Über viele Jahre hinweg war der Ausbildungsberuf des Kfz-Mechanikers bzw. Kfz-Mechatronikers der mit Abstand beliebteste Ausbildungsberuf in Deutschland. Ich kann nicht behaupten, dass sich Autohäuser auf diesem Luxus ausgeruht hätten, aber Fakt ist, dass die Situation heute total anders aussieht.
Als langjähriger Automann habe ich mit Erschrecken im Netz eine Statistik der beliebtesten Ausbildungsberufe 2011 entdeckt. So richtig kann ich noch immer nicht glauben, was da so aufgezählt wird:
Platz 1 Pferdepfleger / Pferdewirt
Platz 2 Friseur
Platz 3 Koch
Platz 4 Einzelhandel / Verkäufer
Platz 5 IT-Systemelektroniker
Platz 6 Industriekaufmann
Platz 7 Krankenpfleger
Platz 8 Tierpfleger
Platz 9 Arzthelferin
Platz 10 Gärtner
Quelle: www.bildungs-news.com
Von Platz 5 mal abgesehen sind das alles Berufe, die etwas mit Menschen, Tieren und Pflanzen zu tun haben. Ok, der Koch hat es mehr mit totem Fleisch zu tun, aber er hat ja noch Kollegen. 😉 Bleibt die Frage, wo denn unser Mechatroniker abgeblieben ist: auf Platz 12! Der neuen Zeit entsprechend wurden diese Daten aus Suchanfragen der großen, relevanten Suchmaschinen hochgerechnet und müssen also mit den tatsächlichen Abschlüssen von Ausbildungsverträgen nicht direkt zu tun haben (darin liegt unser Mechatroniker auf Platz 4).
Dennoch verrät uns diese Statistik einen Trend. Die Jugend von heute hat es wieder mit dem Begriff des „Sozialen“, was ja grundsätzlich zu begrüßen ist. Leider hilft das den Autohäusern erst einmal nicht weiter. Doch was muss getan werden, um auch die im Autohaus angebotenen Ausbildungsberufe attraktiver zu machen?
Mehr Geld?
Sicher, hier ist unsere wettbewerbsintensive Branche etwas ins Hintertreffen geraten und kann im Vergleich zur Industrie oder Großkonzernen nicht mithalten. Da können Sie als Unternehmer versuchen, was Sie wollen, es wird nicht reichen.
Mehr Urlaub?
Ich denke nicht, dass das ein Kriterium ist, das viele angehende Lehrlinge auf dem Schirm haben. Irgendwie habnen zwar alle gern Urlaub, aber wie hieß es zu meiner Ausbildungszeit immer: Lehrjahre sind keine Herrenjahre 😉
Was dann?
Wenn die jungen Erwachsenen so viel Wert auf den sozialen Aspekt legen, sollten wir hier zuerst ansetzen. Welches Image hat Ihr Betrieb in der Region? Wirkt Ihr Team zugänglich und sympathisch? Wie präsentieren Sie sich im Internet, der mit Abstand wichtigsten Informationsquelle für junge Leute? Wie gehen Sie im Betrieb miteinander um, steht Team nur auf dem Papier oder wird die Idee hinter diesem Terminus auch wirklich gelebt? Wo engagieren Sie sich als Betrieb und als Unternehmer (oder auch Ihre Mitarbeiter) vor Ort, z. B. in Sportvereinen, im Ehrenamt, im Lions Club oder auch als Sponsor sozialer oder sportlicher Projekte?! Kurzum, kommen Sie und Ihr Unternehmen authentisch rüber?
Erfolg macht sexy!
Dieser Gedanke sollte nicht unterschätzt werden und ist wohl so alt wie die Menschheit selbst! Sorgen Sie also dafür, dass Ihr Betrieb in allen relevanten Belangen erfolgreich ist und darüber auch vielfältig berichtet wird. Dazu kann die regelmäßige Teilnahme an relevanten Wettbewerben beitragen: die Mechatroniker-WM, der beste Ausbildungsbetrieb, der beste XY-Servicepartner, die meisten verkauften Autos in der Region, Auszeichnungen und Preise für gutes Marketing oder die beste Webseite usw., usw. Nutzen Sie Ihre Kontakte zu lokalen Medien, berichten Sie mit aussagefähigen Bildern oder Videos auf Ihrer Webseite und in den sozialen Medien darüber, geben Sie Interviews, lassen Sie sich und Ihren Betrieb in hellem Licht erscheinen.
Streichelzoo versus Autohaus?
Es geht nicht darum, aus einem Autohaus einen Streichelzoo zu machen oder hier Kuschelpädagogik zu bewerben. Aber berücksichtigen Sie, dass wir im Bereich der Ausbildung einen Käufermarkt haben, soll heißen, wir müssen die Geeignetsten gewinnen, nicht die Leute uns. Dementsprechend müssen wir rüberkommen und wirken. Doch vergessen Sie bei allem Enthusiasmus nicht, dass hinter Ihrer Eigenwerbung auch der richtige Inhalt stehen muss. Ansonsten bricht das Kartenhaus schneller zusammen, als Ihnen lieb sein kann. Außerdem wird Ihnen aufgefallen sein, dass alle oben angeführten Ideen und Maßnahmen nicht mal eben so umgesetzt werden können. Dazu gehört eine Strategie, die viel weiter greifen muss. Und schon kommen wir wieder vom Einen zum Anderen, vom Teilziel zum großen Ziel usw.
Alles hängt letzten Endes mit allem zusammen. Das ist eine große Herausforderung, aber ich bin mir sicher, dass es viele Betriebe gibt, die das schaffen können, die das Potential für den Erfolg haben.
Eigentlich möchte ich Politik hier raushalten, aber eines muss ich noch loswerden: Gegenwärtig ist die IG Metall im Rahmen ihrer Tarifforderungen mit der Vorstellung unterwegs, die Ausbildungsbetriebe zur Übernahme aller Azubis nach Abschluss der Ausbildung zu verpflichten.
Für sozialistische Experimente dieser Art habe ich kein Verständnis und das tut mir auch nicht leid. Ich möchte, dass Unternehmer in diesem Land größtmögliche Dispositionsfreiheit bei der Steuerung ihrer Unternehmen haben. Und die Vorstellung, dass einem Unternehmer von Dritten, die in seinem Unternehmen nicht für Entscheidungen geradestehen müssen, vorgeschrieben wird, wen er zu beschäftigen hat, kann nur von Menschen mit ziemlich beschränktem Weltbild erkoren worden sein. Und bevor ich dafür noch ganz andere Worte finde, höre ich für heute lieber auf. 😉
Hallo Herr Finke, Chapeau , der Artikel ist gut, weil er ein guter Ansatz ist, um die Aufmerksamkeit auf die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu lenken, die die automobile Gesellschaft gerade mal wieder grundstürzend umbaut. Da sind 1.Der demografische Wandel und 2.die Krise des Individualismus in Zeiten der Vernetzung und die Flucht der Menschen in die Vergangenheit.
Es ist eben nicht das Retro Design im Automobilbau ein Zeichen für Konservatismus, oder der Erfolg der Zeitschrift LANDLUST, sondern das war mir neu an ihrem Ranking zu sehen, die Begeisterung für den Beruf des Pferdepflegers!!! All dies zeigt m.E. eins auf: Dem mittelständischen Autohaus fehlt der gesellschaftliche Humus, um wirklich attraktiv für die Ausbilding zu sein. Sie machen gute Vorschläge um die Lust Mechatroniker zu werden zu steigern, die mit dem Berufswunsch „irgendwas mit Medien“ konkurriert und daher hat es ein Beruf eben schwer, der schwarze Hände, geringes Image und ein reines Männerimage verlangt. Trotz Postivbeispielen aus der Formel 1 wo schon mal aus 1 Automechanikerlehrling 1 siebefacher Weltmeister werden kann, und danach für idie Ehefrau mal im eigenen Gestüt den Pferdepfleger macht glaube ich, dass das Autohaus attraktiver für beide Geschlechter werden oder sich auf dem europäischen Bildungsmarkt nach geigneten Lehrlingen umschauen muss.
vielleicht stehen wir auch am Beginn einer Zeitenwende, wo das individuelle Automobil nur mehr im Freizeitbereich, auf Oldtimer und Youngtimerveranstaltungen eine magische Aura aufbauen kann und daher der Beruf eines Old- und Youngtimerpflegers interessant sein könnte. Das Autohaus wird dann von einer Kathedrale des blitzenden Deus ex machina zum Raum des Story telling und Museum der Automobilkultur, wo im Museumsshop dann noch ein Neuwagen verkauft werden, so wie es im museum ein Cafe und frischen Kuchen gibt. Das Pferd hat seinen Platz gefunden, das Auto wird seinen Platz ganz sicher bekommen, wenn die vernetzte Automobilität keinen individuellen Autobesitz mehr braucht sondern verkehrsmittelübergrieifende Flatrates eingeführt worden sind. Wir brauchen für diesen Weg Beziehungsmanager, wie Sie, den Mut das Autohaus neu zu denken und neue Geschäftsmodelle der Hersteller, die ihre Marke nicht länger an alten und unattraktiven und austauschbaren Metaphern entlang hangeln, sondern die Abenteuer der Kommunikation mit den Kunden erleben wollen, so wie eben heute Pferdeflüsterer und Reitgelegenheiten dem Städter echte Kommunikation mit dem Pferd als Teil der Natur inszenieren, muss Automobilität als Erzählung und Inszenierung spannender werden.
Hallo Herr Fuhr,
vielen Dank für Ihre ausführliche Reaktion. Es bereitet Freude, solche Ideen auszutauschen und einfach weiterzudenken. Momentan ist es auch noch nicht so wichtig, dass Konkretes dabei herauskommt. Ich glaube, es würde schon helfen, ergebnisoffen an das Thema heranzugehen. Innerhalb der Branche ist das aber naturgemäß schwierig, da (menschlich verständlich) sofort Grenzen eingezogen werden, die Bisheriges nicht infrage stellen sollen. Natürlich kommt beim Herumspinnen auch viel Beiwerk heraus, aber das ist dann wie mit einem guten Essen: Das Steak allein schmeckt nicht, doch zusammen mit einem guten Gemüse (oder was auch immer gut dazu passt) wird daraus ein kleines Gesamtkunstwerk, das Genuss vermittelt.
Beste Grüße,
Derek Finke