Im Post von Montag sprach ich vom Herdentrieb im Gebrauchtwagengeschäft. Gemeint war die Situation auf vielen (nicht allen!) deutschen Fabrikatshändlerhöfen. Dort werden vergleichbare Fahrzeuge mit vergleichbaren Finanzprodukten im Rahmen von vergleichbaren Gebrauchtwagen-Konzepten inklusive oder auch exklusive vergleichbarer Serviceleistungen angeboten. Ich greife den als Beispiel angeführten Händler XY hier wieder auf. Er überlegt sich, aus der „Herde“ auszubrechen und künftig anders im Markt aufzutreten. Was kann er tun?

Differenzierungsstrategie im Gebrauchtwagengeschäft

Differenzierung wäre eine Chance, sich vom Wettbewerb abzuheben. In der Regel baut eine solche Strategie darauf, sich durch andere Leistungen der direkten Vergleichbarkeit mit dem Wettbewerb zu entziehen. Es geht also nicht so sehr darum, besser oder billiger als die anderen zu sein, sondern vielmehr positiv anders.
Bezogen auf unseren Händler XY könnte dies heißen, dass er z. B. sein Angebotsportfolio erweitert (z. B. auch Einsteigerfahrzeuge anbietet) oder einschränkt (z. B. Spezialisierung auf bestimmte Kundenbedarfe), das Angebot an zusätzlichen Dienstleistungen optimiert (z. B. im Bereich Finanzdienstleistungen / Versicherungen) oder dem Kunden ein ganz besonderes Erlebnis bei Beratung und Kauf bietet.

Das ist mit „schwarzem Schaf“ gemeint, sich also in einem positiven Sinne abzusetzen. Sich abzuheben von der breiten Masse der Wettbewerber und dem Kunden etwas anderes, etwas besonderes bieten. Etwas, das der Wettbewerb nicht hat, nicht haben kann oder nur mit Mühe kopieren kann: Die Nische anvisieren, die alle anderen übersehen.

Nischenpolitik ist nicht der einzige gangbare Weg

Natürlich sollte man sich darüber im Klaren sein, dass die Konzentration auf eine Nische wiederum andere Marktteilnehmer, die nicht zu dieser Nische gehören, ausschließt. Das ist aber solange kein Problem, wie die Nische groß und ertragreich genug für den Nischenanbieter ist und sicher dieser immer wider den ständigen Neu- und Weiterentwicklungen im Markt anpasst.

Zudem schlafen die Wettbewerber für gewöhnlich nicht auf Bäumen, sodass man immer davon ausgehen muss, Nachahmer herauszufordern (wenn sich der eigene Erfolg einstellt). Das ist ein ganz normaler Vorgang. Doch genauso normal sollte es sein, ich wiederhole mich hier, seine eigene Strategie immer wieder zu überprüfen, kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls anzupassen. Das ist ein immer währender Veränderungsprozess, nichts ist in Stein gemeißelt. Wir leben in sehr wechselhaften Zeiten, die Zyklen der Veränderungen werden immer kürzer. Ich gehe davon aus, dass diese Schnelllebigkeit noch zunehmen wird.

Bringen Sie auf jeden Fall eine Kultur der Emotion in Ihre Betriebe, denn das ist ein nahezu nicht kopierbarer Wettbewerbsfaktor.

Das Internet ernster nehmen

Das Internet mit seinen immer ausgefeilteren Möglichkeiten spielt eine immer wichtigere Rolle. Der Markt wird immer transparenter, Kunden werden es künftig noch einfacher haben, Angebote miteinander zu vergleichen. Der Markt, das ist für den Gebrauchtwagenhändler von heute und noch vielmehr von morgen, mindestens Deutschland. Und wenn sich die Europäische Union statt auf das Retten von Staaten wieder auf das Gestalten von Politik konzentriert, könnte Europa zum wirklichen Markt auch für Gebrauchtwagen werden. Darauf sollten Händler zumindest vorbereitet sein (das gilt im Übrigen auch für andere Leistungen und Produkte im Automobilhandel).

Erste Branchen präsentieren Online sehr hochwertig

Andere Branchen zeigen bereits heute, was geht. So stand ein Anbieter hochwertiger und hochpreisiger Uhren, Kugelschreiber und Füllfederhalter in Japan vor der Herausforderung, ohne ein passendes Ladengeschäft in Tokio auskommen zu müssen (leider komme ich nicht mehr auf den Namen :-(. Grund waren die exorbitant teuren Mieten für Ladenlokale. Was wurde gemacht? Ein Onlineshop wurde entwickelt, der bereits heute Maßstäbe setzt. Die Produkte werden derart realitätsnah präsentiert (vielleicht sogar besser), dass Kunden gar keinen echten Laden mehr brauchen. Hochauflösende Fotos, umfassend beschreibende Videos, telefonische Unterstützung und Beratung während des Kaufprozesses durch jederzeit anklickbare (und auch funktionierende) Callback-Buttons. Dazu kommen prompter Lieferservice und großzügige Umtauschregelungen bei Nichtgefallen (á la Amazon).

Warum ich das erzähle? Nun, solche Ideen werden den Markt aufwirbeln und neu sortieren. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass man so etwas auch mit Autos und Autozubehör machen kann. Breitbandverbindungen ermöglichen enorme Up- und Downloadgeschwindigkeiten bzw. ein superschnelles Streaming von Videos. Wenn die dort bereitgestellten Bilder und Videos professionell gemacht werden, werden Kunden eine tolle erste Erfahrung mit dem Produkt machen können. Damit werden Sie motiviert, direkt online zu kaufen, telefonische Unterstützung zu ordern oder einen Termin im echten Leben im Autohaus zu vereinbaren. Insofern wird das Internet zusätzliche Kunden zu jenen Händlern bringen, die sich online professionell präsentieren und mit Leidenschaft engagieren, sei es auf der eigenen Webseite oder in sozialen Medien oder wo auch immer.

Zurück auf den Boden der Tatsachen

Um mal wieder in die Gegenwart zurückzukehren, kann ich nur empfehlen, sich bereits heute deutlich intensiver mit der eigenen Präsenz im Web zu beschäftigen. Damit ist nicht nur die eigene Webseite gemeint. Vielmehr geht es darum, sich durch geeignete Ideen und Maßnahmen in der Netzgemeinde eine hervorragende Reputation zu verschaffen, die das Autohaus dort sicher verankert. Eines ist sicher: Von allein geht das nicht und durch gute Leistungen im echten Leben allein auch nicht. Es braucht mehr und spezielle Konzentration auf dieses Medium und seine Chancen und Risiken.

Im nächsten Post gehe ich auf die oben geäußerte Idee ein, das Gebrauchtwagen-Angebot nach unten zu erweitern. Das wird dann wieder etwas handfester 😉

Derek Finke

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