Einem VW-Händler zolle ich im Moment den größten Respekt. Da gibt es viel zu bewerkstelligen. Deshalb dürften bei kaum einer VW-Vertragswerkstatt in den vergangenen Wochen strategische Fragen auf dem Plan gestanden haben. Zu sehr war man damit beschäftigt, Mitarbeiter zu briefen, Kunden zu beruhigen, Abmahnanwälte abzuwehren, sich mit dem Händlerverband und den deutschen Marken- und Marktverantwortlichen abzustimmen. Soweit ich das überblicken kann, macht der VW-Service einen exzellenten Job in dieser Angelegenheit.

Angesichts der in diesem Jahr auf jede einzelne VW Werkstatt zukommenden Aufgaben im Rahmen der Rückrufaktionen stellt sich darüber hinaus die zentrale Frage:

Wie macht ein VW-Händler aus dem Abgas-Skandal das Beste für seine Kunden und sich selbst?

Als mir diese Frage in den Sinn kam, erinnerte ich mich an das Buch Top oder Flop: Verkaufsstrategien für Marktführer* von Grant Cardone. Neben weiteren guten Ansätzen wollte mir vor allem eine These nicht aus dem Kopf gehen:

„Gerade in einer Krise können Sie mit Ihrem Geschäft an die Spitze gelangen.“

Brechen wir diesen Gedanken auf die Situation der VW-Händler herunter. Jene VW Autohäuser, die diese Situation als Chance begreifen, die sich selbst nicht als Opfer sehen und Lösungen entwickeln, die ihren Kunden und ihnen zum Vorteil gereichen, werden am Ende gestärkt sein. Dafür braucht es ein wenig Kreativität und vor allem ein gesundes Selbstbewusstsein. Der letztgenannte Punkt ist bitte nicht mit Arroganz oder Gleichgültigkeit zu verwechseln – ganz im Gegenteil geht es darum, seine Stärken zu kennen und offen auf betroffene Kunden zuzugehen.

VW-Händler: So machen Sie aus schlechten Zeiten gute Zeiten

Es ist ja nicht so, dass der Großteil der betroffenen Kunden mit Anwälten droht, eine Wandlung verlangt oder Marke und Händler den Rücken kehren möchte. Klar ist: Ja, es gibt auch diese Kunden und damit muss umgegangen werden. Ich bin davon überzeugt, dass die meisten der Betroffenen mit gesundem Menschenverstand agieren. Und das bedeutet:

„Hey VW-Werkstatt, bitte löse mir das Problem mit meinem Fahrzeug. Möglichst schnell und unbürokratisch. Am liebsten wäre mir, wenn ich damit gar keinen Aufwand habe.“

Volkswagen bietet technische Lösungen an, um die Ursache an den Fahrzeugen zu beseitigen. Der Volkswagen Service wiederum sollte jetzt Lösungen parat haben, die die Kundenbeziehung festigen und sogar Zusatzgeschäft ermöglichen. Wenngleich nicht freiwillig, kommen jetzt tausende Volkswagen Kunden zu ihnen. Nur mal angenommen, es handelt sich um 1.000 Kunden pro Jahr und Volkswagen Vertragswerkstatt: Wie viel Marketinggeld hätten Sie investieren müssen, um das zu erreichen? Zumal davon auszugehen ist, dass darunter auch viele Kunden sind, die schon seit Jahren keinen VW Betrieb mehr von innen gesehen haben.

Was können VW-Händler jetzt tun?

Im Folgenden einige Ideen, die ich in Angriff nehmen würde, wenn ich in der Situation des VW Service Partners vor Ort wäre:

Hotline

Ich würde für mein VW-Autohaus oder meine Volkswagen Händlergruppe eine Hotline zur aktuellen Abgas-Thematik einrichten. Diese Abgas-Hotline beantwortet die am meisten gestellten Fragen der Kunden. Ich würde sicherstellen, dass diese Rufnummer zwischen 7.30 Uhr und 21.30 Uhr erreichbar ist. Die Hotline würde ich auf meiner VW-Händler-Webseite bewerben, vielleicht würde ich dafür sogar eine Landingpage einrichten, idealerweise in Verbindung mit einem Chat-Angebot. Hierüber könnten auch Termine für die betroffenen Kunden vergeben werden.

So eine Hotline muss ich nicht selbst besetzen, dafür gibt es kompetente Dienstleister, die vorab gebrieft und geschult werden. Die dafür anfallenden Kosten sehe ich als Investition in die Kundenbeziehungen. Denn ich differenziere mich damit ganz klar vom Wettbewerb, zeige den Kunden, dass ich ihr Problem ernst nehme, dass ich mich mehr als andere darum kümmere. Ich schaffe damit eine Vertrauensbasis, von der ich und mein Betrieb noch Jahre zehren werden.

Dialogannahme

Immer mehr VW-Händler verfügen über die Möglichkeiten dafür, aber nicht alle nutzen die Potenziale voll aus.

Ich nehme möglichst jedes Fahrzeug im Dialog an und checke den Allgemeinzustand. Selbst, wenn Dinge festgestellt werden, die nicht gleich repariert werden müssen: Ich denke voraus! Ich halte alles fest und mache dem Kunden den Vorschlag, das Ganze in einer Art von Reparaturplan nach und nach abzuarbeiten. Ich bespreche mit ihm, was in welcher Priorität zu tun ist. Dafür bringe ich aktiv die Reparaturkostenfinanzierung ins Spiel (auf die in der Reparaturannahme grundsätzlich sehr plakativ hingewiesen werden sollte).

Grundsätzlich würde ich jeden Kunden auch daraufhin „ausfragen“, ob seinerseits Interesse an einem Verkauf des Fahrzeuges besteht. Jeder JA-Sager erhielte von mir eine detaillierte Fahrzeugbewertung als Ankaufangebot, wenn er das Fahrzeug wieder abholt. Doch selbst, wenn keine Verkaufsabsicht besteht, wäre meine Argumentation für den Reparaturplan ganz klar auf die Stärkung bzw. Steigerung des Fahrzeugwertes bzw. Restwertes ausgerichtet.

Up-Selling / Cross-Selling

Hier überlege ich, welche Fahrzeuge mit welchen Haltern bzw. Fahrern (Zielpersonen und deren typische Eigenschaften) auf mich zukommen. Daraufhin entwerfe ich ein sogenanntes Buyer Persona (Demografie, Bedürfnisse, Lifestyle, Informationsverhalten usw.) und richte danach meine besonderen Angebote für diese Kunden aus.

Ersatzwagen

Ich wäre nicht kleinlich, wenn es darum geht, diese Kunden mit Ersatzmobilität zu versorgen. Es wird an vielen Stellen nutzlos Geld verschenkt – hier würde ich den Kunden ein größeres, komfortableres und besser ausgestattetes Fahrzeug anbieten, als sie selbst fahren. Soweit die Kosten dafür nicht vom Hersteller getragen werden, buche ich sie auf Marketing. Denn das sind für mich Investitionen in die Zukunft und in die Kundenbeziehung. Ich zeige dem Kunden aber auch auf, dass die Kosten dafür (teilweise) von mir getragen werden, um ihm ein Gefühl dafür zu geben, dass diese Leistung für ihn zwar kostenlos, aber nicht umsonst ist.
BTW: In jedem Ersatzwagen deponiere ich eine Fahrzeugbeschreibung inkl. Verkaufspreis und –datum (falls eine Mindesthaltedauer zu beachten ist) sowie Finanzierungsangebot.

Gutschein / Coupon

Jeder Kunde, der angibt, kein Verkaufsinteresse zu haben, würde von mir einen gedruckten, gestempelten und unterschriebenen Gutschein für eine kostenlose Fahrzeugbewertung erhalten, der sechs Monate gültig ist.

Nachbetreuung

Alle Kunden, die Verkaufsabsicht geäußert haben, würden aktiv nachbetreut. Ziel ist es, so schnell wie möglich für den Kunden ein alternatives Fahrzeug bereitzustellen. Im Idealfall direkt, ansonsten wird ein passendes Fahrzeug gesucht/gefunden.

Unabhängig von eventuellen Aktivitäten des Herstellers würde ich alle Kunden vier Wochen nach der Reparatur anrufen und nach dem aktuellen Befinden befragen. Ziel ist es, herauszubekommen, ob die Kunden nach wie vor zu Marke, Produkt und mir als Händler stehen und ob ich entweder etwas Gutes für sie tun kann oder sogar muss.

Jene Kunden, die keine Verkaufsabsicht hegen, würde ich auf die verbleibenden fünf Monate Gültigkeit des Gutscheins hinweisen. Sofern dieser in der Folge nicht eingelöst wird, würde ich acht Wochen vor Ablauf des Gutscheins beginnen, mit postalischen Mailings nachzufassen und aktiv auf adäquate Fahrzeugangebote hinzuweisen.

Ich würde darüber hinaus versuchen, so viele Kunden wie möglich davon zu überzeugen, von mir mit E-Mail-Newslettern für die weitere Betreuung versorgt zu werden. Diese enthalten z. B. Informationen über die weitere Entwicklung zum Thema, über die durchschnittliche Wertentwicklung betroffener Fahrzeuge, weitere spezielle Angebote für die betroffenen Kunden/Fahrzeuge sowie aktive Angebote für den Ankauf dieser Fahrzeuge.

Drehen Sie den Spieß um und nutzen Sie alle Chancen

Mir ist natürlich klar, dass all meine Ideen nicht nur aufgeschrieben, sondern auch umgesetzt werden müssen. Werner Knief, früherer Präsident des VW Händlerbeirats und in vielerlei Hinsicht ein weiser Mann, hat mir vor mehr als 20 Jahren mal gesagt:

„Wenn man oben nichts rein wirft, kommt unten nichts raus.“

Das gilt hier genauso. Wenn Sie VW-Händler sind, haben Sie es selbst in der Hand. Schwimmen Sie mit dem Strom und machen Sie das, was alle so tun. Als Ergebnis erhalten Sie das, was alle so haben. Oder differenzieren Sie sich aktiv von allen anderen und ragen Sie sicht- und fühlbar aus der Masse heraus. Ihr Ergebnis wird dann spürbar anders ausfallen, vor allem mittel- und langfristig.

Derek Finke

Photo credit: Aleks van Sputto via Flickr (CC BY-SA 2.0)

(* Affiliatelink)