Weiter geht’s mit der Artikelserie Autohaus, Internet und Markt. Tag für Tag stellen wir fest, dass sich die Verhaltensweisen und Gewohnheiten von Kunden in Sachen Autokauf verändern. Die Autohaus Strategie sollte sich dem anpassen. Ein wesentlicher Treiber sind gesellschaftliche Umwälzungen, die zwar nicht immer gleich revolutionär sind – aber sie reichen aus, um ganze Wirtschaftszweige unter Anpassungsdruck zu setzen. Ein weiterer Druckmacher ist das Internet in seiner permanenten technologischen Weiterentwicklung. Die Frage ist nun, wie reagieren die Anbieter, also Autohäuser und Hersteller auf diese Entwicklungen.

Beispiel Immobilie „Autohaus“

Auch in den letzten Wochen und Monaten konnte man der Fachpresse immer wieder viele Meldungen über Neueröffnungen von Autohäusern entnehmen. Was mich dabei zum Nachdenken brachte, war weniger der Fakt an sich, als vielmehr die dabei aufgerufenen Dimensionen. So hat z. B. Audi in letzter Zeit eine ganze Reihe neuer Retailbetriebe eröffnet und dabei nicht gekleckert, sondern regelrecht geklotzt: Audi Zentrum Berlin-Adlershof – ca. 30 Millionen Euro; Audi Zentrum Berlin-Zehlendorf – 10 Millionen Euro (Erweiterungsbau); Audi Zentrum Frankfurt – ca. 51 Millionen Euro; Audi Zentrum Leipzig (Nord) – 12 Millionen Euro; Audi Zentrum München (MAHAG) – 34 Millionen Euro. Aber auch Volkswagen war bei Investitionen in Retailbetriebe nicht unbedingt knauserig: Volkswagen Zentrum München (MAHAG) – ca. 30 Millionen Euro. Dazu kommen noch weitere Bauten herstellereigener Niederlassungen anderer Marken.

Das sind schon kräftige Ansagen. Allerdings muss man berücksichtigen, dass die Hersteller bei derartigen Investitionen mehr im Blick haben, als nur den Bau eines Verkaufs- und Reparaturstützpunktes: Hier geht es um Investments in die jeweilige Marke, sprich um Markenleuchttürme. Somit wird auch die Refinanzierung der Baukosten anders kalkuliert, denn ein nicht unwesentlicher Teil davon kommt aus dem Marketingbudget. Oder vereinfacht gesagt: Es werden einige Fernsehspots und Zeitungsanzeigen weniger geschaltet und das dadurch freiwerdende Geld in diese Immobilien gelenkt.

Doch auch „freie“ Händler bauen und bauen. Nun ist es nicht so, dass ich grundsätzlich etwas gegen neue Autohäuser hätte. Ohne geeignete Präsentationsflächen wird man kaum einen Neuwagen in nennenswerten Mengen verkaufen können und reparieren kann man auch nur in einer modern eingerichteten Werkstatt. Ohne einen Betrieb in Hersteller-CI wird man das entsprechende Flair in Richtung Kunde nicht ausstrahlen und auch nicht als zugehörig zur Markenfamilie erkannt. Das ist alles richtig und grundsätzlich auch akzeptiert. Es sind aber noch immer erstaunliche Größenordnungen, die da investiert werden. Und das Ergebnis sind Bauten, die sich gleichen und im Rahmen ihrer Nutzung quasi nur Monokultur zulassen.

Autohaus Strategie – sind Glaspaläste noch das Maß der Dinge?

Noch einmal: Mir geht es nicht um die Verdammung von Neubauten. Aber es ist festzuhalten, dass die Zeiten sich geändert haben. Immer weniger Kunden strömen in Autohäuser, um sich zu informieren. Oder anders herum: Autohäuser müssen einen immer größeren Aufwand betreiben, um Kunden dazu zu bewegen, zu Ihnen zu kommen, Stammkunden zu werden und zu bleiben. Und das in einem auf absehbare Zeit gesättigten Markt, einem extremen Verdrängungswettbewerb, einigen wackeligen Herstellern und Marken, einer maßlosen Überbelieferung mit der Folge enorm hoher Raten an Eigenzulassungen, stark steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten, einem nach wie vor instabilen wirtschaftlichen Umfeld in Europa, einem sich ändernden Kauf- und Nutzungsverhalten und letztendlich angespannten Renditen.
Meine Gedanken gehen also dahin, wie man heute und morgen eine „Basisstation“ namens Autohaus errichten kann, die den künftigen Bedürfnissen des Marktes gerecht werden kann.

Welche Anforderungen gibt es?

Es braucht Flexibilität. Wenn man nicht genau weiß, wohin sich der Markt entwickelt, sollte man im Zweifelsfall reagieren können. Was kann man in einem Autohaus alles machen: Events, Vorlesungen, Schulungen, Ausstellungen, Kurse, Wettbewerbe, Trainings, Parties, Filmvorführungen – kurzum, Veranstaltungen, bei denen Menschen zusammenkommen. Diese Ideen sind nicht neu, werden aber in vielen Betrieben nicht umgesetzt.
Städte und Gemeinden haben heutzutage immer weniger Geld, um einen Teil ihrer öffentlichen Aufgaben umzusetzen. Wie kann ein Autohaus da unterstützen? Z. B. könnte ein Betrieb in Stadtlage gebaut werden, dafür aber so, dass eine Etage als Showroom dient, eine andere vielleicht als Parkhaus oder Veranstaltungszentrum. Geht sicher nicht überall und mit jeder Marke und Betriebsgröße. Es soll auch nur eine Anregung sein, über andere Konzepte nachzudenken. Sprechen Sie doch einfach mal mit Ihrer Gemeinde, vielleicht ergibt sich da etwas Interessantes.

Ohne Zweifel müssen die Hersteller bei solchen Ideen erst einmal schlucken. Doch auch sie müssen anerkennen, dass der Markt weniger vorhersehbar und die Renditen der Händler dauerhaft schwächer geworden sind. Um dem entgegen zu wirken, müssen u. a. einige Standards zurückgefahren werden auf ein Niveau, das ihrem Bedürfnis nach Selbstdarstellung, Markenpräsentation und Prozesssicherheit gerecht wird, die Kunden aber mit einbezieht und die Händler nicht überfordert. Immer größer und luxuriöser – das ist in diesem Zusammenhang ein Motto der Vergangenheit – zumindest an den meisten Handelsplätzen.

Um der wachsenden Modellflut (jede Nische will besetzt sein) im Bereich Ausstellung und Probefahrten Herr zu werden, sind andere Denkansätze gefragt. Heute kann man virtuell, sprich über hochwertige und ansprechende Grafiklösungen in Verbindung mit dem Internet viele Details zeigen. Ja, ich höre schon jene, die jetzt sagen, der Mensch will aber mit allen Sinnen überzeugt werden. Das ist sicher richtig, dennoch müssen wir einerseits der Realität, andererseits der technologischen Entwicklung Rechnung tragen.

Probefahrten für jedes Modell können regional über Pools organisiert werden. SIcher wird dann immer noch nicht jeder Kunde jedes einzelne Modell fahren können. Aber es könnte mehr angeboten werden, als ohne eine solche Lösung. Die Fahrzeuge könnten über die Hersteller und Importeure oder auch über Autovermieter eingesetzt und koordiniert werden.

Eines ist aber darüber hinaus notwendig: Es braucht noch viel mehr Ideen und Konzepte, um sich selbst und damit auch seine Produkte und Leistungen zu vermarkten. Soll heissen, das Thema Marketing muss weiter in den Mittelpunkt in Autohäusern rücken. Einige Hersteller haben das erkannt und sind dabei, hier etwas voranzubringen. Ein gutes Zeichen, oder?

Hier geht es zu Teil 1 bzw. Teil 2 dieser Artikelserie.

Derek Finke

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