Ich spinne mal ein wenig herum (ja ja, der eine oder andere unterstellt mir das ja schon länger ;-). Aber im Ernst: Mal angenommen, Händler XY überlegt, wie er sich künftig dem Herdentrieb im Gebrauchtwagengeschäft entziehen kann und sich neu positionieren könnte.

Die Ausgangslage (nicht nur im Gebrauchtwagengeschäft)

XY ist Vertragshändler und -werkstatt an einem Standort mit einer deutschen Marke, hat ein modernes und allen aktuellen Herstellerstandards entsprechendes Autohaus, geschultes Personal, gute Kundenzufriedenheitswerte und vermarktet ca. 500 neue sowie 575 gebrauchte Fahrzeuge p. a. In Sachen Gebrauchtwagen orientiert er sich wacker am herstellereigenen Gebrauchtwagen-Programm, das Verhältnis Neuwagen zu Gebrauchtwagen in seinem Absatzmix liegt bei ca. 1: 1,15, kauft neben Inzahlungnahmen fast nur Jungwagen vom Hersteller und seiner Leasinggesellschaft aktiv zu (viele davon im Rahmen von Spotangeboten und Paketen), vermittelt Garantiepolicen über die Herstellerversicherung, bereitet technisch in der eigenen Werkstatt mit Originalteilen auf, bereitet optisch selbst auf, hat seine EK-Finanzierungslinien bei der Herstellerbank und auch die Absatzfinanzierung läuft darüber.

Der Bruttogewinn im Gebrauchtwagen-Bereich ist eher mittelprächtig, Marktpotentiale werden nur durchschnittlich ausgeschöpft, der Bestand besteht praktisch nur aus Fahrzeugen der Neuwagen-Marke und ist im Durchschnitt knapp unter drei Jahre alt, die Kalkulation der Hereinnahmepreise erfolgt durch die (Neuwagen)-Verkäufer, der Durchlaufprozess der Gebrauchtwagen ist zwar definiert, Prozesssicherheit ist aber nicht vollständig gegeben, für die Online-Vermarktung wird selbst fotografiert und über einen Dienstleister hochgeladen (unter Einbezug der Herstellerbörsen), es gibt eine eigene Webseite, gebaut nach CI-Standards des Herstellers, inhaltlich und technisch aber nicht unbdedingt aktuell, eine Preisstrategie regelt relativ fix nach dem 30/60/90-Tage Prinzip, CRM existiert nur rudimentär, Kundennachbetreuung erfolgt nicht bzw. nach dem Prinzip Zufall, Fahrzeugversicherungen und Wartungsverträge werden kaum angeboten. Dazu liegt die Standzeit durchschnittlich bei um die 90 Tage.

Sieht so in etwa ein Durchschnittsbetrieb in Deutschland aus?

Diese Aufzählung mag nicht vollständig und in allen Details schlüssig sein. Aber kann es sein, dass so ähnlich in vielen Fabrikatsbetrieben das Gebrauchtwagen-Geschäft betrieben wird? Das meine ich mit Herdentrieb, irgendwie machen nahezu alle das Gleiche. Wenn man sich darüber hinaus in Erinnerung ruft, dass das Gebrauchtwagen-Geschäft im Gegensatz zum Neuwagen-Geschäft nicht gesetzlich reguliert ist (GVO), stellt sich mir auch die Frage, warum der Begriff Hersteller da oben derart oft auftaucht?

[bctt tweet=“#Vertragshändler haben sich das #Gebrauchtwagengeschäft aus der Hand nehmen lassen.“]

Die Fabrikatshändler haben sich das lukrative Gebrauchtwagen-Geschäft in vielen Bereichen aus der Hand nehmen lassen und sich nicht dagegen gewehrt, dass die Hersteller auch dieses eigentlich ureigenste Handelsgeschäft vertraglich mit ihnen regeln. Sprich: Die Vertragshändler sind meist auch noch „Vertragshändler“ für Werks-, Dienst- und Jahreswagen sowie Leasingrückläufer.

Führt man sich dann noch vor Augen, dass der durchscnittliche Gerbauchtwagen in Deutschland so zwischen neun und zehn Jahren alt ist, das durchschnittliche Alter des Bestands auf den Höfen der Händler aber bei unter drei Jahren liegt, stellt sich die Frage nach dem warum?! Von den Händlern werden meist zu hohe Risiken aus Sachmängelhaftung bei älteren Autos oder zu hohe Eigenkosten bei technischer und optischer Aufbereitung angeführt. Stimmt das wirklich? Oder gibt es vielleicht auch andere Gründe?

Zugegeben, diese Analyse ist etwas pauschal. Aber ich hatte ja schon anfangs gesagt, ich spinne mal … Im nächsten Post geht es dann anhand eines frei erfundenen Beispiels um mögliche Optionen.

Derek Finke

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