Daimler und die Elektromobilität – ist das bald vorbei? Vor einigen Tagen berichtete Focus Online, dass die Daimler AG hohe Abschreibungen auf verschiedene Engagements der Elektromobilität vornimmt. Laut Finanzvorstand Bodo Uebber sind vor allem die Beteiligungen an LiTec sowie BYD betroffen. Als Grund wird angeführt, dass „der wirtschaftliche Erfolg der Elektromobilität mit hohen Unsicherheiten behaftet ist“.

Überraschung?

Nun, feststellen lässt sich nur, dass die deutschen Autohersteller die E-Mobilität offensichtlich völlig verschieden einschätzen. Während sich BMW mit dem neuen i3 quasi mit Haut und Haaren der E-Mobilität verschreibt, geht der Volkswagen Konzern mit all seinen Marken einen eher vorsichtigen Weg – er setzt auf die bewährten Modelle, die teilweise hybridisiert und elektrifiziert werden. Audi plante mal anders, hat aber kurz vor Toresschluss noch den Schwanz eingezogen. Opel setzt auf den Ampera, der Erfolg blieb leider aus. Von Ford habe ich nicht viel in Sachen E-Mobilität wahrgenommen, es gibt zwar den Focus Fokus Electric, aber der Wagen ist mir noch niemals aufgefallen (.

Daimler und die Elektromobilität, das war für mein Empfinden eher konservatives Herangehen. Klar, bei Smart konnten sie relativ gefahrlos in die Vollen gehen. Bei Stadtfahrzeugen spielt die ansonsten kritische Reichweite keine derart wichtige Rolle. Bei Mercedes hingegen ging man den sicheren Weg des Hybriden. E-Mobilität testete man weit weg in China mit dem Partner BYD. Der verbrannte sich die Finger, aber Daimler musste hier keinen großen Imageverlust hinnehmen. Sicherheitshalber beteiligte man sich an der Evonik-Ausgründung LiTec, um für den Fall der Fälle den Fuß in der Tür der Batterietechnologie zu haben. Insgesamt eigentlich ganz clever, zumal die Daimler AG sich im Laufe der letzten Jahre an diversen Startups beteiligte, die sich mit Ideen alternativer Mobilität beschäftigen. Das bringt positive PR und sorgt für gute Wahrnehmung in jüngeren Zielgruppen.

Daimler und die Elektromobilität – Rückzieher?

Ist es das wirklich? Ich denke nicht. Daimler passt die zum Zeitpunkt des Beginns der Engagements hohen Erwartungen bilanziell der Realität an. Das ist richtig und sicher geboten. Denn dass die E-Mobilität (noch) nicht der große Brüller ist, wird niemand ernsthaft bestreiten wollen. Daimler selbst hat bereits viel Zeit und noch viel mehr Geld in die Brennstoffzelle investiert – eine Technologie die vielleicht noch einige Zeit bis zur Marktreife braucht, aber auch der große Wurf sein könnte. Wasserstoff ist zwar (heutzutage) nur mit viel Aufwand zu erzeugen, dafür aber nahezu unbegrenzt verfügbar. Außerdem kommt aus dem Auspuff (oder soll ich besser Abflussrohr sagen 😉 ) nur Wasser, und das ist nicht schädlich. Das Batterieproblem wäre auf einen Schlag vom Tisch.

Und Tesla?

Die Beteiligung an Tesla ist strategisch sinnvoll. Sicher, Tesla ist ein potentieller Wettbewerber, aber besser man hat den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Außerdem findet Technologietransfer statt, der beiden Seiten dient. Das ist heute unter den Konzernen auch in anderen Bereichen absolut üblich. Dass Tesla den rein elektrischen Weg geht, bringt Bewegung in den Markt. Wettbewerb belebt das Geschäft und auch davon haben am Ende alle etwas. (Zwiwchenzeitlich hat Daimler die Beteiligung an Tesla mit hohem Gewinn wieder verkauft)

Daimler und die Elektromobilität – Fazit

Momentan macht Daimler vieles richtig. Attraktives Design und vielversprechende neue Modelle, strategische Investments in hippe Startups, Werbung (inkl. Selbstironie), über die gesprochen wird, Neuwagenverkauf im Internet, Umstrukturierung des deutschen Vertriebsnetzes, Anerkennung der Marktrealitäten. Das angestaubte Image der betuchten Fahrer mit Hut, das Gelten als Symbol des rheinischen Kapitalismus – all das scheint Vergangenheit zu sein. Statt dessen herrschen Zuversicht und der Glaube an die Marktführerschaft im Premiumsegment. Ich hätte das vor kurzem noch nicht für möglich gehalten, schauen wir, ob sich diese Strähne auch mittel- und langfristig hält.

Derek Finke