Es ist nicht so, dass ich den „Stern“ für ein für ein sonderlich seriöses journalistisches Angebot halte. Für mich ist das eher die Yellow Press unter den Magazinen. Insofern nehme ich das, was dort geschrieben wird, auch nicht sonderlich Ernst. Aber wenn etwas geschrieben und veröffentlich wird, ist es in der Welt und auch der Stern weiß, wie man Quote oder Auflage macht.

Aktuell wird da in pauschaler Manier mal wieder über die angeblich so üblen Abzock-Methoden der Autowerkstätten gewettert. Ich denke, jeder Leser wird akzeptieren, dass es in unserer Branche schwarze Schafe gibt. Das ist zweifellos nicht witzig, aber es ist so und wird auch immer so sein. Ich kenne jedenfalls keinen Lebensbereich, wo es solche Auswüchse nicht gäbe, und sei er noch so seriös angestrichen. Aber hier wird pauschaliert, dass die Heide wackelt. Das verrät schon der Subtitel „Wucherpreise, Schludereien, Mängel, die bloß erfunden sind. Autowerkstätten haben ein schlechtes Image„. Ist doch klar, dass es da den nur an der Wahrheit orientierten Stern braucht, um die armen und ach so übervorteilten Verbraucher aufzuklären.

Um das Ganze dann auch noch möglichst überzeugend wirken zu lassen, hat man sich einen geholt, der es wissen muss. 72 Jahre alt, seit Jahr und Tag Schrauber und mit allen Wassern der Branche gewaschen: Wolfgang „Charly“ Ridzwesky. Der Mann ist sicher so etwas wie eine Legende. Aber qualifizieren 40 Jahre des Schraubens dafür, über die Branche zu urteilen?

Der Stern listet die üblichen Vorwürfe auf: Kunden werden über den Tisch gezogen, es werden Reparaturen durchgeführt, die nicht sein müssen, das Öl ist viel zu teuer, bla, bla, bla …
Und dann die klugen Tipps für die Kunden: „Machen Sie einen Kostenvoranschlag!“ – wenn überhaupt, kann ein Kunde diesen fordern, aber wohl nicht machen.
Dann kann man vereinbaren, dass einen der Chef anrufen muss, bevor er was macht, was abweicht.“ – das ist zwar grundsätzlich richtig, aber der Chef soll anrufen? Was soll dieser Blödsinn? Sind das Füllworte, weil es nichts Stichhaltigeres gegeben hat?
Warum wird den Werkstätten pauschal unterstellt, immer das teuerste Öl zu verwenden? Das ist Blödsinn und bleibt Blödsinn.

Einerseits wird darauf gedrungen, dass ein Werkstattauftrag möglichst wenig pauschal (á la „TÜV fertig machen“), statt dessen konkret formuliert sein soll. Das ist auch absolut in Ordnung so. Aber wenn die beiden (!!) Herren Schreiberlinge (das Wort Journalisten mag ich hier nicht benutzen) den Artikel schon mit den Worten „Bitte mal die Reifen wechseln!“ einleiten, brauchen sie sich über die Folgen keine Gedanken machen.

Und statt den Kunden hier nur Pingeligkeit ans Herz zu legen, sollte man vielleicht auch mal erwähnen, dass es sich auch für Kunden lohnen würde, in eine langfristige Beziehung zu einer Werkstatt ihres Vertrauens zu investieren, anstatt nur immer wieder auf den oder das Billigste zu schielen. Keine seriöse Autowerkstatt kann Öl für 1,50 Euro verkaufen.

Ihnen, lieber Wolfgang Ridzwesky, sei ans Herz gelegt, sich entweder nicht von unseriöser Journaille einwickeln zu lassen oder Ihre Eitelkeit im Zaum zu halten (im Zweifelsfall auch beides). Es ist überhaupt nichts gegen Tipps an Kunden einzuwenden, ganz im Gegenteil. Aber Pauschalierungen dieser Art machen Sie nur unglaubwürdig. Sie komplettieren diesen Eindruck mit ihrem Tipp an die Kunden, sich für 30,00 EUR Testgeräte zu kaufen, die „die meisten Fehler auslesen“.

Den beiden Herren vom Stern sei empfohlen, sich mit seriösem Journalismus zu beschäftigen. Vielleicht hilft da die Henri-Nannen-Journalistenschule weiter?! Das mal einer daneben liegt, mag zu akzeptieren sein. Aber gleich zwei Schreiberlinge ein und derselben Zeitschrift? Die Wirklichkeit in den Reaktionsstuben muss fürchterlich sein, wenn so etwas auch die Freigabe der Chefredaktion erhält. Traurig, traurig, aber es scheint so, als würden die Zeitungen und Zeitschriften nicht ohne Grund ihre Leser verlieren.

Allein aus diesem Grund werde ich mir am Donnerstag auch nicht den Stern kaufen, um dort die Langversion dieses Unsinns geliefert zu bekommen.

Derek bei Google+