Neue Mobilitätsangebote, wie Carsharing, sind in aller Munde. Auch immer mehr Autohersteller investieren in diesen Bereich und pilotieren Konzepte: Gibt es also ein tragfähiges Carsharing Geschäftsmodell?

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Volkswagen macht es allein (Quicar), Peugeot macht es allein (Mu by Peugeot), Citroen macht es allein (Multicity), Daimler/Smart macht es mit der Europcar Autovermietung (Car2Go), BMW macht es mit der Sixt Autovermietung (DriveNow). Und die Deutsche Bahn ist mit Flinkster schon so weit, aktiv Autohäuser in ihr Konzept einzubinden. Jenseits der Betreiber sind die Konzepte auch inhaltlich verschieden. Gemeinsam ist aber allen, dass Menschen auf einfachem und sehr preiswertem Weg den Zugang zu einem nicht Ihnen gehörenden Auto erhalten.

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Die Erwartungshaltung in den Konzernzentralen ist teilweise enorm hoch, aus meiner Sicht aber auch überzogen. Das kann Taktik oder schlichtweg Unkenntnis der Marktsituation sein, wer weiß das schon. Ich bin davon überzeugt, dass das Testen des Marktes erforderlich ist, um die Chancen solcher Ideen zu überprüfen.

Ich zweifele am Carsharing Geschäftsmodell

Meine diversen Berufsjahre im Autovermietgeschäft lassen mich daran zweifeln, dass mit Carsharing nach heute gängigen Konzepten tatsächlich jemals Geld verdient werden kann. Warum?

Beschaffung

Autovermieter leben in erster Linie davon, dass sie ihre Flotte in relativ kurzen Zeiträumen immer wieder umschlagen. Das hat zwei Gründe: Der eher unwichtigere ist der Umstand, dass dadurch kaum Wartungs- und Reparaturkosten anfallen. Der viel wichtigere ist aber, dass für jede neue Fahrzeugzulassung seitens der Hersteller Werbekostenzuschüsse (WKZ) in bemerkenswerter Höhe gezahlt werden. Ergo: Flotte regelmäßig nach der Mindesthaltepflicht tauschen bringt bares Geld. Mit den Standardprodukten frei ab Fließband ist das auch solange kein Problem, wie das Remarketing gesichert ist.

DriveNow-Logo

Beim Carsharing ist das nicht ganz so einfach. Die Fahrzeuge sind heute mit zusätzlichem technischen Equipment ausgestattet (schlüsselloses Zugangssystem plus zusätzliche Software), das nicht so einfach von Auto A in neues Auto B umgebaut werden kann. Folglich verlängert sich die Haltedauer der Fahrzeuge, womit die Haltekosten steigen, da weniger WKZ fließen und Wartungs- und Reparaturkosten deutlich höher ausfallen.

Tarife und Auslastung

Die derzeit aufgerufenen Tarife mögen für Kunden attraktiv sein, vielleicht sind sie auch notwendig, um sich im Markt die nötige Aufmerksamkeit zu verschaffen. Wenn aber meine Kostenbasis über oder auf Augenhöhe mit dem Wettbewerb (Autovermieter) liegt, kann sich das nur bei einer höheren Auslastung der Fahrzeuge rechnen. Aber ich behaupte mal, dass die Anbieter im Carsharing im Moment nicht mal ansatzweise Auslastungswerte durchschnittlicher Autovermieter erreichen.

Autovermieter lasten ihre Flotten zu großen Teilen mit Langzeitmieten und durch Rahmenabkommen mit Firmen aus. Bei letzterem werden u. a. Mindestabnahmemengen für Miettage vereinbart. Dadurch wird das Geschäft planbarer für den Anbieter, das senkt die Kosten und sichert Erlöse. Carsharer können das nicht oder nur bedingt. Tun sie es doch, reden wir eigentlich von Autovermietung (siehe Quicar Plus). Aber ganz unabhängig von Bezeichnungen muss sich das erst einmal etablieren.

Logistik

Autovermieter arbeiten mit festen Stationen. Seien es selbst betriebene oder solche, die von Dritten in ihrem Auftrag betrieben werden. Das sind feste Anlaufstellen für Kunden, deren Standorte mit Bedacht ausgewählt werden. Diese Stationen sind auch so besetzt, dass Tanken, Waschen und kleinere Servicearbeiten an den Fahrzeugen sofort erledigt werden können.
Heutiges Carsharing unterscheidet sich u. a. dadurch, dass die einen mit festen Stationen bzw. Abhol-/Rückgabepunkten arbeiten, bei den anderen können die Kunden die Fahrzeuge abstellen, wo sie wollen (plus Kombination aus beidem). Der logistische Aufwand für die Sicherung der Qualität ist bei den Carsharern sicher höher, und damit auch die Kosten.
Die Idee hinter Carsharing impliziert, dass deutlich mehr Kunden pro Tag ein Fahrzeug nutzen, als bei der Autovermietung. Um die Sauberkeit und Schadenfreiheit sicherzustellen, ist auch dafür deutlich mehr Aufwand zu betreiben, als im klassischen Vermietgeschäft.

Marketing

Es mag trendy sein, sich ein Auto zu teilen. Momentan macht so etwas wohl eher im urbanen Raum Sinn, da die Haltekosten für ein eigenes Fahrzeug hier höher liegen und der Wettbewerb durch öffentlichen Personen- und Nahverkehr den Verzicht auf ein eigenes Auto auch leicht macht. Marketing muss also sehr zielgerichtet laufen, um die richtige Klientel zu erreichen. Frei nach dem Motto: Wir sind zwar für alle da, konzentrieren uns aber auf wenige. Das ist nach meinem Empfinden ein typischer Fall für die sozialen, mindestens aber die Online-Medien. Um aber Markenbekanntheit zu erzielen, braucht man auch den landesweiten Auftritt. Das kostet viel, sehr viel Geld. Nicht leichter wird das Ganze durch den Umstand, dass die Hersteller den Markt mit ihren separierten Angeboten zerspilittern. Jeder betreibt also einen höllischen Aufwand, statt durch ein gemeinsames Konzept diesen zu teilen. Sicher, damit könnte man sich nicht als der alleinige Platzhirsch im Blätterwald positionieren, aber eine Überlegung könnte es doch wert sein.

Autovermieter haben es da einfacher: Sie sind bereits im Markt bekannt und bieten eben nicht nur Hersteller A-Produkte, sondern für den anderen Bedarf auch Hersteller B, C usw. Das macht sie attraktiver und senkt die Kosten.

Rahmenbedingungen

Menschen und Märkte ändern sich meist nicht revolutionär, sondern eher evolutionär. Soll heißen: Es braucht Zeit, bis Carsharing in der Breite des Marktes akzeptiert und genutzt wird. Die Anlaufkurve verläuft flach und diese Zeit kostet Geld.
Dazu kommt, dass vor allem in Deutschland seitens der Politik noch keine geeigneten Rahmenbedingungen geschaffen wurden. Ich könnte auch sagen: Ein eigenes Auto zu besitzen, ist schlichtweg noch zu billig! Andererseits bedeutet es, dass zu hohe Kosten für ein eigenes Auto den klassischen Markt für Hersteller und Autohäuder kaputt machen würde. Das möchte selbstredend niemand aus der Branche. Insofern steht man sich ein Stück weit auch selbst im Weg.

Fazit

Ich glaube, Carsharing ganz allgemein wird auch künftig ein Bestandteil der Mobilität von Menschen sein. Unter Annahme der heutigen Bedingungen glaube ich aber nicht an einen wirtschaftlichen Erfolg der Herstellerkonzepte. Erfolg sehe ich eher bei den Autovermietern, wenn diese ihre tradierten Geschäftsmodelle mit den Vorteilen des Carsharing kombinieren. Sie haben die nötige Erfahrung, sie haben die Kunden, sie sind als Mobilitätsexperten im Markt anerkannt. Hersteller sollten besser beim Herstellen bleiben und sich in solchen Dingen mit den Fachleuten zusammentun. BMW und Daimler gehen ja bereits diesen Weg, aber auch hier muss sicher noch viel optimiert werden. Möglicherweise wird erst das E-Auto den nötigen Schwung in solche Konzepte bringen.

Weiterführende Artikel:
Blog Automobile-Trends.de > Carsharing, Bike-sharing und nun Taxi-sharing
Carsharing-Blog > Interview mit Daimler-Chef Dieter Zetsche zum Thema Charsharing
Autohaus Online > Privates Auto kein Auslaufmodell

Derek Finke