Seit geraumer Zeit wird im Automobilgeschäft der westlichen Länder der Wechsel vom Push- zum Pullmarkt beschworen. Nach meinem Eindruck ist diese Redewendung zwar vielen Händlern geläufig, aber es ist ihnen nicht wirklich bewusst, was das bedeutet.

Was ist also ein Push-Markt?
In dieser Spezies von Markt werden Produkte quasi in den Markt gedrückt (=push). Dabei spiel es nur eine untergeordnete Rolle, ob der Markt diese Produkte überhaupt benötigt. Der Anbieter hat also mehr seine eigenen Absatzinteressen, als den Bedarf der Kunden im Blick. Wie geht das im Autogeschäft? Ein Teil der Fahrzeugproduktion wird tatsächlich bedarfsorientiert produziert, nämlich dann, wenn die Kunden nach Wunsch bestellen. Diese Kunden sind echte Kunden, Autohäuser, Werksangehörige usw. Ansonsten wird produziert, um die Bänder auszulasten – ob die Kunden das nun brauchen oder nicht. Die von Herrn Piech vor Jahren einmal angekündigte atmende Fabrik ist und bleibt eine Illusion, genauso wie das papierlose Büro.

Diese Autos sind praktisch überschüssig. Es werden also Sondermodelle kreiert oder besondere Aktionen gestaltet, es werden Pakete zusammengestellt, es wird aggressiv beworben – um am Ende diese Autos an die nächste Handelsstufe zu „drücken“. Wie diese die Fahrzeuge dann losschlägt, ist dem Produzenten reichlich Wurscht, denn aus seiner Bilanz sind sie ja raus.

Fazit: Push-Markt heisst, der Anbieter muss Maßnahmen einleiten und Aufwand betreiben, um Kunden für seine zumeist schon produzierten Produkte oder Leistungen zu gewinnen. Am Ende steht in der Regel ein Verlauf über den Preis, nicht über produktbezogene Argumente.

Und im Pull-Markt?
Pull-Märkte funktionieren nachfrageorientiert. Das heisst, der Anbieter muss erst einmal herausfinden, was die Kunden eigentlich wollen. Darüber hinaus muss der Anbieter für Attraktivität sorgen, also nicht mit Aggressivität, sondern mit Anziehungskraft. Und diese wie ein Magnet wirkende Anziehungskraft muss durch Image, Reputation und begeisternde Produkte gleichermaßen erzeugt werden. Der Dreiklang aus diesen Zutaten zieht (=pull) Kunden also an, statt sie durch massives Marketing in die Läden zu drücken.

Während im Push-Markt also eher die Interessen des Anbieters im Mittelpunkt stehen, spielt im Pull-Markt vielmehr der Kunde eine zentrale Rolle. Der Wechsel von Push zu Pull ist durch verschiedene Einflüsse geprägt: Änderung von Wertvorstellungen, scharfer Wettbewerb, überbordende und die Kunden nervende Werbung an allen Ecken und Enden, ein Überfluss an Produkten, die man eigentlich nicht benötigt sowie eine stärkere Differenzierung der Produkte.

Ganz wesentlich vorangetrieben wird das Ganze aber durch den Einfluss des Internets und hier speziell der Sozialen Medien, die für mehr Transparenz und deutlich einfachere und effektivere Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Anbietern und Kunden sorgen. Speziell die Kunden erhalten damit deutlich mehr Marktmacht, was die Anbieter unter Handlungsdruck setzt. Insofern ist das Internet ein sogenannter Gamechanger – aus meiner Sicht wird es den Markt grundsätzlich verändern.

Die Folgen für den Autohandel
Eigentlich müsste der Autohandel ideal aufgestellt sein. Denn bereits in der Vergangenheit lebte er doch vor allem von der persönlichen Beziehung zum Kunden. Er ist in seiner Region zuerst tief verwurzelt und kennt die Sorgen und Nöte der dort lebenden Menschen sowie der gewerblichen Kunden recht gut.

Auf diese Tugenden muss er sich auch besinnen und sie in die neue Kommunikatonswelt übertragen. Das fällt vielen Händlern offenbar nicht leicht oder gar nicht ein, warum auch immer. Zu viele Händler nehmen das Internet noch immer nicht ernst. Dabei birgt dieses Medium unheimlich viele Chancen.
Noch steht das Internet in unserer Branche eher am Anfang seiner Möglichkeiten, es hat aber das Zeug, vieles, wenn nicht alles, zu verändern. Wer etwas weiter denkt und versucht, sich die möglichen Auswirkungen einmal vorzustellen, wird im Bereich des Neuwagenhandels auf Geschäftsmodelle kommen, die mit dem heutigen Autohändler nicht mehr viel gemein haben.
Beispiel: Virtuelle Autohäuser, in denen man sich in 2D oder 3D Grafik bewegen kann, Autos wie im echten Leben ansehen und bei Fragen einen geschulten Berater anrufen kann (im Live-Modus 24h pro Tag). Das geht per Telefon oder Video-Chat. Diese Shops wirken lebensecht, zumindest für Leute, die keinen gesteigerten Wert auf menschliche Vor-Ort-Beratung legen. Die nachwachsende Generation ist mit dem Internet groß geworden und daran gewöhnt, online einzukaufen. Da wird es genügend Kunden geben, die eine solche Form des Kaufs vorziehen. Probefahrten können über Pools gesteuert werden, die von den Herstellern oder Mobilitätsdienstleistern betrieben werden.

Jetzt höre ich schon jene, die sagen, das wäre alles nicht so, Autohäuser wären unverzichtbar, ohne Verkäufer gehe alles nicht usw. Dem kann ich präventiv entgegnen, dass die Welt sich eben weiter entwickelt. Ich bin mir sicher, dass es auch künftig „echte“ Autohäuser geben wird. Aber auch deren Geschäftsmodell wird nicht mehr das heutige sein. Das Internet wird einen weiteren Kanal eröffnen, der zwangsläufig zulasten der anderen Kanäle agieren wird. Und daher sollte sich erstens jeder Händler damit auseinandersetzen und zweitens jeder Händler bereits heute in seinen Investitionsentscheidungen auch berücksichtigen, dass dieser Kanal entsteht.

Umfragen in den USA haben kürzlich gezeigt, dass Kunden ihre Kaufentscheidung nur zu einem vernachlässigbaren Prozentsatz vom Erscheinungsbild (CI usw.) der Immobilie abhängig machen. Warum also sollte ein Händler überdurchschnittliche Investitionen in so etwas tätigen? Statt dessen wären Investitionen in Diinge sinnvoller, die für den Erfolg Pull-Märkten erforderlich sind, z. B. in Mitarbeiter und deren direktes Handwerkszeug, in individuell auf den Händler abgestimmte Webauftritte, in Mitarbeiterführung.

Wie sehen Sie das?