Der Verkaufsprozess im Autohaus, zumal im vertragsgebundenen Autohaus, unterliegt bestimmten Vorgaben. Doch jeder Kunde ist anders und als Individuum zu betrachten. Zwar lassen sich Gemeinsamkeiten feststellen, die über alle Kundengruppen und -typen hinweg gelten. Dazu zählt heutzutage auch, dass Kunden viel besser über Produkte, Produkteigenschaften und Konditionen informiert sind. Das Web macht’s eben möglich. Kommen diese Kunden dann in die Autohäuser, erwarten sie eine zügige und auf ihren Bedarf bzw. ihre Bedürfnisse zugeschnittene Beratung.
Verkaufsprozess im Autohaus ist statisch und lang
Die Realität dort ist aber oft eine andere. Der Verkaufsprozess im Autohaus entspricht im Wesentlichen noch dem von vor X Jahren. Lang und feingliedrig, manchmal nicht enden wollend. Sicher, ganz maßgeblich geben hier die Hersteller den Takt vor. Dort herrscht Industriedenke, sehr stark prozessorientiert und genormt. Aber kann man einen solchen Prozess tatsächlich derart rigide steuern?
Wie schon oben erwähnt, sind Kunden Individuen, die sich stark untscheiden. Genauso flexibel muss letztendlich der Verkaufsprozess sein. Das geht aber nur, wenn dieser deutlich kürzer verläuft und sich dem geänderten Kundenverhalten anpasst. Dazu zählt in meinen Augen auch, dass bestimmte Prozessbestandteile neu justiert werden.
Inzahlungnahme gehört an den Anfang
Als Beispiel nehme ich hier mal die Inzahlungnahme heraus. Diese gehört meiner Meinung nach an den Anfang des Prozesses. Das Gespräch mit dem Kunden über sein bisheriges Auto und die Bewertung dessen bringt i. d. R. viele Informationen ans Tageslicht, die helfen, seinen Bedarf zu ermitteln. Wer hier die richtigen Fragen stellt und gut zuhören kann, liegt im weiteren Verlauf des Prozesses vorn und macht sich und dem Kunden das Leben leichter.
Ich bin weit entfernt davon zu behaupten, dass so auch generell die Rabattdiskussion vermieden werden kann. Das wäre eine Illusion, denn wettbewerbsgerechte Preise sind heutzutage die Norm. Aber die Qualität der Kundenbeziehung kann deutlich höher liegen. Das wiederum kann für weitere, ertragreiche Geschäfte sorgen.
Und ein weiterer Punkt kommt für mich noch hinzu: Die unnötige Verkomplizierung der Prozesse in den Betrieben sorgt geradezu dafür, dass viele kreative und selbständig denkende Menschen nicht mehr in unserem Gewerbe arbeiten wollen. Das gilt ganz besonders für viele Frauen, die wir an so vielen Stellen dringend benötigen würden, da die Erfahrung lehrt, dass gerade sie den Anforderungen heutigen Verkaufens oftmals gut entsprechen.
Hallo Derek,
Die Inzahlungnahme kann gar nicht an der ersten stelle angesiedelt werden – dazu ist der Prozess als solches zu komplex – was aber sicherlich auch vom logischen Ablauf her an vorderer Stelle kommen muss ist ein erster grober Inzahlungnahmepreis – den fordert und benötigt der Kunde da er den braucht um seine Entscheidungen weiter führen zu können. Den Inzahlungnahme-Prozess muss man sowieso in Preisfindungsprozess und schließlich Herreinnahmeprozess teilen – anders gehts sowieso nicht.
Frank,
vielen Dank für Deinen geschätzten Beitrag. Da spricht der Praktiker aus Dir, ich freu mich, endlich mal einen echten Autoverkäufer hier begrüßen zu können.
Ich verstehe schon, dass es „DEN“ Verkaufsprozess nicht geben kann, dafür sind die Kunden und ihre Bedürfnisse zu verschieden, ich sehe meinen Vorschlag eher als roten Faden. Worum es mir geht, ist, die Inzahlungnahme deutlich weiter vorn anzusiedeln, um im Gespräch mit dem Kunden möglichst viele Informationen über ihn, sein Umfeld und seinen Bedarf zu erhalten. Wenn man damit das eine und das andere verbinden kann, wäre doch viel erreicht. Gleichzeitig kann man bereits eine menschlich gute Beziehungsebene zum Kunden aufbauen und so die Nachlassthematik etwas in den hinteren Bereich verschieben. Wenn man erst einmal einen Draht zueinander hat und vorne schon etwas mehr über den Kunden erfahren hat, kann man hinten vielleicht auch anders miteinander umgehen. Ich selbst stehe zwar schon seit einigen Jahren nicht mehr an der Autoverkaufsfront, denke aber, das so etwas in nicht wenigen Fällen funktionieren kann.
Beste Grüße,
Derek
Hallo Derek,
also ich gehe mit Dir konform dass ein Sammeln von vielen Informationen im späteren Verkaufen sicherlich hilfreich ist – bezweifle aber dass eine super-tolle Beziehungsebene zwischen Käufer und Verkäufer den Käufer veranlasst um mehr als xxx Euro hinweg zu sehen… – dies ist sicherlich bei jedem Kunden anders – dem einen ist es mehr wert dem anderen weniger. Aber Zurück zum Ausgangsthema: Ja, Derek ich bin „praktizierender“ Autoverkäufer und die Gespräche die ich noch mit Kunden vor Jahren geführt haben (…und wahrscheinlich auch Du…) die gibt es in dieser Form (leider) nicht mehr… – heute geht es knallhart um Fakten, Daten, Zahlen… – die Kunden sind bestens vorbereitet und somit sind auch die Fragen und auch der „Beziehungsaufbau“ ein anderer… – Bedarfsermittlung – Fehlanzeige!
Und was den – um zum Ursprungsthema zurückzukehren – Inzahlungnahmeprozess angeht muss ich heute ganz anders vorgehen… – die meisten Kunden wollen JETZT, SOFORT und GLEICH den Preis wissen wie unser Haus das Fahrzeug in Zahlung nehmen kann…
Somit startet also der Preisfindungsprozess beim NEUWAGENVERKÄUFER und bei keinem anderen – denn ICH darf dann erstmal „ums Auto gehen“ mir ein erstes Bild vom Altwagen machen… – mit diesem „Bild“ im Kopf und den technischen Daten die ich aus dem KFZ-Schein ablesen kann suche ICH dann in mobile.de ein Referenzfahrzeug. Diese Referenzliste gehe ich dann mit dem Kunden durch und zeige ihm die Preise der gehandelten Fahrzeuge – ich betone hierbei immer (!!) dass es sich um VERKAUFSPREISE handeln und diese vom tatsächlichen Verkaufswert noch differieren können… – von diesem Verkaufswert ziehe ich dann eine gewisse Handelsspanne die sich aus mehreren Komponenten zusammensetzt ab um erhalte so einen „ERSTEN INZAHLUNGNAHMEPREIS“ – den Kunden ist dann bekannt dass dieser Preis sicherlich noch korrigiert werden kann wenn das Fzg. von der Hereinnahmeabteilung noch komplett durchgecheckt wird – aber er Braucht und Verlangt von mir diesen ersten Anhaltswert… – und da werden auch die schönsten Prozesse in zertifizierten Autohäusern nichts dran ändern… – den ersten Preis gibts vom Neuwagenverkäufer… 😉
Hallo Frank,
Ich denke, da liegen wir doch gar nicht auseinander. Mir geht es ja darum, den Inzahlungnahmeprozess an den Anfang zu legen. Ich bin ganz sicher kein Prozessfetischist, aber ein Ideal-Prozess, der als roter Faden dient, muss einfach da sein. Und der könnte ganz grob doch so aussehen:
1. Begrüßung und warm werden
2. Bewertung des Gebrauchtwagens / Inzahlungnahme
3. Besprechung / Auswahl des Neuwagens inkl. Zusatzgeschäften wie Finanzdienstleistungen / Wartungsverträge
4. Durchgehen der Zahlen (Konditionen)
5. Abschluss
Wie gesagt, das soll der Vorschlag für einen grundsätzlichen Ablauf sein. Je nach Kunde und seiner Ausgangslage sind die einzelnen Punkte stärker oder schwächer zu gewichten und entsprechend zu behandeln.
BTW: Für die Preisrecherche gibt es in den USA bereits webbasierte Systeme, die mehrfach täglich das Netz scannen und die Fahrzeugdaten aller Börsen, Händlerwebseiten und Verlage sammeln. Damit können die einem bis in den PLZ-Bereich hinein sagen, welche Autos wie laufen, welche Standzeiten da sind und welche Preise regional gesetzt sind. Das erleichtert die Recherche erheblich und sorgt für eine ganz andere Qualität im Gebrauchtwagengeschäft. Beispiel ist vAuto.