Wenn zur Diskussion kommt, dass deutschen Autokäufern die Liebe zum Auto verloren geht, behaupten viele Händler und sogenannte „Branchenexperten“ gern das Gegenteil. Auto fahren sei pure Emotion, es gehe nicht nur darum, von A nach B zu kommen.

Ich denke, Du kennst das alles. Letzten Endes kaufen sich die meisten von uns mehr Auto, als sie brauchen. Das gilt für die Motorisierung ebenso, wie für diverse Ausstattungsdetails. So weit, so gut.

Wo sind all die emotionalen Autoverkäufer?

Dem Anspruch folgend müsste doch aber auch der Kauf eines Autos nur so kochen vor lauter Emotionen. Vielen Kunden spreche ich das gar nicht ab, da gibt es sicher viel Herzklopfen, Aufregung, Spannung und Leidenschaft.

Aber bei manch einem Autohändler beschleicht mich das Gefühl, eher den vom Hersteller vorgegebenen Verkaufsprozess einzuhalten, als sich mit Leidenschaft den Menschen und ihren mobilen Bedürfnissen zu widmen.

Als skurrile Randnotiz sei angemerkt, dass ich eines Jahres an der Verleihung des Automobilwoche Award Autohandel teilnahm und dort allen Ernstes berichtet wurde, dass immer mehr Verkäufer während der Verkaufsgespräche Listen vor sich liegen haben, die sie daran erinnern, welche Fragen dem Kunden im Verkaufsgespräch (z. B. in der Bedarfsanalyse) gestellt werden sollen.

Das wurde auch noch positiv herausgestellt und rief nicht einmal ein Raunen, geschweige denn andere Reaktionen im Publikum hervor. Leute, Leute – wo sind wir hingeraten?!

Autoverkauf – vom Prozess zum Erlebnis

Doch zurück zum Thema Autokauf und Emotionen. Neulich habe ich mir mal in mobile.de einige Fahrzeuganzeigen angesehen. Ich habe mich auf Van’s in 50 km Umkreis um meinen Wohnort beschränkt, also klassische Familienfahrzeuge.

Wenn man die Ergebnisliste dann nach Preis absteigend sortiert, sollten die teuersten Fahrzeuge nach meinem Verständnis doch mit besonders viel Engagement angeboten werden. Bilder waren regelmäßig vertreten, aber die Masse allein macht es nicht. Dennoch frage ich mich, warum viele Händler die maximale Bildanzahl in den Börsen nicht ausnutzen?!

Was interessiert die Käufer von Familienautos? Ich würde meinen: Platz, Sicherheit, Effizienz und Zuverlässigkeit. Und was sollten Bilder und Fahrzeugbeschreibung rüberbringen?

Genau: Platz, Variabilität, praktische Ausstattungsdetails (z. B. klappbare Sitze, eingebaute Kindersitze, große Türen, abschaltbare Fensterheber hinten, Airbags usw. In der Beschreibung könnte es um viel Platz bei wenig Verbrauch gehen (Preis-/Leistungsverhältnis), um den Wartungsverlauf und Zustand, um Sicherheitsdetails, um die angebotene Garantie, um Versicherung und Finanzierung.

Aber das, was ich gefunden habe, kam dem nicht nahe. Lediglich ein Privatanbieter sowie ein kleinerer freier Händler unternahmen die Anstrengung, eine individuelle Fahrzeugbeschreibung einzusetzen, also eine, bei der man das Gefühl hatte, sie wäre von einem Menschen, nicht von einer Maschine geschrieben.

Die anderen Fahrzeuge wiederholten im Freitext nur noch einmal die schon ein Feld weiter oben dargestellte Ausstattung der Fahrzeuge. Sicher kann man das so machen, aber es spricht eben nicht die Zielgruppe an. Außerdem machen fast alle so – wo bleibt da die Differenzierung?

Ein weiterer Punkt waren die verwendeten Abkürzungen und Fachbegriffe. Mit einem „Fairway“-Paket oder dem „Variomodul“ mag der Renault-Autoverkäufer etwas anfangen können, nicht aber Otto Normalverbraucher(in).

Hat die Branche keinen Bock oder keine Zeit?

Doch das Beste kommt noch: „Bitte keine E-Mail-Anfragen senden, wir freuen uns auf Ihren Anruf :-)“ Dieser Händler meint sogar, den Interessenten vorschreiben zu müssen, wie sie ihn gefälligst zu kontaktieren haben. Weil er unfähig ist, sich intern zu organisieren.

Das Ganze wurde tatsächlich auch noch mit dem Smilie am Ende gekrönt, was so richtig nach Verhöhnung aussieht. Da rege ich mich über den Zusatz „Zubehörangaben ohne Gewähr“ schon gar nicht mehr auf.

Man stelle sich ein Schild auf dem Schreibtisch des Verkäufers vor: „Bitte nicht ansprechen, ich freue mich über Ihre Zurückhaltung :-)“.

Offenbar ist es noch immer so, dass zu viele Händler ihrem virtuellen Showroom deutlich weniger Bedeutung beimessen, als dem aus Bau, Steine, Erden. Wie viele Händler haben z. B. regelmäßig die Statistiken der Börsen im Blick? Und wenn doch, werden daraus eigentlich auch Schlüsse gezogen? Und wenn ja, welche?

Fakt ist wohl, dass man mit dieser Strategie nicht mehr Autos verkaufen kann.

Wer schreibt hier? Derek Finke ist The Digital CarGuy. Nach beruflichen Stationen in Autohaus, Autovermietung, Händlerverband und Unternehmensberatung ist er heute als Strategie- und Marketingberater für Autohäuser, automobile Start-ups und Motorradhändler tätig. Derek arbeitet nach dem Motto: Menschen machen gern Geschäft mit Menschen, die sie mögen und denen sie vertrauen!

Photo credit: Derek Finke