenintensiven und zwangsweise vorzuhaltenden Vorführwagenflotten, werden für ebenfalls viel Geld geschult, müssen unzählige Standards einhalten und im Rahmen von zumeist sehr komplexen Vergütungsmodellen ihren Weg in einem immer komplizierteren Markt finden. Und dann werden sie überrollt von Kunden, die alles haben und möglichst nichts oder nur sehr wenig dafür bezahlen wollen.

Das Internet definiert die Spielregeln neu

Doch Mitgefühl hin oder her, wir reden hier von Wirtschaft, von Marktwirtschaft. Seit Beginn des Internetzeitalters haben sich die Spielregeln auch im Automobilhandel verändert. Anfangs betraf es mehr das Gebrauchtwagengeschäft, jetzt kommen nach und nach weitere Geschäftsfelder hinzu. Dabei verändert sich die Internet-Realität fortlaufend mit hoher Geschwindigkeit. War das Netz am Beginn seiner Popularität mehr oder weniger eine Selbstdarstellungsform der Anbieter, quasi von oben nach unten (top-down), hat es sich in der nächsten Generation zu einem Medium entwickelt, in dem Sender und Empfänger manchmal gar nicht mehr so einfach voneinander zu unterscheiden sind. Dominierten früher reine Webseiten mit Ankündigungscharakter, haben sich zwischenzeitlich kooperative Plattformen (Soziale Medien) dazu gesellt, in denen Kommunikation das Maß der Dinge ist. Das Netz wurde praktisch vom Kopf auf die Füsse gestellt, also von unten nach oben (bottom-up).

Das mobile Internet boomt

Inzwischen sind wir im mobilen Web angekommen. Kunden scannen mit ihrem Smartphone die Strichcodes von Produkten direkt im Geschäft und holen sich online alle Informationen dazu, wie Preisvergleiche, Produktbewertungen, Lieferfähigkeiten usw. Und wer noch glaubt, das ginge bei Autos nicht, der irrt. Auch hier kann man das machen, die QR-Codes im Gebrauchtwagenbereich geben darauf einen ersten Vorgeschmack. Doch denken Sie nicht nur an Autos, sondern auch an das Geschäft mit Teilen, Reifen, Öl, Mietwagen und weiteren Dienstleistungen. Auch hier wird künftig deutlich mehr Transparenz vorherrschen und der Wettbewerb zunehmen. Dieser Entwicklung sollte man weniger mit Emotion, denn mit gesundem Realismus ins Auge schauen und sich nichts vormachen!

Bau, Steine, Erden noch immer das Maß der Dinge

Doch noch einmal zurück zum Offline-Geschäft: Heutige Autohäuser werden von großen Showrooms beherrscht. Wer sich ansieht, welche Entwicklungspläne viele Hersteller so haben, wird erkennen, dass diese Showrooms wohl noch größer werden sollen. Denn jede Nische will besetzt sein. Ist das aus Sicht eines Händlers aber wirklich noch sinnvoll? Soll ausgerechnet für den Geschäftsbereich, der die geringsten Renditen abwirft, noch mehr Geld ausgegeben werden?

Nehmen Sie beispielsweise die Premiummarken. Deren größter Kundenstamm ist gewerblicher Natur, wobei Großkunden eine wichtige Rolle einnehmen. Welcher Flottenmanager eines Großkunden kommt heute noch ins Autohaus, um Autos zu kaufen? Ist es nicht eher so, dass die Großkundenverkäufer zu diesen Kunden gehen? Dort wird dann mit Unterstützung von Web-Technologie beraten und der Deal gemacht. Und immer mehr kann der Flottenmanager des Kunden inzwischen auch allein machen. Wenn die Entwicklung in den Kundensegmenten so weitergeht, wie in der Vergangenheit, wenn also immer mehr solcher gewerblicher Kunden Autos kaufen, wofür braucht man dann noch ein Autohaus mit riesigem Showroom heutiger Machart? Macht es nicht vielmehr Sinn, dass Ganze eine Nummer kleiner aufzuziehen und die dadurch frei werdenden Mittel dort zu investieren, wo sie künftig mehr Ertrag versprechen?

Denken Sie schon einmal drüber nach, übermorgen geht es weiter mit Teil 2 dieser kleinen Beitragsserie.

Derek Finke

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