Lesen Sie weiter in Teil der Artikelserie Autohaus, Internet und Markt. Natürlich werden auch immer noch Privatkunden Autos kaufen, die auch gern einmal im Showroom vorbeischauen. Aber ich erinnere noch einmal an den Smartshopper von Hier geht es zu Teil 1 dieses Beitrages. Bei Preisdifferenzen im dreistelligen Euro-Bereich können Händler vor Ort sicher noch gut für sich argumentieren und zweifelnde Kunden auf ihre Seite ziehen. Wenn Kunden aber 1.000 EUR oder eben auch deutlich mehr einsparen können, indem sie Wettbewerbsangebote nutzen, kann der ganz anders kalkulierende Vollfunktionsbetrieb vor Ort kaum noch mit einer Nutzenargumentation gegen halten. Das wird’s dann schwierig mit der bestehenden Autohaus Strategie.

Autohaus Strategie – wilde Diskussionen in Onlineforen

Wer sich mal die Zeit nimmt und die größtenteils aufgebrachten Kommentare in der Online-Fachpresse zum Thema Internetvertrieb durchstöbert, kann die wildesten Meinungen dazu vernehmen. Zumeist ist aber festzustellen, dass die Kommentatoren lediglich von ihrer Warte ausgehen – Kunden stehlen meine Zeit, Kunden nutzen mich aus, Kunden belohnen meine Arbeit nicht, Kunden denken nur an sich, Kunden wertschätzen meine Vorleistungen nicht, Internethändler sind unsolidarisch, Internetportale schädigen die gesamte Branche, Internetvermittler gehören bestraft usw. Viel mehr Naivität geht nicht.

Haben wir noch einen Verkäufermarkt?

Man muss den Eindruck gewinnen, wir leben noch in einem Verkäufermarkt. Aber haben wir mehr Nachfrage als Angebot, ständig dringenden und sofort zu bedienenden Kundenbedarf, umfassendere Produktkenntnisse auf der Verkäuferseite oder einen wettbewerbsfreien Markt? Einzig bei den Produktkenntnissen würde ich an der einen oder anderen Stelle noch einen Haken setzen. Ansonsten ist doch wohl unbestritten, dass wir im Käufermarkt leben. Und da bestimmt nun einmal der Kunde die Spielregeln. Er entscheidet, was er mit seinem Geld macht und wie er es investiert. Er befindet für sich, was ihm vor, während und nach dem Kauf wichtig ist.

Das verfügbare Einkommen von Privatkunden steht von immer mehr Seiten unter Druck. Wichtige Dinge des täglichen Bedarfs werden immer teurer bzw. sollen immer teurer werden. Das Gerüst der Altersvorsorge wankt, sodass immer mehr Geld schon jetzt zurückgelegt werden muss, um einen gewissen Lebensstandard auch später zu halten. Über lange Jahre hinweg erfolgreiche und durchaus auch sinnvolle Produkte, wie z. B. kapitalbildende Lebensversicherungen, werfen kaum noch Renditen ab. Der Anteil von Single-Haushalten steigt nach wie vor, ebenso gibt es mehr als genug Alleinerziehende. Die durchschnittlichen Nettolöhne stagnieren bzw. sind rückläufig. Gleichzeitig steigt die Unsicherheit über den eigenen Arbeitsplatz.

Die Preise für Autos und deren Unterhaltung sind ebenfalls gestiegen. Möge sich doch jeder Mitarbeiter eines Autohauses mal durchrechnen, ob er sich einen zu seinen Bedürfnissen (nicht zu seinen Träumen!) passenden Wagen selbst leisten könnte! Diese Rechnung kann er dann gleich fortsetzen für Werkstattkosten, Winterräder, Steuern, Kfz-Versicherungen usw. Wissen die Mitarbeiter eigentlich, zu welchen Preisen Arbeitsstunden, Teile oder der Liter Öl in ihrem Betrieb verkauft werden?!

Kunden gehen Weg des geringsten Widerstands

Bei alldem ist es nur logisch, dass Dinge, die das Leben erleichtern und es finanziell erträglicher machen, auch angenommen werden. Man sitzt bequem vor dem Rechner, konfiguriert sein Fahrzeug und bekommt einen Endpreis angezeigt. Alles transparent, alles ohne unbequeme und unangenehme Verhandlungen. Kunden begreifen das Internet mehr und mehr auch bei Neuwagenkauf und Service als Instrument, um ihre Interessen durchzusetzen. Die durch das Netz geschaffene Transparenz, der Druck einer immer höheren Handlungsgeschwindigkeit, die Notwendigkeit einer guten Reputation online und offline, der Zwang, sich neuen Kommunikationsformen mit dem Kunden zu öffnen und die unbedingte Notwendigkeit, seine betrieblichen Prozesse auf höchstem Niveau zu gestalten – all das wird auf Dauer weder von irgendeiner GVO, noch von Händlerschutzvorschriften (so es diese gibt), noch von den Herstellern gebremst werden können.

Geschäftsmodell Autohaus ist unter Druck

Das tradierte Geschäftsmodell des vertragsgebundenen Autohändlers ist seit Anbeginn des Automobilhandels in seinen Grundfesten unverändert geblieben. Natürlich gab es an einigen Stellen Anpassungen, aber das waren „Facelifts, keine neuen Modelle“. Ich bin davon überzeugt, dass es in den kommenden Jahren einschneidende Veränderungen geben wird. Wie die exakt aussehen, vermag ich nicht vorherzusehen. Fakt aber ist, dass es unruhiger werden wird.

BTW: Wann macht das erste Autohaus aus der Not mit den Internetvermittlern eigentlich eine Tugend? Warum bietet niemand das Internetkäufer-Beratungspaket an? Inklusive Modellberatung und Probefahrt vor dem Kauf sowie Fahrzeugerklärung danach für XYZ Euro? Oder wegen mir auch ein anderes Paket, nur mit Fahrzeugerklärung oder, oder, oder?!
Das mag in den Ohren des einen oder der anderen vielleicht lächerlich klingen. Aber um im Wettbewerb zu gewinnen, muss man Ideen erarbeiten, diese ausprobieren und weiter verfeinern, oder, bei Misserfolg, wieder einstellen! Probieren geht über studieren!

In Teil 3 dieser Artikelserie geht es demnächst weiter mit der Frage, ob Autohäuser heutiger Konzeption künftig noch sinnvoll sind.

Derek Finke

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