Leadmanagement im Autohaus ist nach wie vor eine Herausforderung. Dieser erste Satz stand schon an ebendieser Stelle, als dieser Artikel im Juni 2011 erstmals von mir veröffentlicht wurde. Damals brachte mich ein Beitrag in der Auto, Motor & Sport (Heft 9/2011) dazu, über Lead Management im Autohaus zu schreiben. Auf Seite 138 wurde dort über einen Händlertest und die Qualität vom Leadmanagement im Autohaus berichtet. Dabei wurden Interessentenanfragen per E-Mail an Autohändler geschickt. Danach wurde ermittelt, wie lange es dauert, bis Antworten kommen bzw. in welcher Qualität diese Reaktionen geschehen.

Kurz gesagt: Die Ergebnisse waren ernüchternd für das Leadmanagement im Autohandel. Viele Anfragen blieben gänzlich unbeantwortet; diejenigen, die beantwortet wurden, zogen zu oft keine Folgeschritte nach sich; Probefahrten wurden nur unzureichend ins Spiel gebracht; das Eingehen auf das jeweilige Kundenanliegen fand nur stellenweise statt. Wie gesagt: Das war im Jahre 2011!

Seitdem hat sich eine Menge getan. Kunden sind heute (im Jahre 2022) im Modus „Jetzt, Hier & Sofort“ unterwegs. Die Anspruchshaltung an Reaktionsgeschwindigkeit und -qualität ist weiter gestiegen. Getriggert übrigens durch die nicht enden wollenden Optimierungsideen von Firmen wie Amazon oder Gorillas. Anders gesagt: Solche Anbieter verwöhnen Kunden mit Bequemlichkeiten und Sicherheit. Und legen damit die Latte für Autohändler ebenfalls höher. Denn die Kunden übertragen diese Erfahrungen als Anspruch an an andere Anbieter im Markt.

Doch auch im Autohandel ist die Welt heute eine andere. Marketing und Vertrieb rücken näher zusammen – auch wenn sich das in den Strukturen der meisten Autohändler noch nicht widerspiegelt. Die Vielfalt an Marketing- und Absatzkanälen wird zunehmend unübersichtlich. Kanäle können nicht mehr isoliert betrachtet werden, sondern müssen miteinander verknüpft werden. Omnichannel ist das neue Schlagwort. Das impliziert auch die Notwendigkeit den Onlinevertriebs von Fahrzeugen. Nur Leads zu produzieren war gestern.

Leadmanagement im Autohaus wird damit zunehmend zu einer kritischen Kenngröße. Mitarbeiter müssen verstehen, warum und was hierbei wichtig ist. Strukturen und Systeme müssen ihnen die Arbeit damit erleichtern. Professionalität wird damit zum zunehmenden Wettbewerbsfaktor (wer sich jetzt fragt, ob das nicht schon immer so war, der möge sich auch fragen, warum so viele unprofessionelle Unternehmen nach wie vor überleben).

 

Vorab etwas Grundsätzliches: Kaum ein Kunde wird mit dem Begriff „Leadmanagement im Autohaus“ etwas anfangen können. Warum auch? Schließlich interessieren sich Kunden für ihren eigenen Vorteil. Vermutlich fände auch niemand toll, statt als Mensch oder Kunde als „Lead“ betitelt zu werden. Na ja… Doch was denken oder fühlen Kunden, wenn sie eine Anfrage wegen eines Autos gestellt haben? Dafür hilft es, sich insgesamt mit der Customer Journey eines Autokäufers auseinanderzusetzen. Das macht man nicht mal nebenbei. Dafür braucht man Zeit und ein paar Grundlagen. Falls du in dieser Richtung Interesse hast – ich biete dafür Workshops an. Meine Kontaktdaten stehen übrigens ganz oben… 😉

 

Mehr als eine Anfrage wird gestellt

Üblichweweise stellen Interessenten mehrere Anfragen zeitgleich. Warum ist das so? Nun, viele Menschen nehmen sich bewusst Zeit für die Recherche. Andere wollen nur mal „schnell“ schauen. Beiden Typen gemein ist jedoch, dass die Börsen, Plattformen und Händlerwebseiten meistens mehrere bis viele Ergebnisse auswerfen. Und schon kommt man aus dem Scrollen und Bilder ansehen nicht mehr heraus. Zur Sicherheit werden dann mehrere Anfragen gestellt. Auch Interessenten wollen also mehrere Eisen im Feuer haben.

Das führt dazu, dass Interessenten oft gar nicht mehr wissen, was sie alles angefragt haben. Die Quote der Vergesslichkeit steigt rasant mit jeder Minute/Stunde an, die vergeht. Autohäuser, die sich also umgehend beim Anfragenden melden, haben gute Chancen, auf einen extrem heißen Lead zu stoßen. Wer dagegen erst Stunden oder sogar Tage später (ja, das gibt es immer noch) reagiert, wird eher als Spammer wahrgenommen.

Die Qualität der Fragen offenbart die Ernsthaftigkeit der Anfrage

Wir alle kennen die „Was ist letzte Preis“-Anfrage, oder? Auch die gibt es heute noch zahlreich. Doch ganz ehrlich: Wie groß wird das Interesse des Kunden an einem individuellen Gebrauchtwagen sein, wenn das die einzige Frage des Interessenten ist? So ein Auto kann hier und da Gebrauchsspuren haben, auch wenn es erst ein Jahr alt ist. Wäre das für einen Menschen mit ernsthaftem Interesse nicht eher eine Frage, die sich stellt? Oder Fragen zum technischen Zustand? Oder zu Extras, die eventuell vorhanden, jedoch nicht aufgeführt wurden?

Diese Liste ließe sich fortsetzen. Mir geht es hier darum, einen Unterschied zwischen Larifari und Seriösität auszumachen und entsprechend zu handeln. Leadmanagement im Autohaus ist also auch eine Frage des Managens von Prioritäten. Anfragen, die durch Inhalt und Stil ernsthaftes Interesse annehmen lassen, sollten schneller und ausführlicher beantwortet werden. Alle anderen Anfragen sollten (nicht vom Verkäufer!) qualifiziert werden, um das wirkliche Kaufinteresse festzustellen.

Wer versprüht das Verwöhnaroma?

Machen wir uns nichts vor: Immer mehr definieren äußere Umstände, wie Menschen auf die Autobranche blicken. Andere Branchen, andere Anbieter setzen Standards – z. B. der eCommerce oder Lieferdienste. Kunden machen damit gute Erfahrungen. Dann legen sie denselben Maßstab auch an uns und unser Vorgehen oder Verhalten an. Das kann man unfair finden oder auch blöd. Doch das ist die Realität.

Diese Realtität definiert, ob wir Geschäft machen oder nicht. Als Konsequenz müssen wir also das Tempo mindestens mitgehen. Auch deswegen, weil im Autobusiness inzwischen mehr und mehr Start-ups & Co. versuchen, diese Standards zu setzen. Sie alle suchen nach den Schwachstellen der klassischen Autohäuser. Einmal entedeckt, versuchen sie, diese Lücken mit Verwöhnaroma zu füllen. Verpackt wird das dann in Marketingbotschaften á la „Wir revolutionieren den Autohandel“.

Was tun, sprach Zeus?

Das alles muss uns im Autohandel nicht gefallen – doch es ist, wie es ist. Also: Ran an die Buletten und das Lead Management im Autohaus professionalisieren! Los geht’s mit folgenden Fragen:

  1. Was wollen die Kunden?
  2. Was erwarten die Kunden
  3. Was beeinflusst meine Kunden und mich heute, morgen und übermorgen (3-5 Jahre)?
  4. Was kann ich heute bereits leisten?
  5. Was davon erzeugt für meine Kunden (und mich) kurzfristig positive Effekte?
  6. Was müsste ich morgen und übermorgen leisten?
  7. Welche Ressourcen – menschliche, finanzielle und technische – brauche ich dafür?
  8. Loslegen!

Eine Lösung: Business Development Center (BDC)

Diese sogenannten BDCs qualifizieren eingehende Leads vor und trennen somit die Spreu vom Weizen. Die Verkäufer erhalten nach dem Prozess der Qualifikation zwar weniger Leads, allerdings ist davon auszugehen, dass diese dann auch kaufen wollen. Die Verkäufer können sich auf Ihren Job konzentrieren und haben mit „Was ist letzte Preis“ nichts mehr zu tun.

Ein BDC kann in verschiedenen Stufen betrieben werden. Dabei kommt es weniger auf die Menge von Mitarbeitern im BDC an – ein oft anzutreffender Grund, dass Autohändler so etwas nicht einrichten. „Das ist ja nur was für die Großen“ – ein Argument das eher von Ahnungslosigkeit zeugt. Denn ein BDC kann in einem kleinen Autohaus auch nur aus einem oder zwei Mitarbeitern bestehen.

Das, was zählt, sind zum einen die Menge der Anfragen – korrelierend zur Menge angebotener Fahrzeuge. Zum anderen jedoch ist es vor allem die Qualität des folgenden Prozesses der Qualifikation. Die Qualität wird getrieben durch die Reaktionsgeschwindigkeit, das Eingehen auf die vom Interessenten geäußerten Fragen, die Qualität dieser Antworten (inhaltlich und stilistisch) sowie jene vom Autohaus gestellten Fragen, die den Folgeprozess für Kunden und Verkäufer deutlich vereinfachen.

BDC in zweiter Ausbaustufe auch verkäuferisch unterwegs

Leadmanagement im Autohaus kann auch bedeuten, den Onlineverkauf mit ins BDC zu integrieren. Das geht ein Stück weit über das reine Qualifizieren von Kunden hinaus. Denn hier wird direkt per Telefon, Video, Chat oder E-Mail verkauft. Dafür bedarf es Mitarbeiter, die neben dem Kümmerer-Gen auch jenes von Verkäufern besitzen. Dazu gehören jedoch auch Kenntnisse des Verkaufsprozesses und der dafür nötigen Systeme.

Macht das Sinn? Ich meine JA. Denn warum sollte ich einen Kunden erst stunden- oder tagelang mit Qualifizierung bei Laune halten, wenn ich ihm auch gleich und direkt ein Auto verkaufen kann. Es reduziert Zeitaufwand auf beiden Seiten. Und wir haben ja schon ganz oben gelernt, dass der Schnellere in aller Regel zum Zuge kommt.

Kooperationen zwischen Autohäusern können helfen

Wer dennoch glaubt, dass das für seine Betriebsgröße nicht funktioniert, kann sich mit anderen zusammentun. Warum sollten nicht mehrere (kleinere) Autohäuser gemeinsam ein BDC betreiben? Mit dem Stand heutiger Technik können das auch Autohäuser aus verschiedenen Regionen sein. Auch das BDC selbst kann z. B. Remote betrieben werden. Es ist dabei völlig egal, wo die Mitarbeiter sitzen. Wichtig ist lediglkich, dass Systeme und Prozesse abgestimmt und trainiert werden. Alles ist möglich, es man muss es nur tun.

Lead Management im Autohaus bedeutet heute also deutlich mehr als noch 2011. Doch es lohnt sich, seine Abläufe und Angebote auf die Kunden und deren Bedarf genauer abzustimmen. So haben auch kleinere Autohäuser eine Chance, den Großen etwas entgegenzusetzen. Wer bereit ist, Scheuklappen abzulegen, seinen Blick zu weiten und neue Möglichkeiten offen anzugehen, wird gewinnen.

 

Wer schreibt hier? Derek Finke ist als Marketer, Strategist und Transformer in der Automobilbranche unterwegs. Derek war als Kfz-Mechaniker, Serviceberater, Autoverkäufer, Verkaufsleiter, Trainer, Geschäftsführer, Projektmanager, Strategie- & Marketingberater sowie als Dozent für Autohäuser, Autovermietung, Händlerverband, Digitalagentur, Fachschule sowie eine Strategie- und Marketingberatung tätig. Derek arbeitet nach dem Motto: Menschen machen gern Geschäft mit Menschen, die sie mögen und denen sie vertrauen!