Was für ein Slogan: Das Beste oder nichts. Mir kommen dabei unweigerlich Bilder und Erinnerungen aus vergangenen Zeiten in den Kopf. Als ich sozialisiert wurde, verband man die Marke Mercedes-Benz mit höchster Qualität, Solidität, technischer Überlegenheit, deutscher Ingenieurskunst und Luxus im Automobilbau. Daimler baute hochwertige Autos, war Vorreiter vieler Sicherheitstechnologien und die Marke der Mächtigen, der Einflussreichen, der Reichen. Für mich war der Besitz eines Mercedes-Benz damals in etwa so realistisch, wie eine Reise ins Weltall.

Nun bin ich Zeit meines Lebens nie ein eingefleischter Fan der Marke oder der Fahrzeuge gewesen, wenn man mal von der G-Klasse, dem GLS und der V-Klasse absieht. Doch ich habe großen Respekt vor der Geschichte des Unternehmens, den technischen Leistungen und dem Erreichten. Der frühere Slogan „Ihr guter Stern auf allen Straßen“ spiegelte für mich tatsächlich wider, wofür die Marke stand. Auch der alte Markenclaim „Zu Lande, zu Wasser und in der Luft“ klingt mir noch im Ohr. Das war zwar vor meiner Zeit, steht aber wegweisend für die Entstehungsgeschichte des Konzerns und den Stern schlechthin. Darüber hinaus vermittelten nicht wenige gut gemachte Werbespots eindrucksvoll den Charakter der Marke: Vornehm, luxuriös und dabei doch irgendwie schwäbisch bodenständig.

Und heute – das Beste oder nichts?

Nach der mehrfachen Umdeutung des Konzerns vom Autobauer zum integrierten Technologiekonzern über die Hochzeit im Himmel zurück zum Automobilbauer, weiß ich momentan nicht so genau, wohin die Reise geht. Diverse Qualitätsprobleme der jüngeren Vergangenheit, die enge Kooperation mit einem französischen Volumenhersteller, Werbebotschafter mit zweifelhaftem Image, das enorm teure Engagement in einer von der Vergangenheit beherrschten Motorsportklasse, ein Erfolg noch suchendes Engagement auf dem größten Automarkt der Welt, der Einstieg in den Volumenmarkt mit A- und B-Klasse sowie eine nicht durchgängige Designlinie, die momentan mehr den Eindruck von Nasenbären als Autos vermittelt. Wo ist Mercedes-Benz eigentlich noch führend? Vielleicht bei den Listenpreisen – schaut man aber mal hinter die Kulissen und beobachtet, zu welchen Preisen die Autos tatsächlich in den Markt gebracht werden, kann einem nur himmelangst werden. Da ist nix mehr mit Stabilität und Solidität, da geht es nur um knallharten Volumendruck. Und wer die nachwachsende Generation auf die Marke anspricht, wird im günstigsten Fall mit Achselzucken belohnt.

Ist der Markenclaim richtig gewählt?

Woher nimmt Mercedes-Benz den Mut, sich den Slogan „Das Beste oder nichts“ zuzulegen? Sicher, die Autos sind gut – aber eben nicht wirklich wettbewerbsüberlegen. Doch im Konzern herrscht wohl nach wie vor viel vom früheren Gefühl der totalen Überlegenheit. Das ist aber zwischenzeitlich nicht mehr so angebracht. Der Markt hat sich verändert, die Zeiten sind andere.
Wer sich die selbst gesteckten Ziele bis 2020 anhört, kann ins Zweifeln kommen. OK, was soll ein Vorstand der Daimler AG auch machen? Hätte Dr. Zetsche als Ziel ausgegeben, bis dahin gesetzter Dritter zu bleiben, wäre er wohl noch während der Pressekonferenz von den Buddies der Werkssicherheit von der Bühne getragen worden. Aber jeder halbwegs mit den Realitäten der Branche vertraute Marktbeobachter wird sich fragen, wie die Stuttgarter es schaffen wollen, innerhalb von sieben Jahren die auch nicht auf Bäumen schlafenden Wettbewerber zu deklassieren?

Digitalisierung Automobilbranche – Lesen Sie dazu auch meinen brandaktuellen Blogpost „Digitalisierung treibt Wandel in der Automobilbranche voran„. Darin geht es u. a. auch um Fragen von Strategie und Marketing im Autobusiness.

Licht am Ende des Tunnels

Allerdings gibt es auch Lichtblicke. Die Beteiligungen der Daimler AG an einigen Start-ups im Bereich neuer Mobilitätsformen sowie das eigene Engagement bei Car2Go zeigen, dass man die Zeichen der Zeit verstanden hat. Diese Investments sind langfristig zu betrachten, wobei zu hoffen ist, dass der Konzern und seine Investoren die nötige Geduld sowie das entsprechende Fingerspitzengefühl dafür aufbringen. Aber letztendlich muss man sich auch in Stuttgart der Realität stellen und die heisst: Diese neuen Mobilitätsideen „bedrohen“ mittel- und langfristig das heutige Kerngeschäft. Ob dieser Konzern in seinem tiefsten Innern wirklich bereit für ein derart neues Denken ist, ist noch nicht ausgemacht. Im Extremfall hieße das ja, weniger Autos zu bauen, weniger Industriekonzern, statt mehr und mehr Dienstleistungskonzern zu sein. Das wird noch ein schmerzhafter Wandel. Kann ich mir dort so etwas vorstellen? Hm, Innovationen, also wirklich neue Ansätze, in einem solch traditionsreichen Unternehmen umzusetzen, ist mehr als eine Herkulesaufgabe. Wünschen würde ich es Daimler, denn damit wären sie ein echter Vorreiter und würden ihrer „Wir sind die Erfinder des Automobils“-Rolle wieder gerecht. Warten wir’s ab, spannend wird’s allemal.

Photo credit: Derek Finke