Eigenzulassungen, Herstellerzulassungen, Händlerzulassungen, Tageszulassungen, taktische Zulassungen – es gibt inzwischen verschiedene Titel für das gewachsene Phänomen der von der Branche selbst produzierten Zulassungen.

Zulassungstaktik inzwischen marktentscheidend

Seitdem Fahrzeuge amtlich registriert werden, existiert die Jagd nach Marktanteilen. Es ist wie überall im Vertrieb: Da orientieren sich Verkäufer im Team auch gern an sogenannten Rennlisten, die aufzeigen, wer in der wie auch immer zustande gekommenen Verkaufsstatistik am weitesten vorn liegt. Es geht also nicht nur um das Erreichen von absoluten Zielen, sondern auch darum, relative Ziele zu bemessen. Also besser als der/die andere da zu stehen. Oder direkt gesagt: Eitelkeit muss befriedigt werden.

Es liegt in der Natur der Sache, dass es im Automobilgeschäft immer Eigenzulassungen geben wird. Denn zum Geschäft gehören nun einmal Vorführwagen im Handel oder Presse-, Test-, Pool- und Mitarbeiterfahrzeuge bei den NSC’s. Wenn inzwischen aber bei einigen Marken über 50% der Gesamtzulassungen aus selbst produzierten Gebrauchtwagen liegt, dann ist das zumindest hinterfragenswert. Sicher, man kann sich auf so eine Weise Marktanteile kaufen und der Allgemeinheit vorspielen, dass man „in“ sei. Das kostet Unsummen, würde aber ins Marketingbudget fallen. Doch selbst finanzstarke Konzerne fahren so eine Strategie nicht lange. Irgendwann muss es auch organisch klappen, denn der oberste CEO beim Hersteller muss seinen Aktionären letztendlich Gewinne vorweisen, nicht Marktanteile.

Mangelndes Geschäft mit Privatkunden soll ausgeglichen werden

Schaut man sich die Marktdaten an, ist festzuhalten, dass die Gruppe der Privatkunden beim Neuwagenkauf immer kleiner wird. Klar, letztendlich fragt sich ein normal rechnender Mensch, warum er einen nicht zugelassenen Wagen mit vielleicht 12% Nachlass kaufen soll, wenn er das gleiche Auto mit einem Vorbesitzer, aber ohne Kilometer auch für 20-30% Nachlass haben kann. Dass es ihn selbst aber letztendlich wieder einholt, wenn er sein Auto gebraucht verkaufen will, das hat er zu dem Zeitpunkt meistens nicht auf dem Schirm. Denn mit dem stark gefallenen Einstiegspreis fallen auch die Restwerte ein paar Jahre später. Da sind die zusätzlichen 10% vorn beim Einkauf schnell wieder aufgezehrt.

[bctt tweet=“Die #Autobranche hat sich mit #Eigenzulassungen längst arrangiert. #Automarketing #Autohaus“]

Wie lässt sich gegensteuern?

Theoretisch ist einiges denkbar, z. B.:

  • Werteorientierte Zielvorgaben bei Herstellern und in der Folge auch bei Händlern
    • Kein Streben nach der größten Absatzmenge, sondern nach werthaltigen betriebswirtschaftlichen Kennzahlen, wie z. B. hoher Gewinn, hohe Wiederholkäuferquote, hohe Kundenloyalität
  • Zurückführen der eigenen Zulassungen auf ein notwendiges Niveau
    • Im Prinzip wie früher, als die Welt noch übersichtlich war: Vorführwagen im Handel und Poolfahrzeuge für Werbezwecke beim Hersteller
  • Anpassen der Produktionsvolumina an die realen Absatzkapazitäten in den Märkten
    • Rückführung der Überkapazitäten in der Produktion, Einführung der atmenden Fabrik
  • Eindämmen der teils unüberschaubaren Nischenprodukte in einem Segment
    • Früher gab es nur den Golf, dann kam das Golf Cabrio, der Jetta/Vento/Bora/Jetta, der Golf Country, der Golf Variant, der Beetle, der Tiguan. Reicht nicht nur der Golf?
  • Feinjustierung der an Autovermieter abgegebenen Fahrzeugmengen
    • Ja, ja, ich weiß. Das sind nicht unbedingt Kurzzeitzulassungen. Aber die Autovermieter fallen in den Bereich der taktischen Vorgehensweise, die man mengen- und typenorientiert gut steuern kann.
  • Aktive Marktbearbeitung in der Fläche
    • Wer seinen Markt aktiv bearbeitet, und hier ist insbesondere der Handel gefragt, kann noch immer horizontal (in der Breite) und vertikal (in der Tiefe) wachsen. Sicher nicht exorbitant, aber da geht noch was.

Aber: Wollen die Marktteilnehmer eigentlich Änderungen?

Warum diese Frage, denken Sie? Nun, es ist ja nicht so, dass die kurz zugelassenen Autos verschrottet oder ins Meer verkippt werden. Ganz im Gegenteil hat sich der Handel längst darauf eingestellt, diese jungen Gebrauchten weitgehend professionell zu vermarkten. Die meisten OEM haben inzwischen eigene Programme dafür entwickelt, die den Handel mit Eigenmarke, vertrauensbildenden Maßnahmen, speziellen Finanzierungen und Versicherungen unterstützen. Das insbesondere die deutschen OEM hierbei auch handelspolitische Ziele verfolgen, darf nicht verwundern. Sie haben einen Weg gefunden, ihre teils gigantischen Volumina zu kanalisieren und ihre Handelsorganisationen mit einem nicht kleinlichen Vertragswerk auch im Gebrauchtwagengeschäft steuern zu können.

Die Allianz derer, die sich mit diesem Zustand sehr gut eingerichtet haben, ist also recht stabil. Warum also sollte es von ihrer Seite her Änderungen an diesem Zustand geben? Daran glaube ich nicht, das kann am Ende nur der Kunde bewirken. Der Privatkunde denkt nur kurzfristig, da ist kein Druck zu erwarten. Der gewerbliche Kunde freut sich über den Wettbewerb, denn er profitiert davon. Und solange die OEM mit ihren Autos soviel Geld verdienen, dass sie offen oder über Subventionen bei Finanzierung und Leasing die Kunden bei Laune halten können, bleibt alles beim Alten.

Derek Finke

Photo credit: Wikimedia / Bundesarchiv B 145 / Fotograf: Engelbert Reineke, März 1981