Autohandel in Deutschland, manchmal bin ich hin und her gerissen. Erst neulich war es wieder mal soweit. Warum? Ich hatte Gespräche mit völlig verschieden denkenden und handelnden Autohäusern, die quasi beide Enden der Skala repräsentieren. In diesem Fall ist es die Skala zwischen groß und klein, zwischen professionell und hemdsärmelig, zwischen Diplom-Kaufmann im Anzug und Kfz-Meister mit Blaumann und schwarzen Fingern, zwischen professioneller Zukunftsplanung und Perspektivlosigkeit, zwischen Wachstum und Verdruss, zwischen Prozesssicherheit und mal sehen.

Autohandel in Deutschland – von 300 auf 3000 Einheiten in 10 Jahren

Autohandel in Deutschland hat viele Facetten. Da war zum einen der Händler eines deutschen Fabrikates. Gelegen in tiefster Provinz, hat der Inhaber den Betrieb von seinem Vater vor etwas mehr als 10 Jahren übernommen. Damals wurden an einem Standort etwa 300 Fahrzeuge p. a. verkauft, heute sind es zehnmal so viele. Am gleichen Standort versteht sich, wir reden nicht von einer Gruppe. Der Inhaber hat auch seine Fehler gemacht, hat es z. B. auch mit mehreren Fabrikaten versucht und dabei viel Geld verbrannt. Zwischenzeitlich ist er wieder zum ursprünglichen Stammfabrikat zurückgekehrt. Erfolgsgeheimnisse mag es in seinem Betrieb inzwischen viele geben, zwei sind mir aber ganz deutlich geworden. Zum einen operiert er mit ziemlich hohen Fahrzeugbeständen bei Neuwagen, weit über dem Durchschnitt der Branche. Diese Fahrzeuge werden auch bewusst geordert, es handelt sich also nicht um den nicht abfließenden Bestand des Herstellers. Der Händler sagt: Mit leeren Regalen kann ich nichts verkaufen. So stellt er sich das hin, was gefragt ist, dazu aber auch einige Exoten, die die meisten anderen Händler seiner Marke niemals anfassen würden. Das gilt auch für Nutzfahrzeuge dieser Marke, mir ist kein anderer Händler bekannt, der mit solch hohen Nutzfahrzeugbeständen agiert. Er hat immer etwas Passendes mit sofortiger Lieferfähigkeit parat.

Der zweite Erfolgspunkt ist die Art und Weise der Vermarktung. Dieser Händler wirbt nur noch online. Er hat zum einen eine sehr professionelle Webseite, zum anderen gibt er mehrere tausend Euro pro Monat für Suchmaschinenmarketing aus. Er hat verstanden, dass Kunden heute erst zu ihm kommen, wenn sie seine Informationen, seine Angebote und letztendlich ihn selbst im Netz gefunden haben. Insofern liegt sein Hauptaugenmerk im Onlinemarketing darin, die Interessenten im Rahmen ihrer Recherchen aufzugabeln und auf seine Webseite zu führen. Das Ganze wird von einer spezialisierten Marketingagentur professionell begleitet.

Autohandel in Deutschland – „Dieses Internet“ nervt

Tja, und dann war da noch das andere Ende der Skala. Ich traf mehrere Händler eines europäischen Importfabrikates. Marke wie Händler befinden sich in schwierigen Zeiten. Ein Händler hat seinen Betrieb in einer 5.000-Seelen-Gemeinde in der Provinz, also gar nicht so verschieden von dem oben dargestellten Betrieb. In seinen guten Jahren hat er ca. 50 Neuwagen dieser Marke verkauft, aber in diesem Jahr wird es nur ein Viertel dessen sein. Gefragt, ob er Nachfolger hat, antwortet er: Ja, aber die haben was Ordentliches gelernt. Also keine Nachfolger! Angesprochen auf sein Onlinemarketing, kam die Aussage, ja ja, wir haben eine Webseite. Hm. Soziale Medien seien aber Unsinn, allein was da alles für oberflächlicher Mist drinstehe. Stolz wurde über Merchandising-Artikel berichtet, die ja schließlich immer gut gegangen seien. Ein anderer Händler dieser Marke konnte mit diesem „Online-Kram“ erst gar nichts anfangen.

So frage ich mich ernsthaft, wie diese Händler die Zukunft bestehen wollen? Austauschbare Produkte, jahrelange Rabattwerbung seitens des Importeurs, ein überaltertes Händlernetz, das seit Jahren kaum Geld verdient, viele Händler in Größenklassen von 50-100 Neuwagen p. a., Marketing als Fremdwort, neuen Marketingmethoden gegenüber eher ablehnend, mindestens aber sehr skeptisch eingestellt.

Insofern habe ich einerseits Hoffnung für den einen, andererseits Fragezeichen in den Augen für viele andere. Wenn ich mir das alles so auf der Zunge zergehen lasse, wird es in den kommenden Jahren wohl eine Marktbereinigung größeren Ausmaßes geben. Viele der davon Betroffenen werden dabei aber nicht mehr agieren, sondern nur noch reagieren können. Das wiederum wird einige Marken schwer treffen. Es werden Volumina verloren gehen, es wird viel Vertrauen in diese Marken verloren gehen. Am Ende stehen dann die Marken selbst zur Disposition.

Derek Finke