Gestern habe ich in Leipzig am vom ZDK organisierten 3. Fabrikatshändlerkongress teilgenommen. Da ich auch an den beiden ersten Veranstaltungen dieser Art in den Jahren 2008 und 2010 teilgenommen habe, kann ich beurteilen, dass der diesjährige Kongress mit Abstand der beste war. Von daher möchte ich das Team um Antje Woltermann vom ZDK und von der TAK beglückwünschen für eine tolle Organisation und die Auswahl der Vortragenden.

Moderiert wurde das Ganze von Wolfgang Rother, der in seinen einleitenden Worten auf die aktuellen Sorgen und Herausforderungen der Fabrikatshändler einging. Rother, bekannt aus Funk und Fernsehen, hatte sich offenbar sehr gut vorbereitet und traf die Seele der Händler: steigende Standards, Nachlassverhalten, wachsende Kundenansprüche und nicht zu vergessen, die Herausforderungen durch das Internet im Neuwagenhandel.

Cem Özdemir, der Bundesvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen, stellte sich den Fragen von Moderator Wolfgang Rother. Es wurde deutlich, dass Özdemir bei aller grünen Euphorie einen pragmatischen Ansatz verfolgt. So sieht er zwar integrierte und intelligent vernetzte Verkehrskonzepte als Zukunft an, ist aber Realist genug, die gegenwärtigen Verkehrsträger als gesetzt anzusehen. Özdemir erwartet ein Nebeneinander von E-Mobilität, Hybriden und verbrauchsoptimierten Verbrennungsmotoren. Gerade bei Letzterem sieht er noch viel Potential. Er warnte auch davor, künftige Verkehrskonzepte allein durch die Hersteller am Handel vorbei zu gestalten. Der Handel müsse statt dessen eingebunden werden, um diese Zukunft aktiv mitzugestalten. Er warb dafür, einen ökologischen Lebensstil nicht als Spaßbremse zu betrachten. Ganz im Gegenteil gehe es darum, Freude und Verantwortung miteinander zu verbinden und Menschen dafür zu begeistern. Es gehe nicht darum, „wieder auf die Bäume zurück zu klettern“. Özdemir sagte, das „Auto wird auf absehbare Zeit das wesentliche Element der individuellen Mobilität sein und es wird nicht ohne Autos gehen. Aber diese Autos müssen unter ökologischer Sicht andere Autos sein.“

Am meisten haben mich aber die Vorträge von Zukunftsforscher Matthias Horx sowie von Prof. Dr. Peter Kruse, einem honorigen Organisationspsychologen, beeindruckt. Beide haben sich auf verschiedene Art und Weise mit der Zukunft der Mobilität, der Rolle des Autos und der Autohändler darin beschäftigt. Während Horx auf Basis der Trendforschung herausarbeitete, wie sich die Gesellschaft verändert hat bzw. sich auch weiterhin entwickeln wird, ging Kruse sehr stark auf die Bedeutung der emotionalen Ansprache von Menschen ein.

So konnte Horx belegen, dass Frauen auf die künftige Entwicklung der Automobilwirtschaft einen entscheidenden Einfluss haben werden. Das gilt nicht nur für die Unternehmen und ihre Srukturen selbst, sondern auch und gerade für Frauen als Kunden. Damit tut sich eine Zielgruppe auf, die das Thema Auto deutlich nutzwertorientierter betrachtet und mit einer differenzierten Herangehensweise akquiriert werden möchte. Als Mitarbeiterinnen und Führungskräfte werden Frauen künftig zahlreicher sein und in der Regel besser ausgebildet. In Bezug auf die Entwicklung der Mobilität sieht Horx die Zukunft für den Vertragshandel positiv, allerdings unter der Voraussetzung, dass er sich den Entwicklungen stellt. Horx sieht den Autohändler von morgen eher als Serviceprovider für Mobilität und mobilen Lifestyle.

Prof. Kruse stellte die kulturellen Veränderungen in der heutigen Zeit dar und erläuterte die Herausforderungen, die sich durch den Wechsel vom Push- zum Pull-Markt ergeben. Er präsentierte ein sehr intessantes und spannendes Modell, Kunden zu befragen und ehrliche Antworten zu erhalten. Nach meiner Meinung ist dieses Modell geradewegs dazu prädestiniert, die heute bekannten, unsäglichen Kundenzufriedenheitsbefragungen zu ersetzen. Gleichzeitig eröffnet es zusätzliche Möglichkeiten der Markt- und Meinungsforschung.
Kruse konnte anhand von Studien erstaunliche Ergebnisse präsentieren. So hat das Auto bei der nachwachsenden Generation rein emotional bei weitem nicht mehr die Bedeutung, wie in der Vergangenheit. Von daher sieht Kruse den Autohändler der Zukunft vor allem als emotionales Bindeglied vor Ort, um so die nachlassende Bindung an das Produkt Auto auszugleichen. Es gibt also Perspektiven für den Vertragshandel, aber er muss sich erheblich verändern. Es stehen deutlich weniger Hardware, also Gebäude und Fliesenfarben, im Vordergrund, als weiche Faktoren, wie das Zugehen auf Menschen.

Zum Ende der Veranstaltung gab es dann noch eine sogenannte Professoren-Runde, bestehend aus den Herren Bratzel, Ermschel, Hoffmeister und Reindl. Diese diskutierten ebenfalls über die Herausforderungen der Branche und vertraten dabei durchaus verschiedene Standpunkte. Nach den beeindruckenden Vorrednern muss ich aber für mich festhalten, dass ich diese Diskussionsrunde allenfalls als nett empfunden habe. Anstöße, innovative Beiträge – Fehlanzeige. Dafür gab es viel Bekanntes und Bewährtes, also nichts Falsches.