Umweltbonus und Elektromobilität – es schüttelt mich gerade. Als bekennender Anhänger der Marktwirtschaft sind mir staatliche Eingriffe in die Wirtschaft ein Graus. Man schaue sich allein die handelnden Personen an, wenn es darum geht, Subventionen zu beschließen und zu verteilen: Selbstverliebte Politiker mit dem Hang, fremdes Geld allzu leichtfertig zu verschwenden, den nächsten Wahltermin fest im Blick, einerseits; Lobbyisten, nicht selten ehemalige Politiker, die eine Milliarden von Euros verdienende Branche vertreten, andererseits. Eigennutz-Streben soweit das Auge reicht – natürlich alles zum Wohle des Wahlpacks.

Elektromobilität – wenn Tagträumer regieren

Im 2016, dem Jahr des Umweltbonus für Elektromobilität, fielen gleich mehrere tragische Ereignisse zusammen. Zum einen hat die Bundesregierung in völliger Unkenntnis der Sachlage vor geraumer Zeit das Ziel ausgegeben, dass im Jahr 2020 eine Million E-Autos auf deutschen Straßen zu rollen haben. Und merkt nun, dass ihr am Konferenztisch entworfener Blütentraum kurz vor dem Platzen ist.

Zum anderen hat die deutsche Autoindustrie auf diesem Geschäftsfeld so ihre Probleme: Keine oder kaum geeignete Fahrzeuge und einen kalifornischen Platzhirsch, der sie sowohl im Markt, als auch in den Medien immer wieder geschickt an die Wand spielt.

Umweltbonus ist, wenn der Staat die Bürger veralbert

Nun wurden wir Bürgerlein mit allerlei begleitendem Getöse darauf vorbereitet, dass es absolut notwendig sei, hier mit reichlich vorhandenem Steuergeld nachzuhelfen. Denn schließlich machen das auch andere Länder.

Merke: Nur weil der Kevin dahinten die Sandy haut, muss ich jetzt auch die Mandy verkloppen. Sonst verliere ich ja den Anschluss. Mit derlei sinnstiftenden Thesen, unterfüttert von viel fragwürdigem Umweltgedöns und CO2-Einsparungserwartungsankündigungen, wird das Stimmvieh schon die Klappe halten. Und außerdem gibt die Autoindustrie ja die Hälfte dazu. Doch der Bonbon kommt zum Schluss: Diesen Spinner und Gernegroß mit seinen teuren Karren da aus den USA halten wir mal schön außen vor.

Ab geht’s vor die Presse und die Bürger sehen uns im Handlungsmodus. Vergessen sind danach all die Fragen nach der Herkunft seltener Erden, Arbeits- und Umweltbedingungen in asiatischen Batteriewerken oder deutschem Strommix. Wir warten statt dessen auf die nächste Sau, die durch’s Dorf getrieben wird.

Elektromobilität kommt – auch ohne Umweltbonus

Doch wollen wir einen Moment lang realistisch sein. Ich bin davon überzeugt, dass die E-Mobilität kommt. Und aus eigener ErFAHRung weiß ich, dass sie viel Fahrfreude bereitet. Ich glaube aber nicht, dass die heute Verbreitung findenden Konzepte dafür der richtige Weg sind. Autos mit schweren Batterien, die zu wenig leisten. Autos mit benzingetriebenem Range-Extender, die in sich schon ein Widerspruch sind. Hybride, extrem aufwendige und teure Technik. Eine Ladeinfrastruktur, die den Namen (noch) nicht verdient (allein die Ladesteckervielfalt ist ein Witz). An all das glaube ich nicht. Und dafür einen Umweltbonus zahlen?

Man darf die Motorisierung nicht nur negativ sehen; sie hat auch positive Seiten.
Denken Sie nur an den Rückgang der Pferdediebstähle! Gary Cooper, Schauspieler

Vielmehr sehe ich die Brennstoffzelle als derzeit vielversprechendste Technologie an. Die Infrastruktur ist zu stemmen, die Wasserstoffproduktion auf dem Weg der Optimierung. Wenn die Politik schon bereit ist, Geld auszugeben, sollte sie in die Forschung investieren, um solche Technologien schneller voranzubringen. Nicht aber in den Konsum von Übergangstechnologie.

Die Autoindustrie soll ihre Schatullen öffnen

Es ist für meine Begriffe ein Unding, dass der Absatz einer prosperierenden Autoindustrie mit randvollen Kassen, die hohe zweistellige Milliardenprofite einfährt, von Steuerzahlern zu subventionieren ist. Die derzeit verfügbaren Fahrzeuge werden dadurch nicht ein Stück besser. Dabei hat die Autoindustrie genug Geld, wie sie bei der inzwischen dauerhaften Subventionierung ihrer in den Markt gebrachten Neufahrzeuge täglich unter Beweis stellt.

Und die Zukunft?

Momentan glänzen alle Hersteller mit der Neubestellung von Chief Digital Officers. Wollen wir hoffen, dass sie damit keine neuen Silos hochziehen – schön ungestört vom klassischen Geschäft und nebenher laufend.
Ebenfalls auffällig ist der Einstieg vieler OEM in Start-ups, die sich mit den Themen Digitalisierung und Mobilität beschäftigen. Das kann, muss aber nicht gut gehen.

Es wird sich noch zeigen müssen, ob die OEM wirklich verstanden haben, vor welchen Herausforderungen sie stehen. Die Intelligenz dafür ist ohne Zweifel vorhanden. Aber ob der Wille zur Veränderung wirklich da ist, ob der Status Quo tatsächlich uneingeschränkt hinterfragt wird, ob die kurzsichtigen Beharrungskräfte stärker sind, als die Strategen – wir werden sehen. Zu wünschen ist es der Autoindustrie, sie hätte diese Art von Neubeginn und Neuausrichtung nötig.

Doch nicht nur in der technischen Entwicklung steht Neuland bevor. Auch im Automarketing und -vertrieb wird kein Stein auf dem anderen bleiben. Ich bin fest davon überzeugt, dass kein OEM am Direktvertrieb von Neuwagen im Internet vorbeikommt. Die spannende Frage wird sein, wie ein OEM dabei mit seinem Händlernetz umgeht, welche Rolle er ihm zugedenkt, wie er es aufstellen möchte.

Dazu kommen Mitbewerber, die niemand so richtig auf dem Zettel hat. Sei es die Finanz- und Versicherungsbranche oder die IT-Branche. Die HUK Coburg steigt derzeit in den Autohandel ein, wer hätte das gedacht. Die offizielle Reaktion des Kfz-Gewerbes lautet: Die machen das nur aus Rache. Oder übersetzt: Die werden sowieso scheitern, das braucht uns nicht weiter zu kümmern.

Fazit

Die Elektromobilität kommt genauso, wie das autonom fahrende Auto. Ich glaube, dass beides sich auch schneller durchsetzt, als manchmal angenommen. Getrieben von mehr und mehr Urbanisierung, zügiger technischer Weiterentwicklung und dem Druck neuer Wettbewerber, wird sich die Autoindustrie verändern. Ich denke, einige Hersteller werden den Sturm nicht überleben, viele Händler, ob groß oder klein, ebenfalls nicht. Dafür ist das Beharrungsvermögen zu groß.

Wer schreibt hier? Derek Finke ist ein Digital Car Guy. Nach beruflichen Stationen in Autohaus, Autovermietung, Händlerverband und Unternehmensberatung ist er heute als Strategie- und Marketingberater für Selbständige und KMU tätig. Derek arbeitet nach dem Motto: Menschen machen gern Geschäft mit Menschen, die sie mögen und denen sie vertrauen!

Dieser Artikel erscheint im Rahmen der Blogparade Elektromobilität 2016.

Photo: SeanPrior / Clipdealer