Seit gut einem Monat geistert die Idee der Meister-HU durch die Fachpresse. Nachdem die EU bis 2015 eine europaweit einheitliche Regelung der HU durchsetzen möchte, ergeben sich auf diesem wirtschaftlich durchaus interessanten Spielfeld neue Möglichkeiten. Es gibt also Begehrlichkeiten seitens unseres Gewerbes, was ja erst einmal nichts Schlechtes sein muss.

Meister-HU ist stark verbandsgetrieben

In den Verbänden, allen voran den Kfz-Innungen, Kfz-Landesverbänden und dem ZDK selbst, hat sich in der jüngeren Vergangenheit Unmut über die klassischen Prüforganisationen breit gemacht. War es bislang so, dass die Prüfer ausschließlich geprüft und die Werkstätten ausschließlich repariert haben, haben die Prüfer diesen Grundsatz mehr und mehr aufgegeben. So laufen vor allem die TÜV’s dieser Welt den Werkstätten massiv die Buden ein um sie davon zu überzeugen, auch die lukrative Abgasuntersuchung (AU) in die Hände der Prüfer zu legen. Außerdem soll es in Prüfstützpunkten einiger Organisationen auch Reparaturangebote geben (das kenne ich aber nur vom Hörensagen).

Verfolgt man die Berichterstattung zur Meister-HU, entsteht zumindest bei mir der Eindruck, dass der Druck aber gar nicht aus den Kfz-Betrieben und Autohäusern, sondern vor allem aus der Verbandswelt kommt. Und hier spielen die Kfz-Innungen offenbar eine gewichtige Rolle. Schließlich partizipieren gerade sie doch heute erheblich am AU-Geschäft. Da besteht nun einerseits Angst, dieses zu verlieren. Andererseits haben dort viele Verantwortliche auch Dollarzeichen in den Augen, da sie erhebliche Zusatzeinnahmen aus einem wie auch immer gearteten HU-Geschäft in den Werkstätten erwarten. Ich denke nur an Plaketten und verpflichtende Weiterbildungsangebote.

Interessenkonflikte sind vorprogrammiert

Blicke ich nach vorn und nehme rein hypothetisch an, dass die Werkstätten die HU-Prüfungen selbst durchführen, stellen sich mir aber einige Fragen. Vorteil des bisherigen Systems ist ja, dass der Prüfer unabhängig von ihn leitenden wirtschaftlichen Interessen arbeitet. Er bekommt seine fixe Gebühr und damit hat es sich. So ist für den Kunden sichergestellt, dass nur die tatsächlichen Mängel festgestellt werden. Dieser Vorteil ist auch Bestandteil der heutigen Argumentation vieler Werkstätten vor Kunde, wenn es darum geht, erforderliche Reparaturen zu begründen. Doch wie soll das in Zukunft laufen? Dieser verqueren Logik folgend, bräuchten die Lehrlinge aus Autohäusern künftig auch nicht mehr vor einer Prüfungskommission erscheinen, sondern werden von ihren Fachlehrern und Ausbildern geprüft. Aber wollen diese Lehrer tatsächlich mit hohen Durchfallquoten in Verbindung gebracht werden? Auch hier gibt es Interessenkonflikte und daher gibt es eben eine unabhängige Prüfungskommission.

Vor meinem geistigen Auge lese ich schon Schlagzeilen, die dann solche Wortschöpfungen wie „Meister-HU – Betrug auf weiter Flur“ und „Abzocke wird Tür und Tor geöffnet“ enthalten, ganz gleich, ob die breite Mehrheit der Betriebe ehrlich arbeitet oder nicht. Wollen wir so etwas wirklich über uns lesen? Wollen wir in endlose Diskussionen mit Kunden verwickelt werden, ob das nun alles notwendig war oder nicht? Wollen wir die Schiedsstellen und Gerichte mit neuem Futter versorgen? Wollen wir den Eindruck einer Selbstbedienungsmentalität durch einen solchen, eigenen Beitrag auch noch stützen? Wird es zur Vertrauensbildung beitragen, zur Kundenbindung oder gar Kundenbegeisterung führen?

Meister-HU sorgt nicht für Kundenbegeisterung

Ich glaube, dass der Wow-Effekt der Meister-HU sich beim Kunden ins Negative verwandeln und das Image des Autohauses als Dienstleister für den Kunden erheblich leiden wird. Darüber hinaus sehe ich für die Kfz-Werkstätten keinerlei zusätzliche Ertragspotenziale, eine legale und faire Handhabung der Prüfungstätigkeit vorausgesetzt. Wenn ich die Aussagen einer besonders engagierten bayerischen Innung lese, wo von bis zu 400 Mio. EUR Einsparungen für die Kunden die Rede ist, frage ich mich, wo die denn herkommen sollen?! Nachgeschoben wird dann gleich, dass dies nur gelänge, wenn Meister-HU und Werkstattarbeiten in einem Paket angeboten werden könnten. Pakete schnürt man meistens dann, wenn man etwas weniger Attraktives loswerden möchte, es durch etwas Attraktives aufwertet und zum Sonderpreis vermarktet.

Auch die Hinweise auf das Ausland, wo das schon lange praktiziert werde oder auf die AU, wo wir ja auch einstellen und prüfen, stimmen mich nicht optimistischer. Zum Ausland sei gesagt: Bei Best Practise orientiert man sich gewöhnlich an den besten Lösungen, also an denen, die Maßstäbe setzen, und nicht an den zweitbesten. Da könnte ich auch behaupten, dass in einigen der genannten Länder kein Meisterzwang zum Betreiben einer Werkstatt besteht und es so ja auch funktioniert.

Nein, bei allen vorgetragenen Argumenten kommt für mich mehr und mehr zum Vorschein, dass vornehmlich die Interessenverbände hier Vorteile für sich und ihre Tätigkeiten erwarten. Geräteprüfungen, Plakettenvertrieb, Aus- bzw. Weiterbildung, Beratungsangebote, administrative und politische Tätigkeiten. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Aber wenn sich die Kfz-Werkstätten und Autohäuser dadurch nicht unerhebliche Nachteile einhandeln, kann mich das nicht überzeugen. Denn selbst wenn ich etwas tun darf, muss ich es ja nicht tun.

Wie sehen das denn die Werkstätten selbst?

Derek Finke

Photo credit: Olli Henze via Flickr (CC BY-ND 2.0)