Ich mach die Analyse mal kurz: Im Gebrauchtwagengeschäft des deutschen Autohandels steigt die Arbeitstemperatur. Die Erträge sind abgestürzt, die Standzeiten werden länger, die Bestände und damit die Zinskosten steigen, Leasingrestwerte passen immer weniger. Dazu kommt ein für deutsche Händlerseelen neuer Umstand: Wurde früher die überschüssige Ware nach Europa und auch darüber hinaus exportiert, findet jetzt das Gegenteil statt. Ware aus Südeuropa findet ihren Weg nach Deutschland (übrigens auch immer mehr Neuwagen, die sich da unten die Räder platt stehen).

Vielen Händlern steckt die letzte Krise noch arg in den Knochen. Auch, wenn die wenigen Jahre danach für die meisten durchaus gut gelaufen sind, reicht das sicher nicht, um die schweren Zeiten davor vollends auszugleichen. Insofern ist die Furcht groß, dass es den einen oder anderen böse erwischen könnte. Wenn ich mir vor Augen führe, welche Fragen sich der eine oder andere stellt, ist meine Befürchtung groß, dass diese Furcht auch berechtigt ist.

Gebrauchtwagengeschäft unter Druck – Beispiel Restwert

Ohne Frage ist es schon ein Fortschritt im Vergleich zu früheren Zeiten, dass viele Hersteller oder ihre Finanzinstitute diverse Maßnahmen ergriffen haben, um die Restwerte bzw. die Händler in Sachen Restwerten zu unterstützen. Aber damit löst man das Grundproblem nicht. Heute als Händler auf Basis von wie auch immer geschaffenen Tabellen Restwerte zu garantieren, die erst in drei oder vier Jahren Realität werden sollen, gleicht einem hochspekulativen Warentermingeschäft. In einer Marktwirtschaft gilt aber das Prinzip, je höher das Risiko, desto höher der Risikoaufschlag. Doch mal ganz ehrlich: Wo wird innerhalb dieses Geschäftsmodells im Autohandel ein hoher Risikoaufschlag realisiert?
Aber hinterfragt irgendjemand mal diese Art von Geschäftsmodell? Nein, statt dessen wird es hingenommen, nicht klaglos, aber eben hingenommen. Weil, so die Begründung, wer dieses Spiel nicht mitspielt, verkauft ja schließlich auch keine Neuwagen über die marken-eigene Leasinggesellschaft. Da ist was dran. Aber die Frage ist doch, was hat der Händler vom Gesamtgeschäft, also Neuwagen, Service (vielleicht per Wartungsvertrag) und Gebrauchtwagen. Wenn also in der Gesamtbetrachtung ein positiver Saldo herauskommt, ist es ja ok. Aber wer checkt so etwas? Oder um es anders zu sagen: Jeder Händler ist angehalten, sein Geschäftsmodell auf den Prüfstand zu stellen und zu hinterfragen, ob es in der gewohnten Form wirklich noch tragfähig ist!

Gebrauchtwagen-Geschäft unter Druck – Beispiel Standzeit

Ohne Frage ist es richtig, dass „so kurz wie möglich“ der richtige Ansatz ist. Aber „kurz“ muss man erst einmal definieren. Soweit ich das erfassen kann, gelten 60 Tage Standzeit gemeinhin als ein noch zu akzeptierender Durchschnittswert. Aber haut das hin? Ich mache hier jetzt keine Kalkulation auf. Aber was ist richtig: 30 – 60 – 90 😉 Oder vielleicht 20 Tage? Es gibt sehr erfolgreiche Händler in den USA, die bereits bei 20 Tagen sind. D. h., jene Händler schlagen ihren Gebrauchtwagenbestand bis zu 18 mal pro Jahr um. Klingt aberwitzig, ist aber so. Allerdings haben die auch ihr klassisches Geschäftsmodell „etwas“ verändert. Aber dazu demnächst mehr 🙂

Was kann man als Händler aber bereits heute tun, um den Druck etwas aus dem Kessel zu nehmen? Es gibt weder Tricks noch Zauberei, sondern nur klassische betriebswirtschaftliche Lösungen. Und die sind in der kurzfristigen Betrachtung natürlich keine Gewinnmaximierer, sondern wirken eher wie Überdruckventile. In Teil 2 dieser kleinen Artikelserie gehe ich darauf ein.

Derek Finke

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