Es ist schon beeindruckend, welches Echo der öffentliche Brief eines Autohändlers an einen Professor in der Fachöffentlichkeit ausgelöst hat. Die Kommentarleiste auf Autohaus Online wird immer länger und der allgemeine Tenor ist Zustimmung zu den Wellerschen Thesen. Da ist viel Emotion im Spiel, aus vielen Kommentaren kann man herauslesen, wie verhasst Ferdinand Dudenhöffer inzwischen in der Handelslandschaft ist.
Dennoch steht für mich die Frage im Raum, ob der Professor aus Duisburg in dieser Angelegenheit eigentlich der richtige Adressat ist?! Sicher, seine Prognosen sind meist nervig und nur wenig hilfreich. Aber er versteht offenbar ebenfalls das Handwerk der Selbstvermarktung. Deutsche Medien aller Couleur, angefangen bei der grobschlächtigen BILD, über die ebenfalls Springersche WELT, bis hin zu seriösen Blättern wie FAZ oder Handelsblatt, übernehmen seine Aussagen und Darstellungen nur allzu gern und willig. Eine Symbiose, würde ich sagen: Er kann seinem Trieb zur Selbstdarstellung als der „Autoexperte“ oder „Autopabst“ frönen und damit Geld verdienen, die Medien können in großen Lettern „wertvolle“ Informationen für die offensichtlich so schutzsuchenden Verbraucher liefern und ihre Verkaufszahlen steigern.
Aber ist Dudenhöffer wirklich das Problem oder nur dessen Prophet?
Was macht Dudenhöffer denn wirklich? Er sammelt Informationen und erhebt Daten, puzzelt diese zusammen und heraus kommen Übersichten über die Nachlasssituation im deutschen Markt. Nun kann man darüber streiten, ob diese Daten falsch oder richtig sind. Streiten nicht im wissenschaftlichen Sinne, aber im Verständnis darüber, was diese Daten aussagen, wie sie auf wen wirken, und was sie an Folgen auslösen können. Je nach Standpunkt muss man dabei zu unterschiedlichen Ansichten kommen. Aber eines ist doch klar: Dudenhöffer produziert diese Daten nicht, er nimmt nur das auf, was er an verfügbaren Informationen bekommen kann. Und diese Angaben kommen, oh Wunder, aus dem Markt, also von Herstellern, Importeuren und Handel.
Es mag sein, dass die von Dudenhöffer erhobenen Maximalnachlässe, z. B. für den neuen Golf, in dieser Form praktisch kaum erreichbar sind. Dafür sind Konstellationen notwendig, die nur selten eintreten. Dennoch, es gibt diese Möglichkeit, sonst würde es so ein Angebot doch nicht geben, oder?
Dazu kommt, die „ab XY% Rabatt“ Werbung hat nicht Dudenhöffer erfunden. Wer sich mal in die von Hannes Brachat immer wieder freitags dargestellte Übersicht der Verkaufswerbung vertieft, wird feststellen, dass dieses Phänomen, übrigens auch im Handel, gar nicht so selten vorkommt. Die Kritiker stören sich vielmehr an der unrealistischen Höhe der ausgewiesenen Nachlässe. Emotional kann ich da mitgehen, betroffene Autoverkäufer berichten ja bereits von desinformierten und nach Aufklärung auch enttäuschten Kunden. Aber noch einmal: Ist Dudenhöffer tatsächlich die Ursache dieses Übels?
Ich glaube, das ist er nicht. Er hat nur eine Nische besetzt, indem er auf seine Art darüber berichtet. Aus meiner Sicht liegt der Hase (sorry Hase) 😉 woanders im Pfeffer: Die wahren Gründe sind doch vielmehr hochkomplizierte Vergütungssysteme mit zahlreichen Ausnahmeregelungen, darüber hinaus noch an Auflagen gebundene zusätzliche Verkaufsanreize, fehlerhafte Modell- und Angebotspolitik, das andauernde Überangebot an Fahrzeugen, nicht marktgerechte Fahrzeugeinpreisungen, undurchsichtige Fahrzeugofferten mit Sondermodellen und unzähligen Spezialaktionen, Vertriebsnetze, in denen eben nicht jeder Partner gleich behandelt wird, der Fokus auf Quantität, statt auf Qualität sowie ein chronischer Mangel an Unterscheidbarkeit, sprich Differenzierung. Das sind viele Gründe, die auch verschiedene Marktteilnehmer ansprechen.
Die Branche macht sich durch überbordende Komplexität und an vielen Stellen auch zu wenig Kreativität das Leben selbst schwer und zu teuer und kann immer weniger Kunden vermitteln, worin der Mehrwert des eigenen Tuns bzw. der eigenen Produkte besteht. Für den Kunden heißt das dann nichts weiter als Uniformität. Wenn Händler A mit Produkt 1 also mehr oder weniger den gleichen Mehrwert für ihn bietet, wie Händler B mit Produkt 1, was soll dann noch eine Rolle für ihn spielen? Natürlich ist es der Preis, und wenn sich jeder der Kritiker mal an die eigene Nase fasst, wird er/sie feststellen, dass er/sie das nicht anders macht bei Käufen oder Investitionsentscheidungen. Diese Art von Vergleich funktioniert genauso auch mit Händler A und Produkt 1 gegen Händler B mit Produkt 2. Also nicht nur Intrabrand, sondern auch Interbrand, wobei letzteres ja gesunder Wettbewerb wäre.
Und so sollten auch die Kritiker berücksichtigen, dass der Professor aus Duisburg sich nur zum Sprachrohr dieser Defizite aufschwingt. Das allein kann man ihm nicht vorwerfen. Die Kritik ist nach meiner Meinung dennoch berechtigt, denn als verbeamteter Hochschullehrer, zumal im Fachgebiet Automobilwirtschaft, sollte er schon aus ethisch-moralischen Gründen seine Professur im konstruktiven Sinne einsetzen. Andererseits sollte es sich die Branche nicht zu einfach machen und jetzt nur hoch-emotionalisiert Dudenhöffer-Bashing betreiben. Das mag zwar en vogue sein, löst aber das eigentliche Problem nicht.
Nun bin ich kein Tagträumer, soll heißen: Auch morgen wird sich dieser Zustand nicht verändern. Auch die Veränderungswilligkeit und -geschwindigkeit der Branche wird keine Schallmauer durchbrechen. Genau das ist aber gefährlich für alle heutigen Marktteilnehmer. In unserer schnelllebigen Zeit bietet solch eine Situation quasi offene Scheunentore für neue Anbieter, die die Schwächen des Marktes zu nutzen wissen. Ich habe keine Ahnung, wer das sein könnte und wie es passiert. Aber Stillstand wird der Markt nicht akzeptieren, Veränderungen werden kommen (müssen).
Photo credit: Derek Finke