Diese Woche überraschte mich die Ankündigung von Mercedes Benz und BMW, in Kürze mit dem Direktvertrieb von Fahrzeugen über das Internet zu beginnen. Sicher, der eigentliche Startschuss ist das nicht mehr, zumal SEAT schon seit Jahren mit eSEAT ein solches Programm fährt, allerdings für Jahreswagen. Aber wir wollen ehrlich sein: Wenn Premiummarken, zumal deutsche mit der Bedeutung von Stern und Propeller, diese Richtung einschlagen, hat das eine andere Signalwirkung.

Für meinen Geschmack ist die Entscheidung der Marken grundsätzlich richtig, wenngleich beide auch verschiedene Wege gehen wollen.

Mercedes Benz
Daimler geht mit einem begrenzten Portfolio und mit vorproduzierten bzw. vorkonfigurierten Fahrzeugen in diesen Sektor. Darüber hinaus soll das Ganze vorerst nur über zwei Handelsstandorte im Hintergrund abgewickelt werden. Das könnte man ängstlich nennen, wenn man bösartig wäre. Ich denke aber, zum Lernen und Sammeln von Erfahrungen ist das der richtige Anfang. Wichtig in diesem Zusammenhang ist ja auch, den stationären Handel weitgehend mit einzubeziehen und ihm das Leben damit einfach und attraktiv zu gestalten. Die Reaktionen des deutschen Händlerverbandes lassen annehmen, dass dies wohl gelungen ist. So wird versucht, evolutionär vorzugehen und das Konzept nach und nach weiterzuentwickeln. In gewisser Hinsicht passt das zur Marke, die zwar technisch und technologisch fast immer weit vorn lag und liegt, aber ansonsten eher bodenständig schwäbisch daherkommt.

BMW
Ganz anders die Münchener. Hier liegt Revolution in der Luft. Und zwar nicht nur beim Elektroauto, sondern auch im gesamten Vertriebsmodell. Die neue BMW-i-Serie soll grundsätzlich im Rahmen eines Agenturmodells angeboten werden. Schon da spielt das Onlineportal eine ganz wesentliche Rolle. Dennoch kommt diese Art von Vertriebsmodell gerade bei dem neuen und noch ziemlich unkalkulierbaren Produkt BMW-i vor allem der Handelsorganisation entgegen, da der Agent eben nicht die Risiken zu tragen hat, die er als Vertragshändler auf sich nehmen müsste. Dazu gehören z. B. die Lager- und Vorführwagen, die auf Kosten des Herstellers gehen. Bei Mercedes Benz in Deutschland ist diese Art von Vertrieb schon seit vielen Jahren für alle Modelle gang und gäbe.

Die Revolution im Vertrieb wird an einer anderen Stelle viel deutlicher, und das ist der Punkt, der mich an der Meldung letzte Woche am meisten überraschte: Künftig sollen alle Modelle auch online bestellbar sein. Was würde das bedeuten? Nun ganz einfach: Der Interessent würde (fast á la meinauto.de) ein Fahrzeug konfigurieren und direkt bestellen. Die spannenden Fragen aus Kundensicht sind dabei, wer berät mich, wenn ich Fragen habe und wie werde ich meinen Gebrauchten los? Ersteres ist der große Charme bei meinauto.de: Kunden landen nicht im Nirvana oder bei missgelaunten Händlern, wo sie gefühlte Ewigkeiten auf eine Antwort warten müssen. Nein, sie werden prompt beraten und sowohl menschlich als auch fachlich kompetent betreut. Aus meiner Sicht wird diese User-Experience der Knackpunkt sein, denn billige Autos bekomme ich nahezu überall, im Zweifel eben auch bei meinauto.de & Co.
In Sachen GW-Inzahlungnahme kenne ich die Details nicht. Aber auch hier gibt es bereits heute Möglichkeiten, diesen Prozess off- und onlinegestützt abzuwickeln. Warum soll nicht ein unabhängiger Sachverständiger einen Wert ermitteln und Kunde und Onlineportal dann den eigentlichen Preis aushandeln? Das Fahrzeug kann danach vom Hersteller entweder seinen Vertragshändlern oder eben auch Dritten, z. B. via Auktion, angeboten werden, sofern sich kein eigener Händler für den Aufkauf findet. Denkbar ist da vieles, am Ende ist das nur eine Frage der Prozessoptimierung. An nötigen Werkzeugen dafür mangelt es nicht, insofern sollte sich der Handel da nicht für unersetzbar halten.

Solange aber der klassische Autohandel den Kanal Online nur als Bedrohung auffasst, den es zu bekämpfen gilt, solange werden sie die Verlierer dieser Entwicklung sein. Leider kenne ich die Argumentation des BMW-Händlerverbandes zu dieser Sache nicht, sodass ich mir eine Beurteilung nur aufgrund der etwas dünnen Pressemeldungen nicht zutraue.

Ich persönlich sehe diese Entwicklung dennoch mit großer Freude. Ein amerikanisches Sprichwort sagt sinngemäß: „Wenn Du sie nicht schlagen kannst, verbünde dich mit ihnen“. Ein wenig davon liegt auch hier in der Luft, denn mit Mercedes Benz und noch vielmehr BMW haben zwei deutsche Hersteller begonnen, die Zukunft des Autovertriebs auf neue Füße zu stellen. Ich bin gespannt …

BTW: Ich kann der Wirtschaftswoche nur bedingt folgen, wenn sie hier gleich das Ende der Autohändler ausruft. Wenn es der stationäre Autohandel schafft, sich des Themas anzunehmen und online professionell zu agieren, hat er auch die Chance zum Überleben. Ein weiter so wird allerdings mit Sicherheit über kurz oder lang der Tod sein.

Derek bei Google+