Manchmal ist es zum Mäusemelken?! Ein Neuwagen-Vermittler nach dem anderen geht ans Netz und die Branche findet noch immer keine adäquate Antwort darauf. Statt dessen wächst die Kritik daran, was ja grundsätzlich nachvollziehbar ist. Allerdings finde ich einen Teil der vorgetragenen Argumente inzwischen etwas an den Haaren herbeigezogen.

z. B. Mangelnde Transparenz
Ist es realistisch, anzunehmen, dass es die Kunden der Vermittler ernsthaft interessiert, von welchem Händler das Auto geliefert wird? Die gehen doch dahin, weil sie hoffen, viel Geld zu sparen. Ob das am Ende immer so ist, sei dahingestellt und hier mal außen vor. Ich denke, dass jene Kunden, die für RABATT schwer empfänglich sind, keine Bedenken, wer denn nun ihr Auto liefert. Und außerdem: Verbraucherschutz in allen Ehren, aber sind Bedenken dieser nicht eher Aufgabe und Anliegen oftmals fragwürdiger Vereinigungen? Und wenn diverse Vertragshändler dieses Landes ohne Zwang von außen die Entscheidung treffen, sich als anonyme Lieferhändler zu verdingen, dann ist nicht die Neuwagenbörse dafür verantwortlich zu machen.

z. B. Unredlichkeit
Hannes Brachat hat in seinem HB ohne Filter vom 18.10.2013 Erich Sixt und seine Aktivitäten auf www.sixt-neuwagen.de kommentiert. Er hält darin Sixt vor, „unter dem Markenlabel mehr Schein als Sein“ zu produzieren. Da müsste man wohl erst einmal klären, was denn „das Sein“ ist? Was sind die Argumente, die für einen Kauf beim Vertragshändler vor Ort sprechen? Wo ist da der Mehrwert für die Kunden? Nähe, geschultes Personal, Beratung, Glaspalast? Da mag für den einen oder anderen was dran sein. Aber auch für diese Art von preissensiblen Kunden?
Erich Sixt wird seine Gründe haben, dafür Händlerverträge zu unterschreiben und Millionen in z. B. Prachtbauten und Standards zu investieren. Statt dessen nutzt er die sich bietenden Möglichkeiten im Markt nur clever aus. Kein Vertragshändler muss das mögen – aber was ist daran unredlich?

z. B. das Agieren zu Lasten Dritter
Brachat hält Sixt auch vor, „sich zu Lasten Dritter als virtueller Fuchs zu gerieren“. Wir leben in einem freien Land und Sixt macht nichts anderes, als die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nutzen. Es gibt offensichtlich einen Markt für diese Art von Geschäft, sonst würde dort niemand investieren. Diese Chance stand und steht übrigens seit jeher auch Herstellern, Händlern oder Händlergruppen zur Verfügung, in welcher Konstellation auch immer. Wenn die Branche aber solche Gelegenheiten nicht nutzt, nicht nutzen möchte oder nicht nutzen kann, möge sich hinterher niemand über jene beschweren, die es tun.

Man mag mir an dieser Stelle vielleicht entgegenhalten, dass hier unfairer Wettbewerb geführt wird. Aber ist das wirklich so? Es gibt zum einen die rechtlichen Rahmenbedingungen, also GVO & Co. Mit meinem zugegebenermaßen laienhaften juristischen Verständnis kann ich da keinen Verstoß erkennen. Zum anderen gibt es Händlerverträge, die Hersteller und Handel schließen. Vermittler sind in diesem Konstrukt vorgesehen, man darf zweifelsohne unterstellen, dass diese Art von Vermittler zumindest nicht beabsichtigt war. Doch manchmal spielt das Leben eben anders. Weder der Gesetzgeber noch unsere Branche haben bislang Antworten auf die rasende Geschwindigkeit des Internets gefunden. Die Pace gibt aber der Markt mit seinen Möglichkeiten vor. Wenn nun einige Marktteilnehmer schneller als andere agieren, ist ihnen das nicht vorzuwerfen.
BTW: Vor einigen Jahren hat eine französische Ministerin mal gefordert, dass in Deutschland große Einkommenssteigerungen notwendig sind. Damit würden unsere Kosten steigen und Frankreich wäre wieder wettbewerbsfähig, ohne dafür selbst etwas zu leisten. Abenteuerlich – aber ein wenig kommt mir das hier auch so vor.

Mein Fazit
Ich vertrete die Auffassung, dass sich unsere Branche sachlich mit den Neuwagenvermittlern im Internet auseinandersetzen muss. Und mit Branche meine ich alle Marktbeteiligten auf Anbieterseite. Diese Auseinandersetzung muss allerdings mit Blick auf den Markt erfolgen. Und da müssen kritische Fragen erlaubt sein. Vor allem muss sich die Branche darüber klar werden, welche Erwartungshaltung Kunden heute und morgen an sie haben. Weiterhin sollten sich Vertragshändler ernsthaft die Frage stellen, ob es nach wie vor Sinn macht, Millionen in Bau, Steine und Erden zu investieren, um danach mit dem Verkauf von Neuwagen kein Geld zu verdienen. Seitdem ich denken kann, steht die mangelnde Rendite im Mittelpunkt der Beschwerden von Händlern. Und doch machen alle immer so weiter, als wäre die Welt in Ordnung.

Last, but not least
Das Internet ist auf dem besten Weg, das tradierte Geschäftsmodell im vertragsgebundenen Automobilhandel zu verändern. Warum aber müssen sich im digitalen Bereich immer erst Branchenfremde auf zu neuen Ufern machen? Damals waren es mobile.de und autoscout24.de mit den Gebrauchten. Erst von der Branche misstrauisch belächelt, dann gehasst und inzwischen mehr oder weniger akzeptiert. In jedem Fall aber nicht mehr wegzudenken. Jetzt wiederholt sich die Geschichte im Neuwagenbereich. Und wieder wird nur gezetert, was das Zeug hält, statt sich selbst zu engagieren.

Dass die Neuwagenbörsen den gesamten Vertriebsprozess in ihrer Hand halten wollen, ist ihnen nicht zu verdenken. Sie gewinnen den Kunden, sie sind es auch, die den gesamten Kaufprozess abwickeln, sie halten den Faden der Kundenkommunikation aufrecht. Das mag das Händlerherz kränken, ist aber Realität. Der Händler hat in diesem Geschäftsmodell reine Lieferantenfunktion, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Ich kann selbstredend verstehen, dass dem vertragsgebundenen Handel diese Situation nicht gefällt. Wer mag schon gern neue Wettbewerber in einem stagnierenden Markt und dann noch welche, die das Zeug haben, den Markt völlig umzukrempeln? Wie gesagt, rein menschlich ist der Ärger absolut verständlich. Aber dieses Kriterium spielt nur eine Nebenrolle.

Vielleicht hat jemand Lust auf eine interessante Diskussion? Ja? Dann mal los 😉

Derek bei Google+