Erst gestern habe ich an dieser Stelle über die fallenden Restwerte geschrieben. Beim weiteren Lesen von Berichten und Meldungen wurtde mir erst so richtig klar, wie weit die europäischen Automärkte schon in die Krise gerauscht sind. Ohne Zweifel bewegen wir uns in Deutschland, zumindest mit Blick auf die Ist-Situation, noch auf einem erfreulichen Marktniveau. Aber ein Blick in die Zukunft verheisst auch hier nicht nur Gutes.
In einigen den Ländern Europas grassiert inzwischen die Angst. Und das ist nicht unbegründet, denn gerade diejenigen Hersteller, die es verpasst haben, sich rechtzeitig in den Wachstumsmärkten zu engagieren und Produkte zu entwickeln, die heute gefragt sind, gehen jetzt am berühmten Stock. Die erwähnte Angst bezieht sich dabei natürlich ganz wesentlich auf die zu erwartende Schließung von Werken, die mangels Nachfrage nicht mehr gebraucht werden. Dass das kein Zuckerschlecken für die betroffenen Menschen und Regionen ist, steht außer Frage. Dass man lieber nicht zum Kreis dieser Betroffenen zählen möchte, ist auch klar. Dennoch erleben wir hier einen ganz normalen wirschaftlichen Schrumpfungsprozess, erinnert sei in diesem Zusammenhang an die deutsche Solarindustrie oder auch vor einigen Jahren an Firmen wie AEG, Grundig & Co.
Einige Länder reagieren darauf mit altbekanntem Protektionismus. In Frankreich will die Politik nun die erfolgreichen (ausländischen) Hersteller aus Deutschland und Korea mit höherer Besteuerung zugunsten der nicht wettbewerbsfähigen eigenen Industrie abstrafen. Dass damit keines der eigenen Probleme wirklich gelöst wird, haben sie aber nicht begriffen. Letztendlich könnte sich so etwas sogar als Boomerang erweisen, den wenn man die Starken schwächt, stärkt man nicht auch die Schwachen.
Dann gibt es noch die Idee, dass sich Hersteller zusammentun. GM hat sich aktuell mit 7% an der PSA-Gruppe beteiligt. Man will nun gemeinsam Kosten sparen. Auch das ist ein typisches Industrie-Phänomen: Kosten sparen. Warum suchen die sich nicht mal neue Märkte und Kundengruppen anstatt in Krisenzeiten immer nur den Rückwärtsgang einzulegen? Ich spekuliere mal, dass GM es auch auf die in Frankreich zu erwartende Staatsknete abgesehen hat, die sie in Deutschland nicht erhalten.
GM’s europäischer Ableger Opel schwächelt nach wie vor vor sich hin, meint nun aber, ein überzeugendes Konzept für die Zukunft gefunden zu haben. So sehr ich Opel eine Wiederbelebung wünsche, habe ich meine Zweifel, dass das noch einmal etwas wird. Wo sind die begeisternden Ideen? Wie soll die Marke wieder ein Image erhalten, das sie trägt und nicht nach unten zieht? Und dass der erst vor einem guten Jahr ins Amt gekommene Chef nun gestern Nachmittag seinen Rückzug erklärt, stimmt mich doch sehr nachdenklich. Ich würde mal annehmen, dass Herr Stracke den harten Jungs bei GM zu weich gestrickt war und denen die vorgelegten Sanierungspläne nicht ausreichen.
Und PSA? Die Kollegen machen derzeit mit Negativschlagzeilen von sich reden. Verluste, Entlassungen, Werksschließungen, Vertrauensverlust zwischen Eigentümern und Vorstand usw. Aber in Nischen gibt es auch Positives zu vermelden, doch reicht das? Neben PSA steckt auch Renault in Schwierigkeiten. Die französische Autoindustrie wird wohl bluten müssen. Staatsgeld wird nur spärlich fließen, da keins da ist.
Fiat schließt ein Werk in Italien und zögert die Investition in neue Anlagen hinaus. Auch wird der Fiat Konzern seine Beteiligung am gemeinsam mit PSA betriebenen Werk für leichte Nutzfahrzeuge zum Jahresende abgeben.
Doch auch beim ansonsten so erfolgreichen Volkswagen Konzern ist die Welt nicht nur in Ordnung. Seat ist seit Jahren ein Verlustbringer und jetzt ist auch noch der Heimatmarkt Spanien zusammengebrochen. Doch ist die schwache Situation nicht nur mangelndem Käuferinteressse, sprich einer Marktschwäche, zuzuschreiben. Seat fehlt es ganz einfach an einem klaren Profil. Fragen Sie mal in Ihrem Bekanntenkreis, wer die Marke kennt. Und wenn dann noch Leute übrig bleiben, fragen Sie weiter, wofür die Marke steht. Von Ausnahmen abgesehen, werden Sie da keine erschöpfenden Antworten erhalten. Und wohl kaum jene, die das Selbstverständnis der Marke wiedergeben. Was bauen die Spanier denn für Autos? Einen Kleinstwagen, den es baugleich auch bei Skoda und Volkswagen gibt. Einen Mittelklassewagen, der mal ein Audi war. Einen Familienvan, den es quasi 1:1 auch bei Volkswagen gibt. Und demnächst auch eine Limousine in der unteren Mittelklasse, die im Original von Skoda stammt. Und in den Wachstumsmärkten war Seat bislang auch unterrepräsentiert. So erfolgte der Markteintritt in China erst kürzlich.
Es geht also grundsätzlich nicht nur um einen schwachen Markt, es auch um die richtige Strategie. Die deutschen Hersteller, allen voran der Volkswagen Konzern, haben da sehr viel richtig gemacht. Sie haben auf die richtigen Pferde gesetzt, auf eine in Gänze gute Modellpolitik, auf die richtigen Absatzmärkte. Die anderen Hersteller, also Fiat, Renault und die PSA-Gruppe müssten sich selbst aus dem Schlamassel befreien. Aber so etwas dauert einige Jahre. Lösungen sind aber jetzt notwendig, Zeit haben sie einfach nicht. Vielmahr als eine Neuordnung des Marktes auf der Anbieterseite bleibt da kaum übrig.
Und die europäischen Händler? Sie sind gezwungen hier zu operieren, können nicht oder kaum in andere reizvolle Märkte ausweichen. Umso wichtiger ist es, dass auch sie sich Gedanken darüber machen, wie sie die Zukunft bestreiten wollen. Sind sie noch mit den richtigen Herstellern verbunden? Handeln sie mit der richtigen Ware? Ist der Standort mittel- und langfristig optimal? Machen Großinvestitionen in Immobilien nach Herstellervorgaben noch weiter Sinn? Wohin tendiert der Servicemarkt? Kann die Einmarkenwerkstatt künftig noch Bestand haben? Wie erreichen sie ihre Kunden am besten? Wie kommunizieren sie mit ihren Kunden? Wie und woher rekrutieren Sie die für die Zukunft nötigen Fachkräfte? Werden sie in den bestehenden Betriebsgrößen kostenseitig noch wettbewerbsfähig sein können? Welche neuen Produkte und Dienstleistungen könnten oder sollten angeboten werden? Wie stärken sie das Gebrauchtwagengeschäft? Wie können sie dem immer schärferen Wettbewerb, auch getrieben durch das Internet, nicht standhalten, sondern zusätzliche Chancen abgewinnen? Es gibt noch weitere dieser Fragen, die beantwortet werden müssen.
Tun Sie es?
Hallo Herr Finke, wer lange die Autoindustrie beobachten kann, dem fällt auf, dass es immer mehr zu Kurzzeit Manager Strategien kommt, die Aktionäre die langfristigen Ziele aus den Augen verloren haben. Die Branche wird mehr und mehr unberechenbar. Zwar wird eine schleichende Ecolution betrieben, mit immer mehr Elektronik als Ersatz für mechanische Baukomponenten und Plattformbau und geringerer Fertigungstiefe wird es billiger ein Auto zu produzieren. Aus Sicht der Verbraucher die ohne großes Interesse ins Autohaus kommen, werden diese Preise, die gefühlt ständig steigen, nur durch Raten und Flatrates akzeptabel und während die Zuverlässigkeit und der Besitzerstolz abnimmt, der Autokauf leichter. Man spart nicht, man spricht mit der (Auto) Bank…
Es gibt den zweiten paradoxen Trend immer mehr Leichtbau zu verwenden, dessen Vorteile durch schwere Komfortbauteile dann wieder weg gemacht werden.Es werden darum immer mehr PS gebraucht, um immer weniger zu bewegen, den auch das Platzangebot im Inneren ist ebenfalls gefühlt gesunken. Kosten sparen und besser werden um dann noch mehr Personal abzubauen- das erscheint als Strategie für eine kurze Zeit der einzige Weg, doch irgendwann ist der tipping point erreicht. Entscheidender ist dass aus der Sicht des unbarmherzigen Blickes des Soziologen auf die nicht-ökonomischen Grundlagen der Automobilwirtschaft dass Individualität und Selbstbeweglichkeit als Stärke des privaten Autobesitzes vor allem in Großstädten zur Belastung werden.Vernetzung und CAR-SHARING treten hier an die Stelle des Besitzens und Kaufens und Parken müssen. Hand aufs Herz, wo sehen sie wirklich noch neue Zielgruppen für das Auto in einem zunehmend gesättigten Markt von Erst- und Zweitauto- Haushalten? Wirklich brauchen das Auto nur der Pendler und die Personen auf dem Land.Da aber immer mehr Menschen wieder in die Städte drängen, schrumpfen auch diese Käufer. In den Metropolen ist daher das Auto nicht mehr zu retten, längst sind Fahrrad und Flugzeug die Verkehrsmittel, deren Gebrauch signifikant wächst. Szenarien der Entwicklung : Das Famileinunternehmen Autohaus könnte sich zum markenunabhängigen und Verkehrsmittelunabhängigen Provider, analog der Computerindustrie und zum Beziehungsgestalter des individuellen Mobilitäts und Fahrradhändlers „zurück“ nach vorne entwickeln, so wie die meisten Automobilfirmen aus Fahrrad (Skoda) und Nähmaschinen oder kleinen mechanischen Fabriken entstanden sind.
Doch wenn man das schreibt, wird man schnell von den Menschen mit dem Benzin im Blut schnell für verrückt erklärt, denn noch boomt doch der Export bei den Premiummarken.
Hallo Herr Fuhr,
vielen Dank, dass Sie sich zu diesem Thema gemeldet haben.
Ich denke, Sie sprechen da zweifellos weitere Aspekte an, die zur gegenwärtigen Situation beitragen. In Sachen Produkt (Größe, Ausstattung, Gewicht) würde ich aber noch ncht einmal ein so großes Problem sehen. Da drücken vielmehr die Überkapazitäten. Wenn man bedenkt, dass wir vor ein paar Jahren noch 23 Mio. Neuwagenzulassungen in Europa hatten und dieses Jahr mit ca. 12,2 Mio. rechnen, kann man sich ausmalen, wie es bei den vor allem von Europa abhängigen Marken aussieht (Opel lastet derzeit nur zu 60% aus!). So etwas halten die Firmen nicht lange durch, nicht umsonst finden sich dann Koalitionen der Schwachen zusammen (PSA/GM).
In Bezug auf Carsharing bin ich skeptisch, was das Geschäftsmodell angeht. Wenn überhaupt, werden damit nur die Herstellersysteme etwas verdienen können. Die ergänzen das Ganze durch klassische Autovermietung und passen das dann in ihre Mobilitätsdienstleistungen ein (siehe Volkswagen mit QuiCar, Euromobil und Volkswagen Leasing). Selbst bei der Deutschen Bahn glaube ich nicht, dass sich das Carsharing allein rechnet. Das ist eine Mischkalkulation aus deren verschiedenen Angeboten. Damit ergänzt und sichert man dann das Kerngeschäft. All den anderen Varianten gebe ich auf Dauer keine wirtschaftliche Chance.
Tja, und dann ist das noch die Zukunft des Autohauses. Mobilitätsprovider soll es also werden? Das haben wir schon vor mehr als 10 Jahren in unsere Strategiepapiere geschrieben. Doch nur die wenigsten Händler haben sich damit wirklich auseinandergesetzt. Das liegt auch daran, dass die allermeisten Händler keine Strategie haben. Die verlassen sich größtenteils darauf, was ihnen ihr Hersteller oder Importeur liefert oder anbietet. Insofern habe ich meine Zweifel, dass ein Umdenken hier in naher Zukunft zu erwarten ist. Noch immer werden komplett neu gebaute Paläste nach Herstellervorgaben gebaut, ich glaube nicht, dass sich da jemand wirklich professionell Gedanken gemacht hat, ob so etwas in 10 und 15 Jahren überhaupt noch tragfähig ist.
Beste Grüße,
Derek Finke