Hinterfragt man den nachhaltigen Erfolg großer Teile der deutschen Wirtschaft etwas genauer, fällt zumindest in den exportabhängigen Branchen immer wieder der Name China. China hinten, China vorn. Alle Welt redet über China, über die aufstrebenden Asiaten, über die nahezu unerschöpfliche Größe des Marktes, über den riesigen Nachholbedarf der Menschen. Ich halte es jedoch für fatal, China als quasi automatischen Garanten deutscher Wirtschaftserfolge anzusehen. Sicher, momentan läuft das alles prächtig, auch und gerade für die deutsche Automobilindustrie. Die Erfolge dort lassen deutsche Autohersteller die Krise in Europa, vor allem in Südeuropa, etwas leichter verschmerzen. Doch wie geht es weiter?
China steht vor gewaltigen politischen, gesellschaftlichen und auch wirtschaftlichen Herausforderungen.
Die Politik
Noch in diesem Jahr wird es zu einem Führungs- und Generationswechsel in der kommunistischen Führung kommen. Na und? – mag manch (West)Deutscher da einwenden – was interessiert mich das? Nun, ohne den Segen der Kommunistischen Partei geht in China gar nichts. Selbst private Unternehmen, zumal in relevanter Größe, können ohne politische Beziehungen nichts ausrichten. Wenn sich nun die oberste Heeresleitung neu zusammensetzt und ihre eigenen Leute an die entscheidenden Hebel der Macht bringt, herrscht im Vorfeld (also jetzt!) viel Unsicherheit. Das führt bei manchen Unternehmen zum Abwarten, bei anderen auch zum Vorziehen von Entscheidungen. Beides ist nicht unbedingt gut, wenn es durch politische Rahmenbedingungen diktiert wird. Auch weiß noch niemand wirklich genau, wohin die politische Reise unter der neuen Führung gehen wird. Für die Wirtschaft ist Unsicherheit nicht gut, insofern also als Minuspunkt zu werten.
Die Gesellschaft
Chinas Bevölkerungsstruktur befindet sich in einem viel stärkeren Wandel, als bislang angenommen. Zum einen gilt das Zitat „Chinesen stellen ein Viertel der Weltbevölkerung“ nicht mehr, denn es ist jetzt „nur“ noch ein Fünftel. Das mag dem einen oder anderen egal sein, macht aber aus geostrategischer Sicht einen großen Unterschied. Dazu kommt, dass der Anteil an Kindern rapide gesunken ist, während der Anteil älterer Menschen enorm gestiegen ist. Hier kommt Pekings Einkind-Politik zum Tragen, die zum Teil ja mit harschen Mitteln durchgesetzt wird. Die früher normalen Großfamilien gibt es in dieser Form kaum noch. Ein weiterer Punkt ist die auch in China immer schneller voranschreitende Verstädterung: So lebt mittlerweile die Hälfte der chinesischen Bevölkerung in Städten. Vor allem immer mehr junge Menschen eifern dem Ideal des westlichen Lebensstils nach. Die gesellschaftliche Vergreisung führt zu einer weiteren Herausforderung: In China gibt es kein System einer Pflegeversicherung, soll heißen, kranke und auf Pflege angewiesene Menschen, die jetzt auch keine Großfamilie mehr haben, sind vermehrt auf sich allein gestellt. Gefordert ist da der Staat.
Die Wirtschaft
Noch boomt es in China. Wer sich die hohen einstelligen Wachstumsraten ansieht, sollte eigentlich neidisch werden. Doch wie es oft ist im Leben, weichen Ziele und Realität weit voneinander ab. Wenn das Ziel nahezu utopisch anmutete und man sich mehr und mehr der Normalität nähert, setzt schnell Enttäuschung ein (das kann man regelmäßig an den Börsen beobachten), obwohl die Normalität in diesem Fall noch immer sehr positiv ist. So läuft es derzeit auch in China. Darüber hinaus hat sich auch in China eine Immobilienblase entwickelt, die jederzeit platzen könnte (oder schon platzt?). Im Zuge des Booms stieg die Immobiliennachfrage, damit die Immobilienpreise, das lockte Investoren an, die fleißig bauten. Jetzt setzt einerseits so etwas wie Sättigung ein, andererseits fällt durch das flacher verlaufende Wirtschaftswachstum zusätzlich die Nachfrage. Das darauf folgende Spiel kennen wir aus den USA: Die Investoren können mangels Käufern die Kapitalgeber nicht mehr bedienen, gleichzeitig fallen die Immobilienpreise. Irgendwann platzt dann die Blase.
China sitzt auf gigantischen Währungsreserven, die größtenteils in Dollar und Euro angelegt sind. Durch die Krisen im Dollar- als auch im Euroraum stehen auch die Reserven Chinas zur Disposition, zumindest aber unter Druck.
Auch die Lohnentwicklung in China geht voran. Erste Unternehmen verlagern ihre Fabriken inzwischen in andere asiatische Billiglohnländer.
Und warum soll und das interessieren?
Wenn China hustet, dann wird auch die bislang robuste deutsche Wirtschaft nicht ungeschoren davon kommen. Jubelmeldungen aus Asien und hier speziell aus China, werden wohl etwas weniger und/oder leiser ausfallen. Wahrscheinlich wird China auf längere Sicht ein Wachstumsmarkt bleiben, dass es aber weiterhin so stürmisch vorangeht, wie bisher, darf bezweifelt werden. Insofern dürften auch die deutschen Hersteller etwas kleinere Brötchen backen. Vor allem für die Premuimhersteller könnte es auf lange Sicht enger werden, wenn die neue chinesische Führung sich nicht auch weiterhin zu einem stabilen Wachstumskurs bekennt.
Und wenn den Herstellern das Geld fehlt, werden das auch die Händler in Deutschland zu spüren bekommen.
Also, China mag zwar weit weg sein, hat aber inzwischen großen Einfluss auf die Situation hier, auch auf die Händler.