Sachen gibt’s, die gibt’s gar nicht. Zumindest wenn man so einigen offiziellen Verlautbarungen von Herstellern oder Händlerverbänden traut. Dennoch, ich habe gerade selbst erlebt, wie Service im Autohaus nicht laufen sollte.
Seit gut zwei Jahren bin ich Fahrer eines Fahrzeuges, dessen Hersteller damit wirbt, durch technischen Sachverstand einen Vorsprung zu haben. Ich glaube, das ist auch nicht unberechtigt. Dazu ist es ein hübsch anzusehendes Auto, das auch Fahrspaß vermittelt. Für mich also durchaus eine gute Wahl. Doch man erwirbt letzen Endes nicht nur ein Auto, sondern ein Paket aus Auto und Service. Denn spätestens alle 30.000 km oder alle zwei Jahre wird man fürsorglich daran erinnert, dass der Service bald fällig ist. Das ist bequem. Aber zu allem Glück für deutsche Autohäuser gibt es darüber hinaus noch das saisonale Geschäft mit Winterrädern. Somit ist quasi sichergestellt, dass die Kunden mindestens zweimal pro Jahr im Autohaus aufschlagen.
Räderwechsel online terminiert
Auch ich gehöre dazu. So zwei Wochen vor Ostern habe ich mit meinem Händler für den Nachmittag des Gründonnerstag einen Termin zum Räderwechsel vereinbart; über die Webseite, das ging sogar 😉 Da ich inzwischen schon weiß, dass dieser Betrieb meine eingelagerten Räder nicht reinigt, war ich vorher noch Auto waschen. Wenn ich das hier so schreibe, fällt mir ein, dass ich auch noch nie danach gefragt wurde, ob ich meine Räder ausgewuchtet haben möchte?!
[bctt tweet=“Grusel-Service zum Premiumpreis. #Automarketing #Autoservice“]
Also, ich war pünktlich da und es wurde mir eröffnet, dass man mindestens eine Stunde Zeit benötigt. Eine Stunde zum Tauschen von vier Rädern, so lange brauche ich zuhause auch, aber dann mit Wagenheber und ohne Profi-Werkzeug. Was machen die da so lange? Leider bietet das Autohaus in seiner Mini-Wartezone kein WLAN an, so habe ich mich ein Grundstück weiter in ein amerikanisches Schnellrestaurant gesetzt, denn die haben so etwas (obwohl da keiner was von „Premium“ erzählt und es auch nicht aussieht wie in Flugzeughangars).
Nach einer Stunde war mein Wagen noch immer falsch bereift
Nach einer Stunde bin ich wieder rüber ins Autohaus und staunte nicht schlecht, als mein gerade aus der Werkstatt rollendes Auto noch immer mit Winterrädern bestückt war. Mein Blick schien dem Mechaniker verraten zu haben, was ich gerade dachte. Denn er schickte mich schnell rein zum Serviceleiter, damit der mir das erklären möge.
Dieser führte mich durch diverse Katakomben hin zu meinen in einem Rollregal stehenden Sommerrädern und eröffnete mir, dass man an einem Reifen einen bis ins Gewebe reichenden Einschnitt entdeckt habe, mit dem man mich nicht mehr auf die Straße lassen möchte. Na da habe ich mich natürlich gefreut, dass mein Händler derart um meine Sicherheit besorgt ist (keine Ironie!). Doch meine Freude währte nur kurz, denn auf meine Frage, warum sie das denn erst heute feststellen und ich darauf auch noch eine Stunde lang warten musste, gab es eine aus meiner Sicht reichlich inkompetente Antwort. Das liege daran, so der Serviceleiter, dass man neuerdings die Räder nicht mehr im eigenen Haus einlagern würde (weil die Berufsgenossenschaft das nicht mehr will??), sondern sonstwo im Lager eines externen Dienstleisters. Und da die Räder just-in-time angeliefert werden, konnte man halt nicht früher nachsehen.
Inkompetenz als Ausrede
Mal im Ernst: Warum kann man eine solche Sichtprüfung nicht vornehmen, wenn die Sommerräder im Herbst abmontiert werden? Sicher, ich würde mich nicht gleich für Ersatz entscheiden, aber das Autohaus könnte doch prüfen und gegebenenfalls feststellen, ein Foto oder ein Video davon machen (und mir den Link dafür zusenden, das wäre dann mit Wow-Effekt) und mir gleich ungefragt eine Empfehlung und somit ein Angebot unterbreiten. Jeder Betrieb hat doch auch Saure-Gurken-Zeiten, in denen die Werkstattauslastung miserabel ist. Wenn der Serviceleiter pfiffig ist, bietet er mir an, diese Sache just in dieser Zeit zu erledigen und verbindet das eventuell mit einem Sonderpreis (à la bezahlen im Januar, bekommen im April)
Aber zurück zu meinem Erlebnis: Ich habe all meinen Frust unterdrückt und ihn, den Serviceleiter, gebeten, er möge mir doch bitte ein Angebot für neue Reifen per E-Mail zuschicken. Das nahm er freudig zur Kenntnis und wusste sogar schon, dass diese Reifen zur Zeit auch lieferbar sind. Nun denn, ich zog reichlich unzufrieden wieder von dannen und war gespannt auf das Angebot.
Wie schon gesagt, das war am Gründonnerstag. Heute haben wir dreieinhalb Wochen später und ich habe nie wieder etwas von diesem Autohaus gehört. Sie haben meine verfügbaren Telefonnummern inkl. Handy, meine E-Mail-Adresse, sie wissen meine Firmenanschrift und meine private Adresse. Das sind mindestens fünf Kontaktdaten und dennoch bekommen sie es nicht hin. Was soll ich dazu noch sagen? Grusel-Service vielleicht. Dabei wäre es so einfach gewesen Geld zu verdienen und Kunden zufrieden zu stellen.
BTW: Eigentlich bin ich dort nur noch Kunde, weil die so günstig liegen. Alle anderen Servicebetriebe dieser Marke sind für mich nur auf Umwegen zu erreichen. Aber wie’s aussieht, werde ich jetzt wohl zum Werkstattwechsel gezwungen.
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Leider kein Einzelfall. Überlastete Mitarbeiter sollen sich auch noch selbst um die nicht stimmigen Prozesse kümmern? Das funktioniert in Räder-Wechsel-Zeiten sowieso nie! Übrigens: Die Räder-Wechsel-Wochen hat man als sehr preiswert beworben, damit man weitere Arbeiten am Fahrzeug anbieten kann. Das geht aber gar nicht, wenn niemand Zeit hat sich das Auto anzusehen und auch niemand Zeit hat ein Angebot zu machen.
Wie sieht die Lösung aus? Den Durchlauf der Räder-Fahrzeuge muss doch nicht der Serviceberater organisieren. Das können Nachwuchskräfte machen, die damit den dringend erforderlichen Kundenkontakt lernen können. Der Serviceberater sollte aber in dieser Zeit am Fahrzeug den Kurzcheck machen und erforderliche Arbeiten danach VERKAUFEN.
Erst dann macht der Aufwand mit den geringen Umsätzen in der Räder-Wechsel-Zeit auch Sinn!
Hallo Herr Seeger,
Sie haben Recht und das klingt alles so einfach. Aber Prozesse zu organisieren und darauf zu achten, dass sie auch eingahalten werden, ist ohne Frage eine große Herausforderung. gerade im Autohaus mit seinen diversen Geschäftsfeldern unter einem Dach. Es ist eben Arbeit mit Menschen, nicht mit Autos. Und die funktionieren nicht, sondern wollen überzeugt und geführt werden. Von daher kann ich durchaus verstehen, dass so etwas passiert, aber akzeptieren kann ich es trotzdem nicht. Denn am Ende will der Betrieb das gleiche Geld wie alle anderen haben. Und das passt dann nicht.